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Die Zukunft der Vergangenheit

Für Altmeister Caetano Veloso sind ihre Songs "die Zukunft der brasilianischen Musik": Céu begeistert durch ihre Kombination von Popular Brasileira und Retro-Sound. Jetzt erscheint mit "Caravana Sereia Bloom" ein neues Album der 31-Jährigen.

Von Camilla Hildebrandt | 17.03.2012
    Ein neuer Stil, eine neue Bewegung in der brasilianischen Musikszene? Nichts ist heute wirklich "neu", meint Céu keck dazu. Aber vom "alten Sound" könne man sich wunderbar inspirieren lassen.

    "Ich liebe diese Musik, die Vinylscheiben. Es gibt so vieles, was man sich nochmal neu anhören, was man zitieren kann. Daher kommt diese Retro-Liebe, das wird auch immer so sein. Eine enorme Inspirationsquelle für mich."

    Maria Do Céu Whitaker Pocas – wie die Frau aus Sao Paulo mit vollem Namen heißt, abgekürzt Céu - "Himmel" – bedient sich aus den unterschiedlichsten Soundwelten. Easy Listening, soulige Dubs, Psychedelic-Sounds, dazu ein Hauch Girlie-Feeling, oder eine Spur lässige Erotik und natürlich Bossa und Samba. Die Musik ihrer Heimat steht aber selten im Vordergrund, sondern lugt frech hinter anderen Klängen hervor. Wie zum Beispiel in "palhaco"- , ein klassischer Samba von Urgestein Nelson Cavaquino. Die Geschichte eines traurigen Clowns, der nicht wieder zurück auf die Bühne will.

    "Dieser Song ist mir sehr wichtig, denn es ist unter anderem. eine Hommage an meinen Vater. Er ist auch Musiker, und als er klein war, wollte er Clown werden. Als ich ihn anrief und fragte, ob er mitmachen würde, hat er sofort verstanden, wie ich den Song haben wollte: Als Samba-Klassiker aber auch ein bisschen Fellini-mäßig. Mein Vater hat ihn dann in einen Walzer verwandelt, das war es genau, was ich wollte. "

    Geschichten erzählen, Bilder entstehen lassen vom Leben auf der Straße, vom Unterwegs-sein im tiefen Nordosten des Landes, das war die Idee für ihre aktuelle CD, erklärt Céu.
    Ein Projekt, dass sich von der kinematografischen Ästhetik hat inspirieren lassen, wie zum Beispiel von dem Kultfilm "Bye Bye Brazil" aus dem Jahr 1979, in dem ein Straßenzirkus immer tiefer in die Amazonasregion vordringt.

    Céu erzählt auf "Caravana Sereia Bloom" von einer alten Dame, die sich an ihre große Liebe erinnert, vom Gegenwind auf der Fahrbahn oder von einer heruntergekommenen Bar an der Durchfahrtsstraße, in der eine junge Frau selbstvergessen ihren Herzschmerz besingt.
    "Die CD hat viel Kinematografisches. Während der Arbeit wurde mir klar, dass ich auch Schauspielerin sein könnte. Ich habe natürlich selbst komponiert, aber auch mit anderen Komponisten zusammengearbeitet. Ich bin in die Haut der verschiedenen Personen, Situationen, geschlüpft, in das Leben auf der Straße."

    Céu stammt aus einer Künstlerfamilie, ihr Vater ist Komponist und Gitarrist. Mit 15 beschließt sie, die Schule zu beenden und stattdessen Musiktheorie und Violão, die brasilianische Konzertgitarre, zu studieren. Kurze Zeit später geht sie nach New York und nimmt Gesangsunterricht.

    "Es war etwas, was sich in meinem Kopf festgesetzt hatte, weil ich in der Schule das Glück hatte, den Jazz kennen zu lernen. Dann hat mir mein Vater schon geholfen, die ersten 6 Monate. Danach hab ich aber alles selbst finanziert, hab gearbeitet, Kurse besucht und Musik gemacht."

    New York sei eine sehr gute Schule für sie gewesen, meint Céu. Vielleicht auch die Inspiration für die Entstehung ihres eigenen Stils. Der Kombination aus Retro, Samba, Bossa, Funk und in vorherigen Projekten auch Hip Hop, mit der es die 31-jährige geschafft hat, sich auch außerhalb des Landes einen Namen zu machen. Die Zeitung "O Globo" bezeichnet ihre Musik als "eine Offenbarung". Ceú selbst sieht das gelassen. Es gäbe momentan tatsächlich eine neue musikalische Bewegung unter den jungen Künstlern in Brasilien, und sie sei glücklich Teil davon zu sein.

    "Das sind sehr viele, sehr unterschiedliche Leute, mit ganz eigenen, neuen Klängen, sehr eklektisch. Es ist auch schon die Frage aufgetaucht: ist das jetzt noch Música Popular Brasileira – die brasilianische Popmusik im weitesten Sinne – oder nicht? Ich finde schon. Ich reihe mich da gern ein. Es ist doch viel schöner, wenn man sich austauschen kann. So ist diese Szene."

    CD: Céu, "Caravana Sereia Bloom”, LC 08972, Exil Musik


    Tourdaten:

    24.03.12 Nürnberg
    25.03.12 Frankfurt/Main
    27.03.12 Berlin
    28.03.12 Hamburg
    30.03.12 Karlsruhe
    31.03.12 Zürich