Die Zusammenarbeit von Nationen sei im Grunde das internationale Staatensystem, welches ganz zentral zum Beispiel auf der Handelspolitik aufbaue, sagte die Publizistin und Politikwissenschaftlerin Ulrike Guérot, Gründerin des European Democracy Lab, im Dlf. Es sei gut, wo die Verträge so fest seien, dass man sie nicht infrage stellen könne. Das sei zum Beispiel jahrelang bei der WTO der Fall gewesen. Aber: "Wir sehen, dass die internationale Ordnung da gerade bröckelt."
Wem nützen offene Grenzen?
Da, wo die Demokratie gegen den Handel gestellt würde, werde es problematisch, sagte Guérot mit Hinweis auf die Proteste gegen das CETA-Abkommen. In vielerlei Hinsicht sei die Argumentation Trumps die gleiche, die eine europäische Linke auch anbringen würde. Sie finde nicht, dass Trump in dieser Beziehung irrational handle. Das Problem des Populismus sei vielmehr, dass man irgendwelche Sachen verspreche, die man am Ende des Tages nicht halten könne. Die Tatsache, dass Trump sich jetzt gegen bestimmte Politiken im Handel wehre, heiße nicht, dass er die Interessen der amerikanischen Arbeiter besser schütze.
Trotzdem sei das die fragile Grenze. Man habe immer gesagt, dass offene Handelsgrenzen gut seien, und habe dabei nicht mehr die Frage mitgestellt, wie die Distribution der Handelsgewinne sei.
Man könne sehr gut sagen, dass viel Handel mit China im Interesse der deutschen Exportindustrie sei. "Ist das dann auch im Interesse der Lidl-Verkäufer oder des Billiglöhners oder des Amazon-Arbeiters", fragt Guérot. Die eine Frage sei, was verdiene die Nation, wie schütze sie ihre Interessen. Die andere Frage sei, wie verteilt sie das, was sie gewinne.
Nationen können Solidaritätsfrage nicht mehr beantworten
Wenn man das Politische verstehe als eine Sicherung von Freiheit und Gleichheit aller Menschen, dann sei das mit Nationen nicht mehr erreichbar. Ihre These sei, dass die Nationen derzeit zutiefst gesprengt würden, weil sie eben nicht mehr die Solidaritätsfrage beantworten könnten - diese sei aber das Fundament einer Nation.
Das Szenario von Morgen sei nicht mehr das Staaten-zu-Staaten-Verhältnis, sondern das dystopische Szenario von Menschengruppen, die sich voneinander abschotten würden. Eine Re-Feudalisierung sei schon längst im Gange. Die nationalen Grenzen würden zunehmend ersetzt durch Grenzen zwischen menschlichen Gruppen, und zwar unabhängig davon, welcher Nationalität sie angehörten.
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