Nationalversammlung
Diese Besonderheiten gibt es bei der Wahl in Frankreich

In Frankreich läuft die Wahl zur Nationalversammlung. Dabei gibt es im französischen Wahlrecht einige Besonderheiten, die das Ergebnis mitbestimmen werden. Wir erklären die wichtigsten Regeln und deren Folgen.

30.06.2024
    Bürgerinnen und Bürger stehen in einer Schlange. Vorne wirft ein Mann einen Stimmzettel in eine Wahlurne.
    Parlamentswahl in Frankreich: Die Wahllokale haben geöffnet. (picture alliance / dpa / MAXPPP / Farine Valérie)

    Welches Wahlrecht gilt in Frankreich?

    Die Abgeordneten der französischen Nationalversammlung werden nach einem Mehrheitswahlrecht in bis zu zwei Runden gewählt. Im Unterschied zu Deutschland, wo ein personalisiertes Verhältniswahlrecht gilt, führt dies zu einem schlechteren Abschneiden kleinerer Parteien bei der Sitzverteilung.
    Beim Mehrheitswahlrecht kann immer nur einer gewinnen. Die Stimmen, die nicht für den Sieger abgegeben wurden, werden nicht gewertet. Das Mehrheitswahlrecht begünstigt damit Wahlbündnisse. Die Partei, die am besten abschneidet, ist oft überproportional stark im Parlament vertreten.
    Die rechtspopulistische Partei Rassemblement National (RN), die sich in der Vergangenheit darüber beschwert hatte, dürfte bei der anstehenden Wahl davon profitieren. 2017 hatte der RN 13 Prozent der Stimmen, aber nur 8 Sitze der Nationalversammlung erhalten. Hätte das Verhältniswahlrecht gegolten, hätte die Partei damals 75 Abgeordnete in die Nationalversammlung schicken können.

    Warum gibt es zwei Wahlrunden?

    Schon jetzt steht fest, dass die endgültigen Mehrheitsverhältnisse nicht an diesem Sonntag entschieden werden, sondern erst bei Stichwahlen am kommenden Sonntag, dem 7. Juli. Denn um im ersten Wahlgang gewählt zu werden, muss ein Kandidat die absolute Mehrheit der abgegebenen Stimmen erreichen. Dies muss zugleich mindestens 25 Prozent der Wahlberechtigten entsprechen. Das führt dazu, dass bei einer geringen Wahlbeteiligung auch Kandidaten mit mehr als 50 Prozent in der ersten Runde noch in die zweite Runde müssen.
    Um in die zweite Runde zu kommen, müssen Kandidaten die Stimmen von mindestens 12,5 Prozent der eingeschriebenen Wähler erhalten, wie die französische Nachrichtenagentur AFP schreibt. Daher könne es in Ausnahmefällen auch zu Dreierkonstellationen in der zweiten Runde kommen.

    Wie sehen die aktuellen Umfragen aus?

    Nach letzten Umfragen liegt der Rassemblement National bei 35 bis 36,5 Prozent und damit deutlich vor der links-grünen Neuen Volksfront mit 27,5 bis 29 Prozent. Das Regierungslager von Präsident Macron kommt demnach auf 20,5 bis 21 Prozent.

    Wie könnte es bei einem Sieg des RN weitergehen?

    Sollte der Rassemblement National die Mehrheit bekommen, dürfte Parteichef Bardella Anspruch auf das Amt des Premierministers erheben. Er will es aber nur übernehmen, wenn seine Partei auf eine absolute Mehrheit kommt. Sollte dies der Fall sein, könnte Staatspräsident Macron politisch gezwungen sein, ihn zu ernennen. Damit würde Frankreich zum vierten Mal eine Kohabitation erleben, in der Präsident und Premierminister aus unterschiedlichen Lagern kommen.
    Im Wahlkampf stellteder RN bereits die Machtbefugnisse des Präsidenten in der Außen- und Sicherheitspolitik in Frage. Tatsächlich sind die Zuständigkeiten von Präsident und Premierminister in der französischen Verfassung nicht klar definiert, wie AFP schreibt. Konkret will Bardella etwa bei der Auswahl des französischen EU-Kommissars mitreden, die Entsendung französischer Militärausbilder in die Ukraine und die Lieferung von Langstreckenwaffen an die Ukraine verhindern.

    Kann Macron weiterregieren?

    Präsident Macron ist von der Neuwahl nicht direkt betroffen, er ist bis 2027 gewählt und hat mehrfach betont, dass er nicht an einen Rücktritt denke. Die frühere RN-Parteichefin Le Pen, die ihn 2027 ablösen will, bringt die Möglichkeit eines Macron-Rücktritts jedoch immer wieder ins Gespräch.
    Macron, der 2027 nicht wieder antreten kann, hat es bislang vermieden, einen möglichen Nachfolger aufzubauen. Mehrere ehemalige Verbündete nutzten den kurzen Parlamentswahlkampf nun für eigene Zwecke: Wirtschaftsminister Le Maire, Innenminister Darmanin und Ex-Premierminister Philippe gingen auf Distanz zu Macron.
    Diese Nachricht wurde am 30.06.2024 im Programm Deutschlandfunk gesendet.