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Die Zukunft der Kanzler

Heute tagen die Kanzlerinnen und Kanzler der deutschen Hochschulen und beraten über ihre künftige Rolle im reformierten Hochschulsystem. Ein Telefoninterview mit Götz Schulz, Kanzler der Universität Mainz.

    Jörg Biesler: Zum 50. Mal treffen sich heute die Kanzlerinnen und Kanzler der deutschen Universitäten zu ihrer Jahrestagung, diesmal in Gießen. Und auf dem Programm steht vor allem die Diskussion um den zukünftigen Umgang mit den Personalmitteln. Am Telefon ist jetzt Götz Schulz, der Kanzler der Universität Mainz und gleichzeitig Bundessprecher der Kanzler. Guten Tag, Herr Schulz!
    Götz Schulz: Guten Tag, Herr Biesler.
    Biesler: Personalmittelbudgetierung, das klingt erst mal sterbenslangweilig. Darüber unterhalten Sie sich unter anderem heute. Aber für Sie als Verwaltungsfachmann ist in diesem Wort Personalmittelbudgetierung Musik drin, oder?
    Schulz: Jede Menge Musik. Sie müssen wissen, dass 75 Prozent des universitären Budgets Personalmittel sind, und daran erkennen Sie die Tragweite all dessen, was bei der Entscheidung über Personalmittel damit verbunden ist.
    Biesler: Personalmittel sind der Schlüssel zur Ausrichtung einer Hochschule. Also die Frage, in welchen Bereichen setzt man wie viel Personal ein und wie wird das bezahlt, dann entscheidet sich das Profil. Welche Rolle haben die Kanzler dabei?
    Schulz: Die Kanzler entscheiden in der Hochschulleitung mit darüber, ob diese Personalmittel dezentral eingesetzt werden, also in Fachbereichen. Und wenn Sie sich jetzt vorstellen, dass ein Fachbereich sich bemüht, einen besonders guten Wissenschaftler, eine gute Professorin oder einen guten Professor einzukaufen, dann braucht er möglicherweise für die Bezahlung dieses Professors etwas mehr Geld, als er hat. Und da ist es entscheidend, dass wir ihm dieses geben können, damit eben das Profil gestärkt wird.
    Biesler: Jetzt sind die Hochschulen mitten im Reformprozess, es verändert sich jede Menge, auch die Zusammensetzung der Hochschulleitung. Es gibt Präsidenten, die nicht mehr nur Professoren sind, die mal kurz eben den Rektor spielen und dann wieder sozusagen in ihre Wissenschaft zurückkehren, sondern es wird auch von dem Präsidenten erwartet, dass sie Wissenschaftsmanager sind, dass sie sich viel stärker um die Leitung der Hochschule kümmern, als das vielleicht in der Vergangenheit der Fall war, auch was die Besetzung, die Verteilung der Mittel und all diese Dinge angeht, für die ja doch in der Vergangenheit im Wesentlichen der Kanzler stand. Verändert sich da etwas im Machtgefüge der Hochschulleitung zwischen dem Präsidenten und dem Kanzler?
    Schulz: In der Tat verändert sich da etwas im Machtgefüge. Der Präsident ist in den Universitäten sozusagen die Nummer eins, der Boss; der Kanzler ist seine rechte Hand, in der Hochschulleitung mit ihm zwar gleichgestellt, aber seine rechte Hand, was das Geld insbesondere angeht. Und der Kanzler bringt sozusagen das Administrative, das Management-Know-how ein, der Präsident, typischerweise Wissenschaftler, bringt die intime Kenntnis der Wissenschaft mit ein. Und wenn die beiden sich gut ergänzen, dann kann es einer Hochschule gar nicht gut genug gehen.
    Biesler: Aber man kann schon sagen, dass die Kanzler da etwas an Macht wahrscheinlich verlieren werden, weil sie jetzt nicht mehr diejenigen sind, die das geheime Kameralwissen der Hochschule ganz für sich alleine haben und natürlich über die Mittelverteilung auch einigen Einfluss darauf nehmen können, wie sich die Hochschule insgesamt ausrichtet. Das wird jetzt mehr sozusagen in der Absprache stattfinden.
    Schulz: Das ist richtig. Wenn man das als Machtverlust bezeichnet, dann ist das eine Seite. Wenn man aber betrachtet, dass das Geld vernünftig, das heißt im besten Sinne für Lehre und Forschung eingesetzt werden soll, dann ist eben die intime Kenntnis von Wissenschaft, die der Professor, der dann Präsident wird, eher hat als der Kanzler, der ja eine administrative Ausbildung hat, gefragt. Und in diesem Sinne ist es kein Machtverlust, wenn man das mal richtig betrachtet aus Sicht der Universität, sondern es ist ein Machtgewinn. Denn diese beiden Hochschulleitungsfiguren müssen sich ja mit den Fachbereichen, mit den Dekanen unterhalten. Und da ist es für die sehr wichtig, dass sie gemeinsam und zusammen stehen.
    Biesler: Jetzt haben Sie die Rollenverteilung zwischen Präsident und Kanzler geschildert. Wenn die beiden sich nicht einig sind, dann wird in Zukunft der Hochschulrat derjenige sein, der die Entscheidungen trifft, natürlich nach Anhörung von Präsident und Kanzler vorher. Wie beurteilen Sie da die Rolle, welche Rolle kommt dem sozusagen zu? Ist das die wirklich des Gestalters oder mehr des Schiedsrichters?
    Schulz: Der Hochschulrat hat Bedeutung bei der strategischen Ausrichtung der Hochschule. Und das Verhältnis Kanzler/Präsident richtet sich stärker aufs operative Geschäft. Im operativen Geschäft müssen Sie sehen, dass wir den Hochschulrat möglichst raushalten, da soll er uns nicht reinreden. Für die strategische Grundausrichtung ist er uns wichtig.
    Biesler: Wenn man jetzt liest, womit Sie sich beschäftigen, dann beschäftigen Sie sich auch damit, dass die Mittelbudgetierung nach unten verteilt wird, also delegiert wird in die einzelnen Abteilungen. Was ist davon der Vorteil, wenn die Abteilungen eigenmächtig entscheiden können?
    Schulz: Die Abteilungen wissen sehr viel besser, wenn es ums knappe Geld geht, ob das mit der Besetzung der Stelle eines Professors, der Stelle eines wissenschaftlichen Mitarbeiters oder einer Sekretärin im Moment am besten eingesetzt ist. Das kann die Zentrale insbesondere bei großen Universitäten nicht wissen. Und deshalb ist so eine dezentrale Budgetierung sinnvoll, weil sie sachgerecht ist.
    Biesler: Götz Schulz war das, der Bundessprecher der Universitätskanzlerinnen und -kanzler von deren Jahrestagung, wo es vor allem um Personalmittelbudgetierung geht, also darum, wie das Geld innerhalb der Hochschulen für das Personal verteilt wird.