Nach dem Ende der Ampel-Koalition hat die Opposition im Bundestag erstmals mit der rot-grünen Minderheitsregierung für Gesetzesvorhaben gestimmt. Es ging um eher kleinere Themen: die Rechtslage bei der Vererbung von Bauernhöfen und die Befugnis von Ermittlern, eine Telefonüberwachung beim Verdacht auf bestimmte Straftaten durchzuführen. Ohne die FDP verfügen die Regierungsfraktionen nach dem Bruch der Ampel-Koalition nicht mehr über eine eigene Mehrheit. Unions-Kanzlerkandidat Merz hatte der rot-grünen Koalition vor den Neuwahlen im Februar Unterstützung bei unaufschiebbaren Vorhaben im Bundestag angeboten. Je nach Gesetz stehen die Chancen unterschiedlich gut.
Bundesverfassungsgericht
Noch vor dem Ende des Regierungsbündnisses gab es eine Übereinkunft mit CDU und CSU, die Unabhängigkeit des Bundesverfassungsgerichts stärker abzusichern. Dazu sollen bestimmte Strukturen im Grundgesetz festgeschrieben werden. Falls es extremistischen Parteien in Zukunft gelingt, eine einfache Parlamentsmehrheit zu erringen, könnten sie dennoch die Anzahl der Richter, deren maximale Amtszeit und die Altersgrenze nicht verändern, wenn diese Verfassungsrang haben. Die Union hat in Aussicht gestellt, das Vorhaben, das eine Zweidrittelmehrheit erfordert, noch mitzutragen. Den Beschluss sehen Beobachter als sicher an.
Rente
Arbeitsminister Heil hatte nach dem Bruch des Regierungsbündnisses zunächst noch für seine geplante Rentenreform geworben, räumte jetzt jedoch ein, dass das Vorhaben nicht mehr in dieser Legislaturperiode vom Bundestag verabschiedet werden wird. Die Union und der ehemalige Koalitionspartner FDP hatten deutlich gemacht, dass sie nicht zustimmen werden. Der Gesetzentwurf sah vor, das Rentenniveau bis 2039 bei 48 Prozent zu halten. Geplant war auch der Einstieg in eine Aktienrente. Diese sollte durch die Erträge eines überwiegend aus Krediten finanzierten 200-Milliarden-Euro-Fonds die Rentenversicherung entlasten.
Steuerentlastungen
Über steuerliche Entlastungen wollte die Bundesregierung ab dem Jahreswechsel die sogenannte kalte Progression abschwächen, also den Effekt, dass Gehaltserhöhungen nur die Inflation ausgleichen, die Kaufkraft durch die höhere Einkommenssteuer insgesamt aber sinkt. Scholz hatte am Mittwoch erneut für eine entsprechende Gesetzesänderung geworben. Ob das noch so komme, stehe jetzt infrage, sagte DLF-Korrespondentin Katharina Hamberger in unserem Programm. "Die Union will darüber erst nach der Vertrauensfrage sprechen und wird sicher auch noch eigene Projekte auf die Liste setzen."
Kindergeld
Der Entwurf des Bundeshaushalts sieht eine Erhöhung des Kindergeldes um fünf Euro auf 255 Euro pro Monat vor. Auch der Kinderfreibeitrag sollte im kommenden Jahr steigen. Wird der reguläre Haushalt für 2025 nicht beschlossen und stattdessen die vorläufige Haushaltsführung in Kraft treten, würden neue Ausgaben wie die geplante Erhöhung des Kindergeldes zunächst ausbleiben. Theoretisch könnte auch ein eigenes Gesetz unabhängig vom Haushalt den Kindergeld-Satz neu regeln.
Wirtschaft
Kanzler Scholz hatte dafür geworben, noch in diesem Jahr wirtschaftsfördernde Maßnahmen auf den Weg zu bringen. Schon in der Ampel-Koalition gab es darüber allerdings keinen Konsens – die wirtschaftspolitische Ausrichtung war einer der Kernpunkte, die nach Aussage der FDP zum Bruch des Regierungsbündnisses führten.
Nachtragshaushalt
Mit dem Nachtragshaushalt sollte der Spielraum für eine Schuldenaufnahme voll ausgeschöpft werden, damit der Bund seine Rücklagen in diesem Jahr schont - und im nächsten Jahr mehr Geld hat. Der Unions-Finanzpolitiker Haase rief dazu auf, das Vorhaben zu streichen. Der neue SPD-Finanzminister Kukies hatte zuvor versichert, auch ohne nachträglich aufgenommene Kredite könne der Bund seine Rechnungen bezahlen. Die Abgeordneten des Bundestages hielten sich die Option dennoch offen: Sie überwiesen den Nachtragshaushalt zurück in den zuständigen Ausschuss.
Deutschlandticket
Es zeichnet sich nun doch eine Einigung beim Deutschlandticket ab. Die Unionsfraktion im Bundestag signalisierte Zustimmung zu einer Änderung des Regionalisierungsgesetzes, das die Finanzierung des Tickets sichern soll. Der stellvertretende Vorsitzende Lange sagte, Beschlüsse würden aber erst nach der Vertrauensfrage von Bundeskanzler Scholz Mitte Dezember gefasst. Damit sei die Finanzierung im kommenden Jahr gesichert. Die verkehrspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Cademartori, erklärte, man sei erfreut darüber, dass die Union das Thema nicht zum Spielball für politische Verhandlungen verkommen lasse. Aktuell kostet das deutschlandweit für den Nah- und Regionalverkehr gültige Ticket 49 Euro, ab dem kommenden Jahr sollen es 58 Euro sein. Die Finanzierung teilen sich Bund und Länder.
Ukraine-Hilfe
Bei einer vorläufigen Haushaltsführung könnten ohne Weiteres keine neuen Projekte gestartet werden. Auch für die Ukraine könnte ohne Mehrheit im Bundestag kein zusätzliches Geld zur Verfügung gestellt werden. Nicht betroffen wären bereits bestellte Lieferungen.
Diese Nachricht wurde am 15.11.2024 im Programm Deutschlandfunk gesendet.