Archiv


"Die Zukunft heißt erneuerbare Energien"

Für einen Minister der schwarz-gelben Koalition gibt er sich erstaunlich grün: Bundesumweltminister Norbert Röttgen setzt wie seine Vorgänger auf erneuerbare Energien und er will den Atomausstieg nicht stoppen, sondern nur etwas verlangsamen.

Von Dieter Nürnberger | 12.02.2010
    Für einen Bundesumweltminister ist es inzwischen zur Tradition geworden die Leitlinien der Politik in einer Grundsatzrede an der Berliner Humboldt-Universität zu erläutern. Norbert Röttgen tat dies gestern analytisch und auch perspektivisch. Eine Rede mit globalem Hintergrund, eine Rede, die aber auch ganz konkret Schritte und Maßnahmen einer künftigen Energiepolitik seines Hauses skizziert – und die sind, das weiß man aufgrund vielfältiger Diskussionen innerhalb der schwarz-gelben Koalition und auch innerhalb von CDU/CSU nicht unumstritten. Fortschritt sei Zukunftsverantwortung, sagt Norbert Röttgen, und seine daraus abgeleitete Vision ist eindeutig formuliert.

    "Es ist eine realistische und notwendige Vision, jedenfalls meine, dass wir bis 2050, das sind noch 40 Jahre, die Energieversorgung in unserem Land nahezu vollständig auf regenerative Energien stützen werden. Dieses Ziel müssen wir verfolgen."

    Den Klimawandel hält der Umweltminister für real, da sei er mit dem Gros der Wissenschaft einer Meinung. Röttgen bekennt sich somit auch zum 2-Grad-Ziel: Mehr dürfe die Erderwärmung in den kommenden Jahrzehnten nicht voranschreiten. Das Bekenntnis zum rigorosen Ausbau der erneuerbaren Energien hat somit auch Konsequenzen für die herkömmlichen Energieträger in diesem Land, allen voran Kohle und Atomkraft. Eine Umstellung der Energieversorgung sei daher eine Grundsatzentscheidung. Und die Anforderungen für eine Nutzung der Erneuerbaren seien nicht vereinbar mit den alten Technologien.

    "Es ist ökonomisch nicht möglich, gleichzeitig beide Konzepte zu verfolgen. Weil beide Konzepte einen enormen Investitionsbedarf auslösen. Man muss sich entscheiden, man kann nicht beide Wege gleichzeitig gehen. Aus Investitionsgründen, aber auch, weil das ökonomische Konzept der Grundlast-Kraftwerke – Kernenergie insbesondere – ökonomisch inkompatibel mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien ist."

    Damit übernimmt Röttgen grundsätzlich auch Positionen seiner Vorgänger Jürgen Trittin von den Grünen und Sigmar Gabriel von der SPD. Ein konkretes Energiekonzept will die Regierung erst im Oktober vorlegen. Die Atomkraft ist im Koalitionsvertrag als Brücken- oder Übergangstechnologie umschrieben. Details für eine mögliche Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken in Deutschland nannte Röttgen gestern nicht. Aber:

    "Das Bild einer Brücke macht nur unter einem Gesichtspunkt einen Sinn: Eine Brücke hat einen Anfang und ein Ende. Eine Brücke geht man, wenn man von der Gegenwart in die Zukunft will. Die Zukunft heißt erneuerbare Energien und da wollen wir hin, mit aller Kraft."

    Vom studentischen Publikum in Berlin gab es im wesentlichen Zustimmung. besonders die Ausbauziele für die erneuerbaren Energien wurden mit Applaus bedacht. Auffällig ist, dass Röttgen vielleicht akzentuierter als seine Vorgänger ökonomische Begründungen für sein Handeln anführt. Ökologie und Ökonomie seien untrennbar miteinander verbunden. Deutschland oder besser Europa müsse daher auch bei den mittelfristigen Reduktionszielen des CO2-Verbrauchs vorangehen.

    "Wer wird in diesem Modernisierungsprozess vorne sein? Die Aussage, dass wir mittelfristig 40 Prozent - und Europa 30 Prozent - wollen, ist nicht die Aussage, dass wir uns für bessere Menschen halten. Es ist die Aussage oder auch Kampfansage, dass wir diesen Wettbewerb gewinnen wollen, dass wir damit natürliche Lebensgrundlagen schützen wollen. Vor allem aber, dass wir die Weltregion mit positiven, klimaverträglichen Wachstum sein wollen. Ich betone: Wachstum!"

    Erste Reaktionen auf die Rede Röttgen ließen nicht lange auf sich warten. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe stellt Röttgen und seine Arbeit als Gewinn für die CDU dar. Die Äußerungen seien im Kern durch den Koalitionsvertrag gedeckt. Anders der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer: Der CSU-Politiker will die Laufzeiten für Atomkraftwerke in Deutschland generell nicht begrenzt sehen.