Stefan Heinlein: Sauber, steril und keimfrei – in Krankenhäusern gelten strenge Hygienevorschriften. Doch die Gefahr, sich im Krankenhaus mit gefährlichen Keimen zu infizieren, ist nicht gering. Die Zahlen sind erschreckend. Bis zu 40.000 Menschen sterben jedes Jahr in Deutschland durch Krankenhausinfektionen. Der tragische Tod von drei Babys in der Mainzer Uniklinik hat das Thema Krankenhaushygiene jetzt auf die politische Tagesordnung gebracht. Bundesgesundheitsminister Rösler will mit seinen Länderkollegen rasch über mögliche Verbesserungen beraten. – Christian Floto, Leiter unserer Redaktion "Wissenschaft und Bildung", wie sinnvoll ist denn dieser Vorstoß des Bundesgesundheitsministers?
Christian Floto: Ich glaube, er hat keine andere Wahl, dieses jetzt dringend auf die politische Agenda zu setzen. Die Frage ist ja, warum dieses Thema nicht schon viel eher auf der Agenda stand. Es stand auf der Agenda im Bundestag, beispielsweise Anhörung März 2009, die Bundesärztekammer hat dazu auch dezidiert Stellung genommen. Fachlich haben alle Input-Möglichkeiten damals schon vorgelegen und man hat das Thema wieder von der politischen Agenda abgesetzt. Man hat sich dann ein wenig um Meldepflicht und dergleichen gekümmert, aber mehr auch nicht. Jetzt zwingt ein solches Ereignis dann durch die Schlaglichter, die da auch jetzt medial geworfen werden, das noch mal auf die Agenda zu setzen, und das ist auch richtig so, denn seit Jahrzehnten ist dieses Problem bekannt. Die Defizite sind da. Wir haben Regelungen in allen möglichen Bereichen unseres Lebens, auch von Europa runterverordnet, und es ist nicht einzusehen, warum dieser Bereich eigentlich dann ungeregelt bleiben soll, der so viele Menschen betrifft.
Heinlein: Was muss denn neu geregelt werden, um dort in diesem Bereich, in den Krankenhäusern, bei der Hygiene Verbesserung zu erreichen?
Floto: Es geht um die Festschreibung eines vernünftigen Standards. Diese Standards liegen vor, einige Bundesländer haben so einen Standard. Nordrhein-Westfalen bezieht sich beispielsweise auf die vorliegenden Standards, die die entsprechende Kommission für Krankenhaushygiene beim Robert-Koch-Institut erarbeitet hat, beispielsweise auch was den personellen Mehraufwand für Krankenhäuser angeht. Da beziehen die sich einfach drauf und sagen, so und so viele müssen dann entsprechend nach der Größe des Krankenhauses eingestellt werden. Wir brauchen einfach diese verbindlichen Standards, die jetzt über den Empfehlungscharakter im Robert-Koch-Institut hinausgehen, und dann gibt es natürlich auch durch diese Standardisierung die Möglichkeit zu sanktionieren. Es gibt die Grundlage auch für Standardgespräche mit Krankenkassen und so weiter. Die Finanzierung jetzt eines Mehrbedarfs, das ist ein anderes Thema und da setzen ja jetzt auch die Hinweise aus allen möglichen Verbänden und Organisationen ein, die sagen: Moment mal, es gibt da nicht viel Luft im Gesundheitssystem, gerade in den Krankenhäusern nicht, die auch noch einen Einsparbeitrag, 500 Millionen jetzt im nächsten Jahr, leisten sollen, wir stehen wirklich am Limit, was die Kosteneinsparungsmöglichkeit angeht, und jetzt sollen wir noch mehr schultern. Das ist die übliche Begleitmusik, die zu erwarten ist.
Heinlein: Können Sie das noch ein wenig konkreter fassen, Herr Floto? Was muss sich ändern? Muss stärker vorgeschrieben werden, dass sich die Ärzte, die Schwestern etc. die Hände waschen, oder muss mehr geputzt werden? Was muss sich konkret ändern, damit diese erschreckende Zahl von 40.000 Neuinfektionstoten sich ändert?
Floto: Sie müssen auf der einen Seite die organisatorischen Voraussetzungen schaffen, dass man in alle Winkel und Ecken dort schaut und die Standards, die Hygienefachkommissionen beispielsweise beim Robert-Koch-Institut erarbeitet haben, auch umgesetzt werden. Die organisatorischen Standards heißen, es gehören Hygienefachärzte an Kliniken ab einer bestimmten Größe. Vorher, wenn es ganz kleine Kliniken sind, muss man diese Expertise einkaufen. Es gehören Hygienefachschwestern und –Pfleger in einer gewissen Größenordnung hin und sie haben ganz dezidierte Aufgaben und Rechte in einer Klinik. Sie sind Bindeglied, sie sind Mittler und dann kann man in einem solchen Gesetz auch noch diese Aufgaben konkretisieren, das heißt wie die Standards, die dort sind, zur Wischdesinfektion, zur Händedesinfektion, auch sehr viel spezieller auf Intensivstationen, umgesetzt werden, was auch für Rechte dann diese Mitarbeiter haben an der Stelle.
Heinlein: Viele, Herr Floto, verweisen jetzt auf Holland. Dort sind die Dinge ja wohl offensichtlich besser geregelt. Ist das ein Vorbild möglicherweise jetzt für die angestrebten bundeseinheitlichen Regelungen?
Floto: Es ist immer gut, auf andere Länder zu schauen, aber auch die Unterschiede zu sehen. Holland kommt von einer ganz anderen Situation her, die haben Riesenprobleme gehabt mit diesen sogenannten Problemkeimen, die multiresistent sind gegen verschiedene Antibiotika. Das hat auch eine Vorgeschichte, beispielsweise in der Landwirtschaft, wo viele Antibiotika eingesetzt werden als Wuchshilfen und zur Unterstützung der Mast. Da gab es eine große Shift auch aus dem Tierreich eben halt auf Menschen. Die sind aber tatsächlich problembewusst gewesen und sind hingegangen, haben gesagt, wir gucken uns die Patienten an, die ins Krankenhaus kommen, die ein bisschen Zeit haben, wo wir nicht notfallmäßig agieren müssen, und wir gucken uns die Patienten an, die rausgehen aus einer Klinik. Haben die Problemkeime, können wir diese Problemkeime schon beseitigen außerhalb der Klinik. Die kümmern sich also darum, welcher Patient hat schon Problemkeime, oder hat noch Problemkeime, wenn er aus einer Klinik kommt, und beseitigen die. Die gucken sehr viel intensiver darauf hin und handeln vor der Klinik, nach der Klinik auch in Bezug auf Problemkeime.
Heinlein: Also unter dem Strich: die Initiative, der Vorstoß von Philipp Rösler, dieses Thema jetzt anzugehen, zu vereinheitlichen, ist richtig und überfällig?
Floto: Diese Initiative ist überfällig. Allerdings könnte ich mir vorstellen, dass man das Ganze auch noch ein bisschen beschleunigt. Es ist klar: Bestimmte Abstimmungsprozesse brauchen ihre Zeit. Aber wenn die Gesundheitsministerkonferenz erst in vielen Monaten stattfindet, ist eigentlich nicht zu verstehen, warum das nicht ein wenig beschleunigt, auch beispielsweise im Rahmen einer Sondersitzung, stattfinden kann.
Heinlein: Christian Floto, Leiter der Wissenschafts- und Bildungsredaktion des Deutschlandfunks. Ganz herzlichen Dank für das Gespräch.
Christian Floto: Ich glaube, er hat keine andere Wahl, dieses jetzt dringend auf die politische Agenda zu setzen. Die Frage ist ja, warum dieses Thema nicht schon viel eher auf der Agenda stand. Es stand auf der Agenda im Bundestag, beispielsweise Anhörung März 2009, die Bundesärztekammer hat dazu auch dezidiert Stellung genommen. Fachlich haben alle Input-Möglichkeiten damals schon vorgelegen und man hat das Thema wieder von der politischen Agenda abgesetzt. Man hat sich dann ein wenig um Meldepflicht und dergleichen gekümmert, aber mehr auch nicht. Jetzt zwingt ein solches Ereignis dann durch die Schlaglichter, die da auch jetzt medial geworfen werden, das noch mal auf die Agenda zu setzen, und das ist auch richtig so, denn seit Jahrzehnten ist dieses Problem bekannt. Die Defizite sind da. Wir haben Regelungen in allen möglichen Bereichen unseres Lebens, auch von Europa runterverordnet, und es ist nicht einzusehen, warum dieser Bereich eigentlich dann ungeregelt bleiben soll, der so viele Menschen betrifft.
Heinlein: Was muss denn neu geregelt werden, um dort in diesem Bereich, in den Krankenhäusern, bei der Hygiene Verbesserung zu erreichen?
Floto: Es geht um die Festschreibung eines vernünftigen Standards. Diese Standards liegen vor, einige Bundesländer haben so einen Standard. Nordrhein-Westfalen bezieht sich beispielsweise auf die vorliegenden Standards, die die entsprechende Kommission für Krankenhaushygiene beim Robert-Koch-Institut erarbeitet hat, beispielsweise auch was den personellen Mehraufwand für Krankenhäuser angeht. Da beziehen die sich einfach drauf und sagen, so und so viele müssen dann entsprechend nach der Größe des Krankenhauses eingestellt werden. Wir brauchen einfach diese verbindlichen Standards, die jetzt über den Empfehlungscharakter im Robert-Koch-Institut hinausgehen, und dann gibt es natürlich auch durch diese Standardisierung die Möglichkeit zu sanktionieren. Es gibt die Grundlage auch für Standardgespräche mit Krankenkassen und so weiter. Die Finanzierung jetzt eines Mehrbedarfs, das ist ein anderes Thema und da setzen ja jetzt auch die Hinweise aus allen möglichen Verbänden und Organisationen ein, die sagen: Moment mal, es gibt da nicht viel Luft im Gesundheitssystem, gerade in den Krankenhäusern nicht, die auch noch einen Einsparbeitrag, 500 Millionen jetzt im nächsten Jahr, leisten sollen, wir stehen wirklich am Limit, was die Kosteneinsparungsmöglichkeit angeht, und jetzt sollen wir noch mehr schultern. Das ist die übliche Begleitmusik, die zu erwarten ist.
Heinlein: Können Sie das noch ein wenig konkreter fassen, Herr Floto? Was muss sich ändern? Muss stärker vorgeschrieben werden, dass sich die Ärzte, die Schwestern etc. die Hände waschen, oder muss mehr geputzt werden? Was muss sich konkret ändern, damit diese erschreckende Zahl von 40.000 Neuinfektionstoten sich ändert?
Floto: Sie müssen auf der einen Seite die organisatorischen Voraussetzungen schaffen, dass man in alle Winkel und Ecken dort schaut und die Standards, die Hygienefachkommissionen beispielsweise beim Robert-Koch-Institut erarbeitet haben, auch umgesetzt werden. Die organisatorischen Standards heißen, es gehören Hygienefachärzte an Kliniken ab einer bestimmten Größe. Vorher, wenn es ganz kleine Kliniken sind, muss man diese Expertise einkaufen. Es gehören Hygienefachschwestern und –Pfleger in einer gewissen Größenordnung hin und sie haben ganz dezidierte Aufgaben und Rechte in einer Klinik. Sie sind Bindeglied, sie sind Mittler und dann kann man in einem solchen Gesetz auch noch diese Aufgaben konkretisieren, das heißt wie die Standards, die dort sind, zur Wischdesinfektion, zur Händedesinfektion, auch sehr viel spezieller auf Intensivstationen, umgesetzt werden, was auch für Rechte dann diese Mitarbeiter haben an der Stelle.
Heinlein: Viele, Herr Floto, verweisen jetzt auf Holland. Dort sind die Dinge ja wohl offensichtlich besser geregelt. Ist das ein Vorbild möglicherweise jetzt für die angestrebten bundeseinheitlichen Regelungen?
Floto: Es ist immer gut, auf andere Länder zu schauen, aber auch die Unterschiede zu sehen. Holland kommt von einer ganz anderen Situation her, die haben Riesenprobleme gehabt mit diesen sogenannten Problemkeimen, die multiresistent sind gegen verschiedene Antibiotika. Das hat auch eine Vorgeschichte, beispielsweise in der Landwirtschaft, wo viele Antibiotika eingesetzt werden als Wuchshilfen und zur Unterstützung der Mast. Da gab es eine große Shift auch aus dem Tierreich eben halt auf Menschen. Die sind aber tatsächlich problembewusst gewesen und sind hingegangen, haben gesagt, wir gucken uns die Patienten an, die ins Krankenhaus kommen, die ein bisschen Zeit haben, wo wir nicht notfallmäßig agieren müssen, und wir gucken uns die Patienten an, die rausgehen aus einer Klinik. Haben die Problemkeime, können wir diese Problemkeime schon beseitigen außerhalb der Klinik. Die kümmern sich also darum, welcher Patient hat schon Problemkeime, oder hat noch Problemkeime, wenn er aus einer Klinik kommt, und beseitigen die. Die gucken sehr viel intensiver darauf hin und handeln vor der Klinik, nach der Klinik auch in Bezug auf Problemkeime.
Heinlein: Also unter dem Strich: die Initiative, der Vorstoß von Philipp Rösler, dieses Thema jetzt anzugehen, zu vereinheitlichen, ist richtig und überfällig?
Floto: Diese Initiative ist überfällig. Allerdings könnte ich mir vorstellen, dass man das Ganze auch noch ein bisschen beschleunigt. Es ist klar: Bestimmte Abstimmungsprozesse brauchen ihre Zeit. Aber wenn die Gesundheitsministerkonferenz erst in vielen Monaten stattfindet, ist eigentlich nicht zu verstehen, warum das nicht ein wenig beschleunigt, auch beispielsweise im Rahmen einer Sondersitzung, stattfinden kann.
Heinlein: Christian Floto, Leiter der Wissenschafts- und Bildungsredaktion des Deutschlandfunks. Ganz herzlichen Dank für das Gespräch.