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"Diese Einsparvorgabe gibt es nicht"

Der Oberbürgermeister von Bonn prescht mit dem Vorschlag vor, die Oper aufzugeben. Sein neuer Kulturdezernent, Martin Schumacher, will sich nun an die Ausarbeitung eines Kulturkonzepts machen, "ergebnisoffen", wie er sagt.

Martin Schumacher im Gespräch mit Karin Fischer |
    Karin Fischer: Der Stadt Bonn geht es gut, das war der Eindruck, den man in den letzten Jahren haben konnte. Die Mieten blieben hoch wie die Kompensationsleistungen des Bundes. Und die Ansiedlung von Forschungszentren und der Ausbau der Standorte von hochpotenten Dienstleistern wie Post oder Telekom machten aus dem verschlafenen Diplomatenviertel Godesberg ein geschäftiges Unternehmerviertel.

    Doch in letzter Zeit häufen sich die schlechten Nachrichten, auch was die Kultur betrifft. Bonn hat eine teuere Bauruine zu verkraften, das World Conference Center. Das neue Beethoven-Festspielhaus liegt auf Eis. Und der Bonner Oberbürgermeister ist kürzlich mit einem Vorschlag vorgeprescht, der selbst Experten geschockt hat. Bonn soll mittelfristig die Oper aufgeben, von Köln aus mitbespielt werden und zusammen mit der Nachbarstadt eine Tanzsparte aufbauen.

    Der neue Bonner Kulturdezernent Martin Schumacher, der gestern sein Amt antrat, stellte sich heute der Öffentlichkeit vor. Ihn habe ich gefragt, wie er auf den Vorschlag seines Chefs reagiert hat.

    Martin Schumacher: Also, es ist so, dass ich ja vom Rat dieser Stadt den Auftrag habe, ein Kulturkonzept zu erarbeiten. Und ich habe selbstverständlich meinen Oberbürgermeister gefragt, wie dieses dann sozusagen in Übereinklang zu bringen ist mit meinem Auftrag. Und er hat mir darauf ganz klar geantwortet, dass dieses Kulturkonzept ergebnisoffen erarbeitet werden soll. Also, ich habe hier keinerlei Vorgaben, sondern ich werde, nachdem ich den Ist-Stand festgestellt habe und auch festgestellt habe, was läuft gut und wo gibt es Schwächen, einen Vorschlag vorlegen, den ich zusammen allerdings erarbeiten werde mit allen Kulturakteuren und auch Verbänden, der dann der Politik zur Entscheidung vorgelegt wird.

    Fischer: Wir haben bisher gehört von einer Sparvorgabe, die lautet, sieben Millionen von 28, die die Theater in Bonn erhalten, sollten eingespart werden. Allerdings muss diese Sparvorgabe natürlich noch durch den Stadtrat.

    Schumacher: Diese Einsparvorgabe gibt es nicht. Es ist richtig, dass irgendwann mal beziffert wurde, was das Schauspiel kostet, was die Oper kostet. Und das wurde dann auch so interpretiert, als ob das bereits ein Sparvorschlag wäre. Aber einen solchen Sparvorschlag wird es nicht geben.

    Fischer: Wie wird Ihr Kulturkonzept aussehen, oder, wenn Sie noch keines haben, weil Sie sagen, Sie müssen es erst mit allen Beteiligten erarbeiten: Was ist Ihre Überzeugung von Kultur in der Stadt Bonn?

    Schumacher: Zunächst mal muss die Frage geklärt werden, welchen Stellenwert Kultur für die Stadtentwicklung überhaupt hat. Also welchen Stellenwert hat Kultur als politisches Aufgabenfeld im kommunalpolitischen Gesamtspektrum. Und ich glaube, dass dieses Feld nicht zu unterschätzen ist, denn Bonn hat sich ja, wie Sie das eben beschrieben haben, auf den Weg gemacht, sozusagen eine neue Identität zu finden, also von der Bundeshauptstadt zu einer Stadt, die darauf setzt, internationale Stadt zu sein. Aber auch eine Stadt, in der Hightech-Unternehmen sich ansiedeln. Und wie wir von Richard Florida wissen, muss man ja, um Talente in der Stadt zu halten, auch entsprechend gute Rahmenbedingungen bieten. Und dazu gehört natürlich ein gutes Sportangebot, ein gutes Bildungsangebot und vor allem aber auch ein gutes Kulturangebot. Dieses muss facettenreich sein und muss auch den Maßstäben entsprechen, die man heute an eine Großstadt mit über 300.000 Einwohnerinnen und Einwohner legt.

    Fischer: Was möchten Sie persönlich, Herr Schumacher, wenn ich das fragen darf: Die Oper retten, den Bau des Beethoven-Festspielhauses vorantreiben?

    Schumacher: Als Kulturdezernent muss ich natürlich ganz großen Wert darauf legen, dass alle drei Sparten vorhanden sind in einem Theater. Ob die dann alle vom Theater Bonn übernommen werden, oder auch von der freien Szene, zum Beispiel Kinder- und Jugendtheater wird ja hier von den Freien übernommen, wie ich gelernt habe, und zwar sehr gut. Ich bin aber auf jeden Fall dafür, dass am Theater Bonn die Sparte Schauspiel und Oper erhalten bleiben. Und ich sehe auch, in welcher Weise man auch eine Philharmonie schaffen kann. Also, ich vermeide ganz bewusst auch das Wort Festspielhaus, denn eine Philharmonie muss das ganze Jahr über funktionieren und nicht nur zu der Zeit, in der das Beethoven-Fest stattfindet.

    Fischer: Es muss ja keine Denkverbote geben und Sie als Städtewechsler sind ja vielleicht schon geübt in der Findung, wie es jetzt immer heißt, intelligenter Sparlösungen. Haben Sie Vorschläge?

    Schumacher: Also, zunächst mal muss ein Grundsatz gelten: Wenn man intelligent spart, darf man möglichst nicht an der Kunst sparen, sondern man muss versuchen, an den Strukturen zu sparen. Das heißt an Gebäuden zum Beispiel. Und so weit ich das überblicke, haben wir in Bonn eine ganze Reihe von Spielstätten. Und das verursacht natürlich hohe Kosten, nicht nur, was die Bauunterhaltung anbetrifft, sondern auch was den logistischen Aufwand betrifft, der mit der Unterhaltung von verschiedenen Austragungsorten für Kultur verbunden ist. Und da muss man auf jeden Fall hinschauen. Der zweite Gesichtspunkt ist freilich, dass man versucht, eine intelligente regionale Arbeitsteilung hinzukriegen.

    Fischer: Martin Schumacher, der neue Bonner Kulturdezernent, über den Spardruck und die Kultur in Bonn. Über eine vom Theater einberufene Podiumsdiskussion zum Thema berichten wir am Sonntag.