Mit diesem eigenwilligen Bild leitet Neil Postman sein neues Buch ein. Ein bißchen vereinfacht läßt sich die Metapher so übersetzen: Der Schlüssel zur Zukunft liegt in der Vergangenheit. Diese These bildet das Rückgrat des gesamten Buches. Schon der Untertitel kündigt an, welche Epoche Postman anvisiert: "Vom 18. ins 21. Jahrhundert". Will sagen: Wenn wir ein einigermaßen humanes 21. Jahrhundert erleben wollen, müssen wir uns dringend auf die Erkenntnisse des 18. Jahrhunderts besinnen. Nur dort, im Zeitalter der Aufklärung, sieht Postman Denkansätze und Handlungsmodelle, mit denen die Menschen das nächste Jahrtausend sinnvoll gestalten können. Auf dieser Einsicht beruht die sogenannte "Zweite Aufklärung".
Hintergrund dieser Überlegungen ist eine zutreffende, wenn auch nicht ganz neue philosophische Beobachtung: Die Mythen, die unserem Dasein über Jahrhunderte hinweg einen Sinn verliehen haben, sind uns abhanden gekommen. Im ausgehenden 20. Jahrhundert empfindet der Mensch ein starkes "Heimweh nach dem Ursprung": Woran soll er noch glauben? Die alten Strukturen wie Familie oder Kirche haben an Einfluß verloren, und neue sind nicht in Sicht. Die Menschheit braucht aber unbedingt einen Rückhalt, oder, wie Postman es nennt: eine Erzählung. Zitat: "Maßstab für die 'Wahrheit' einer solchen Erzählung sind ihre Konsequenzen. Gibt sie Hoffnung, Ideale, persönliche Identität, eine Basis für moralisches Verhalten, Erklärungen für das Unerkennbare?" (S. 139)
Diese fast religiösen Gedanken ziehen sich wie ein roter Faden durch das Buch. Systematisch untersucht Postman seine Lieblingsthemen, die alle aus den früheren Veröffentlichungen bekannt sind. Ein kurzer Blick ins Inhaltsverzeichnis: Das erste Kapitel trägt den programmatischen Titel "Eine Brücke ins 18. Jahrhundert". Danach folgen nacheinander die klassischen Säulen des Postmanschen Universums: "Fortschritt", "Technologie", "Sprache", "Information", "Erzählungen", "Kinder", "Demokratie" und "Erziehung".
Der Vorteil des Buches liegt auf der Hand: Alle Thesen des amerikanischen Skeptikers sind an einem Ort versammelt. Was ist Erkenntnis? Was können der Fernseher oder der Computer dazu beitragen? Wie verändern die neuen Medien unser Denken? Und schließlich: Wie können wir unsere Kinder vor den möglicherweise verheerenden Auswirkungen dieser Technologien bewahren? Wer immer schon ein Buch von Postman lesen wollte und sich nicht entscheiden konnte: Dieses hier faßt alle anderen Werke zusammen. Es ist leicht verständlich und spannend geschrieben. Selbst wer Postmans Ideen nicht teilt, wird seine besorgten und oft polemischen Anmerkungen zur Computergesellschaft mit Gewinn lesen.
Das heißt aber keinesfalls, daß Postman dieses Mal überzeugender argumentieren würde. Er ist zwar selbstironischer geworden, macht aber wieder die alten Fehler. Mit einer fast kindlichen oder besser: blinden Begeisterung verherrlicht er sein 18. Jahrhundert. Früher war eben alles besser: Damals wurde - im Vergleich zu heute - noch logisch gedacht, da hatten Gespräche noch Inhalt, da gab es noch Wörter mit Bedeutungen. Und: Es gab noch kein E-Mail. Am besten, man stellt sich einen Farmerjungen auf dem Feld vor: die eine Hand am Pflug, in der anderen ein aufgeschlagenes Buch. Das ist, grob gesagt, Postmans Ideal. Und er zitiert seitenweise Dichter und Denker der Aufklärung, um es zu verteidigen und zu illustrieren: Berkeley, Hume, Locke, Kant, Rousseau und Diderot.
Das Neue an seinem Buch ist die ungewöhnlich scharfe Abrechnung mit den Denkern der Gegenwart. Mit seiner ganzen rhetorischen Kraft bekämpft Postman die Vertreter von Postmoderne und Dekonstruktion, allen voran den Franzosen Jacques Derrida. Hier ist seine Argumentation gründlich mißlungen. Er verzerrt und verformt die Denkgebäude seiner Gegner bis zur Unkenntlichkeit. Für Postman ist die Postmoderne eine dunkle Macht, die den Glauben an die Sprache erschüttert und unsere letzten Mythen zerstört. Dabei übersieht er eine kleine Silbe: Es heißt nicht Destruktion, sondern De-KON-struktion. Postmodern zu denken, bedeutet gerade nicht, alles zu zerstören und sich danach die Hände zu reiben.
Postmoderne heißt vielmehr, die Leistungen und Erkenntnisse der Moderne kritisch zu überprüfen und sie auf verkrustete Hierarchien und totalitäre Strukturen hin abzuklopfen. Die alten Texte werden neu gelesen. Darin sind sich - bei allen Unterschieden in Zielsetzung und Methodik - die Postmoderne und Postman sogar einig. Aber die Mühe, das zu erkennen, macht er sich gar nicht erst. Postman bleibt polemisch und ergeht sich in unzulässigen Verallgemeinerungen.
Zurück in die Welt der Medien: Natürlich haben die Technologien unserer Alltagswelt keine Chance. Postman ist nach wie vor davon überzeugt: Fernsehen und Computer sind böse und zerstören jeden rationalen Diskurs. Paradox ist dabei, daß er in einer Hinsicht völlig recht hat, dann aber falsche Schlüsse zieht: Richtig ist, daß jedes Medium seine eigene Struktur hat und seine eigene Wirklichkeit produziert. Falsch ist, daraus zu schließen, daß das Buch gut und die elektronischen Medien schlecht sind. Ohne diese Moral würden Postmans Thesen viel an Glaubwürdigkeit gewinnen.
Der Eindruck am Ende: Neil Postman ist konsequent. Als Gegenpol, von dem man sich abgrenzt, ist der Apokalyptiker bestens geeignet. Aber seine Visionen vom 21. Jahrundert sind allzu düster und pessimistisch, und seine Lösungsvorschläge bleiben einseitig. Schon die Metapher von der Autofahrt hält bei genauerem Hinsehen nicht stand: Wer auf der ohnehin kurvigen Straße in die Zukunft zu lange in den Rückspiegel blickt, kann sicher sein, daß er früher oder später vor einen Baum kracht.
Hintergrund dieser Überlegungen ist eine zutreffende, wenn auch nicht ganz neue philosophische Beobachtung: Die Mythen, die unserem Dasein über Jahrhunderte hinweg einen Sinn verliehen haben, sind uns abhanden gekommen. Im ausgehenden 20. Jahrhundert empfindet der Mensch ein starkes "Heimweh nach dem Ursprung": Woran soll er noch glauben? Die alten Strukturen wie Familie oder Kirche haben an Einfluß verloren, und neue sind nicht in Sicht. Die Menschheit braucht aber unbedingt einen Rückhalt, oder, wie Postman es nennt: eine Erzählung. Zitat: "Maßstab für die 'Wahrheit' einer solchen Erzählung sind ihre Konsequenzen. Gibt sie Hoffnung, Ideale, persönliche Identität, eine Basis für moralisches Verhalten, Erklärungen für das Unerkennbare?" (S. 139)
Diese fast religiösen Gedanken ziehen sich wie ein roter Faden durch das Buch. Systematisch untersucht Postman seine Lieblingsthemen, die alle aus den früheren Veröffentlichungen bekannt sind. Ein kurzer Blick ins Inhaltsverzeichnis: Das erste Kapitel trägt den programmatischen Titel "Eine Brücke ins 18. Jahrhundert". Danach folgen nacheinander die klassischen Säulen des Postmanschen Universums: "Fortschritt", "Technologie", "Sprache", "Information", "Erzählungen", "Kinder", "Demokratie" und "Erziehung".
Der Vorteil des Buches liegt auf der Hand: Alle Thesen des amerikanischen Skeptikers sind an einem Ort versammelt. Was ist Erkenntnis? Was können der Fernseher oder der Computer dazu beitragen? Wie verändern die neuen Medien unser Denken? Und schließlich: Wie können wir unsere Kinder vor den möglicherweise verheerenden Auswirkungen dieser Technologien bewahren? Wer immer schon ein Buch von Postman lesen wollte und sich nicht entscheiden konnte: Dieses hier faßt alle anderen Werke zusammen. Es ist leicht verständlich und spannend geschrieben. Selbst wer Postmans Ideen nicht teilt, wird seine besorgten und oft polemischen Anmerkungen zur Computergesellschaft mit Gewinn lesen.
Das heißt aber keinesfalls, daß Postman dieses Mal überzeugender argumentieren würde. Er ist zwar selbstironischer geworden, macht aber wieder die alten Fehler. Mit einer fast kindlichen oder besser: blinden Begeisterung verherrlicht er sein 18. Jahrhundert. Früher war eben alles besser: Damals wurde - im Vergleich zu heute - noch logisch gedacht, da hatten Gespräche noch Inhalt, da gab es noch Wörter mit Bedeutungen. Und: Es gab noch kein E-Mail. Am besten, man stellt sich einen Farmerjungen auf dem Feld vor: die eine Hand am Pflug, in der anderen ein aufgeschlagenes Buch. Das ist, grob gesagt, Postmans Ideal. Und er zitiert seitenweise Dichter und Denker der Aufklärung, um es zu verteidigen und zu illustrieren: Berkeley, Hume, Locke, Kant, Rousseau und Diderot.
Das Neue an seinem Buch ist die ungewöhnlich scharfe Abrechnung mit den Denkern der Gegenwart. Mit seiner ganzen rhetorischen Kraft bekämpft Postman die Vertreter von Postmoderne und Dekonstruktion, allen voran den Franzosen Jacques Derrida. Hier ist seine Argumentation gründlich mißlungen. Er verzerrt und verformt die Denkgebäude seiner Gegner bis zur Unkenntlichkeit. Für Postman ist die Postmoderne eine dunkle Macht, die den Glauben an die Sprache erschüttert und unsere letzten Mythen zerstört. Dabei übersieht er eine kleine Silbe: Es heißt nicht Destruktion, sondern De-KON-struktion. Postmodern zu denken, bedeutet gerade nicht, alles zu zerstören und sich danach die Hände zu reiben.
Postmoderne heißt vielmehr, die Leistungen und Erkenntnisse der Moderne kritisch zu überprüfen und sie auf verkrustete Hierarchien und totalitäre Strukturen hin abzuklopfen. Die alten Texte werden neu gelesen. Darin sind sich - bei allen Unterschieden in Zielsetzung und Methodik - die Postmoderne und Postman sogar einig. Aber die Mühe, das zu erkennen, macht er sich gar nicht erst. Postman bleibt polemisch und ergeht sich in unzulässigen Verallgemeinerungen.
Zurück in die Welt der Medien: Natürlich haben die Technologien unserer Alltagswelt keine Chance. Postman ist nach wie vor davon überzeugt: Fernsehen und Computer sind böse und zerstören jeden rationalen Diskurs. Paradox ist dabei, daß er in einer Hinsicht völlig recht hat, dann aber falsche Schlüsse zieht: Richtig ist, daß jedes Medium seine eigene Struktur hat und seine eigene Wirklichkeit produziert. Falsch ist, daraus zu schließen, daß das Buch gut und die elektronischen Medien schlecht sind. Ohne diese Moral würden Postmans Thesen viel an Glaubwürdigkeit gewinnen.
Der Eindruck am Ende: Neil Postman ist konsequent. Als Gegenpol, von dem man sich abgrenzt, ist der Apokalyptiker bestens geeignet. Aber seine Visionen vom 21. Jahrundert sind allzu düster und pessimistisch, und seine Lösungsvorschläge bleiben einseitig. Schon die Metapher von der Autofahrt hält bei genauerem Hinsehen nicht stand: Wer auf der ohnehin kurvigen Straße in die Zukunft zu lange in den Rückspiegel blickt, kann sicher sein, daß er früher oder später vor einen Baum kracht.