Vor Vertrauensfrage
Diese Gesetze könnten jetzt noch umgesetzt werden

Am 16. Dezember soll der Bundestag über die Vertrauensfrage abstimmen. Sollte Kanzler Scholz - wie erwartet - keine Mehrheit bekommen, wird es am 23. Februar Neuwahlen geben. Doch vorher wollen SPD und Grüne mit Unterstützung von Teilen der Opposition noch einige Gesetzesvorhaben durch das Parlament bringen. Ein Überblick darüber, was noch umgesetzt werden könnte - und was nicht.

    Deutscher Bundestag
    SPD und Grüne hoffen auf Unterstützung von Teilen der Opposition im Bundestag (Archivbild). (imago / Thomas Trutschel)
    Nach dem Ende der Ampel-Koalition hat die Opposition im Bundestag erstmals mit der rot-grünen Minderheitsregierung für Gesetzesvorhaben gestimmt. Es ging um eher kleinere Themen: die Rechtslage bei der Vererbung von Bauernhöfen und die Befugnis von Ermittlern, eine Telefonüberwachung beim Verdacht auf bestimmte Straftaten durchzuführen. Ohne die FDP verfügen die Regierungsfraktionen nach dem Bruch der Ampel-Koalition nicht mehr über eine eigene Mehrheit. Unions-Kanzlerkandidat Merz hatte der rot-grünen Koalition vor den Neuwahlen im Februar Unterstützung bei unaufschiebbaren Vorhaben im Bundestag angeboten. Je nach Gesetz stehen die Chancen unterschiedlich gut.

    Bundesverfassungsgericht

    Noch vor dem Ende des Regierungsbündnisses gab es eine Übereinkunft mit CDU und CSU, die Unabhängigkeit des Bundesverfassungsgerichts stärker abzusichern. Dazu sollen bestimmte Strukturen im Grundgesetz festgeschrieben werden. Falls es extremistischen Parteien in Zukunft gelingt, eine einfache Parlamentsmehrheit zu erringen, könnten sie dennoch die Anzahl der Richter, deren maximale Amtszeit und die Altersgrenze nicht verändern, wenn diese Verfassungsrang haben. Die Union hat in Aussicht gestellt, das Vorhaben, das eine Zweidrittelmehrheit erfordert, noch mitzutragen. Den Beschluss sehen Beobachter als sicher an.

    Rente

    Arbeitsminister Heil hatte nach dem Bruch des Regierungsbündnisses zunächst noch für seine geplante Rentenreform geworben, räumte jetzt jedoch ein, dass das Vorhaben nicht mehr in dieser Legislaturperiode vom Bundestag verabschiedet werden wird. Die Union und der ehemalige Koalitionspartner FDP hatten deutlich gemacht, dass sie nicht zustimmen werden. Der Gesetzentwurf sah vor, das Rentenniveau bis 2039 bei 48 Prozent zu halten. Geplant war auch der Einstieg in eine Aktienrente. Diese sollte durch die Erträge eines überwiegend aus Krediten finanzierten 200-Milliarden-Euro-Fonds die Rentenversicherung entlasten.

    Steuerentlastungen

    Über steuerliche Entlastungen wollte die Bundesregierung ab dem Jahreswechsel die sogenannte kalte Progression abschwächen, also den Effekt, dass Gehaltserhöhungen nur die Inflation ausgleichen, die Kaufkraft durch die höhere Einkommenssteuer insgesamt aber sinkt. Scholz hatte am Mittwoch erneut für eine entsprechende Gesetzesänderung geworben. Ob das noch so komme, stehe jetzt infrage, sagte DLF-Korrespondentin Katharina Hamberger in unserem Programm. "Die Union will darüber erst nach der Vertrauensfrage sprechen und wird sicher auch noch eigene Projekte auf die Liste setzen."

    Kindergeld

    Der Entwurf des Bundeshaushalts sieht eine Erhöhung des Kindergeldes um fünf Euro auf 255 Euro pro Monat vor. Auch der Kinderfreibeitrag sollte im kommenden Jahr steigen. Wird der reguläre Haushalt für 2025 nicht beschlossen und stattdessen die vorläufige Haushaltsführung in Kraft treten, würden neue Ausgaben wie die geplante Erhöhung des Kindergeldes zunächst ausbleiben. Theoretisch könnte auch ein eigenes Gesetz unabhängig vom Haushalt den Kindergeld-Satz neu regeln.

    Wirtschaft

    Kanzler Scholz hatte dafür geworben, noch in diesem Jahr wirtschaftsfördernde Maßnahmen auf den Weg zu bringen. Schon in der Ampel-Koalition gab es darüber allerdings keinen Konsens – die wirtschaftspolitische Ausrichtung war einer der Kernpunkte, die nach Aussage der FDP zum Bruch des Regierungsbündnisses führten.

    Nachtragshaushalt

    Mit dem Nachtragshaushalt sollte der Spielraum für eine Schuldenaufnahme voll ausgeschöpft werden, damit der Bund seine Rücklagen in diesem Jahr schont - und im nächsten Jahr mehr Geld hat. Der Unions-Finanzpolitiker Haase rief dazu auf, das Vorhaben zu streichen. Der neue SPD-Finanzminister Kukies hatte zuvor versichert, auch ohne nachträglich aufgenommene Kredite könne der Bund seine Rechnungen bezahlen. Die Abgeordneten des Bundestages hielten sich die Option dennoch offen: Sie überwiesen den Nachtragshaushalt zurück in den zuständigen Ausschuss.

    Deutschlandticket

    Das Ticket wird jeweils zur Hälfte von Bund und Ländern finanziert. Beide Seiten steuern dazu jährlich jeweils 1,5 Milliarden Euro bei. Die Mehrkosten für die Verkehrsunternehmen gehen jedoch perspektivisch über diese drei Milliarden Euro hinaus - deswegen soll das Ticket ab 2025 auch nicht mehr 49 Euro, sondern 58 Euro kosten. Aus der Union kommen Stimmen, die grundsätzlich den Fortbestand in Aussicht stellen. So sagte CSU-Landesgruppenchef Dobrindt am Mittwoch im ZDF, es stehe außer Frage, dass es das Deutschlandticket auch im kommenden Jahr noch gebe. Offen sei bei der Finanzierung allerdings das Verhältnis zwischen Bund und Ländern. Grünen-Fraktionschefin Haßelmann sagte den Sendern RTL und ntv, die Union wolle erst die Vertrauensfrage des Kanzlers abwarten, ehe sie Vereinbarungen darüber treffe, welchen Gesetzesprojekten sie im Bundestag noch zustimme.

    Ukraine-Hilfe

    Bei einer vorläufigen Haushaltsführung könnten ohne Weiteres keine neuen Projekte gestartet werden. Auch für die Ukraine könnte ohne Mehrheit im Bundestag kein zusätzliches Geld zur Verfügung gestellt werden. Nicht betroffen wären bereits bestellte Lieferungen.
    Diese Nachricht wurde am 14.11.2024 im Programm Deutschlandfunk gesendet.