Jürgen Liminski: Die Beratungen der EU-Finanzminister gestern standen natürlich auch im Schatten der Affäre Strauss-Kahn. Zwar kann diese Runde und der IWF eine Zeit lang auch ohne einen Direktor auskommen, aber die Frage ist: Kann Strauss-Kahn ohne den IWF auskommen, ist seine Karriere jetzt beendet. Zumindest bleibt er nach dem Termin bei einer Haftrichterin in New York in Untersuchungshaft und wurde jetzt sogar in ein Gefängnis verlegt.
Es gab Zeiten, da klangen die Nachrichten über Strauss-Kahn ganz anders und da klang auch er selbst ganz anders. Zum Beispiel so:
"Viele reden derzeit vom Währungskrieg. Ich selbst habe das Wort benutzt, auch wenn es etwa militaristisch klingt. Aber es ist schon so: Viele Länder erwägen, ihre Währung als Waffe zu nutzen, und das ist sicherlich nicht sehr gut für die Weltwirtschaft."
Liminski: Eine souveräne Stimme von Strauss-Kahn, Währung als Waffe oder zumindest der Weltwährungsfonds als Prestigewaffe für die politische Auseinandersetzung in Frankreich. Ist es nun damit völlig vorbei? – Die Frage geht an Daniel Vernet, früher Chefredakteur von Le Monde und heute freier Publizist in Frankreich. Zunächst mal guten Morgen, Herr Vernet.
Daniel Vernet: Guten Morgen, Herr Liminski.
Liminski: Herr Vernet, ist die politische Karriere des Dominique Strauss-Kahn beendet?
Vernet: Niemand in Frankreich sagt das bis heute, aber jeder weiß, das ist der Fall. Und es ist sehr unwahrscheinlich, dass Dominique Strauss-Kahn, wenn er auch unschuldig ist – und das ist sehr wichtig, diese Unschuldsvermutung zu unterstreichen -, wenn er auch unschuldig ist, ist es sehr schwierig vorstellbar, dass er seine Karriere in Frankreich fortsetzen könnte. Er kann nicht aus Zeitgründen für die sozialistische Partei und für die Präsidentschaftswahlen im nächsten Jahr kandidieren, und wir gehen davon aus, dass der Prozess in Amerika mehrere Monate, vielleicht Jahre dauern wird. Deswegen würde ich sagen, diese Karriere ist beendet.
Liminski: Die Franzosen, Herr Vernet, sind recht großzügig mit den Liebesaffären ihrer Politiker. Bis auf de Gaulle, der absolut integer war, hatten alle Präsidenten irgendwelche Affären. Mitterrand führte sogar ein Doppelleben mit einer Frau und einer Tochter im Élysée. Warum soll es mit Strauss-Kahn jetzt anders sein? Wo bleibt die Diskretion und Großzügigkeit im Fall Strauss-Kahn?
Vernet: Die Diskretion und Großzügigkeit waren sehr großzügig, würde ich sagen, in den letzten Jahren. Aber es ging in diesem Fall nicht um Affäre, Seitensprung und so weiter, sondern es geht um kriminelle Taten, wenn diese Taten bewiesen sind, bewiesen werden. Das ist eine andere Sache. Deswegen ist die Empörung und Überraschung in Frankreich wie anderswo heute sehr groß.
Liminski: Wo ist denn die Grenze, die ein französischer Politiker nicht überschreiten darf? Sind es kriminelle Taten?
Vernet: Ja. Bei der Presse und ich würde sagen auch bei der öffentlichen Meinung in Frankreich ist die Grenze auf der einen Seite sehr klar und auf der anderen Seite sehr fraglich. Das heißt, über das Privatleben darf man nicht berichten, solange dieses Privatleben nicht politische Folgen hat, und da hat man mit Mitterrand so verfahren und mit Strauss-Kahn in den letzten Jahren auch, obwohl es wurde schon gewusst, dass Strauss-Kahn eine besondere Beziehung zu den Frauen hat.
Liminski: Hier und da wird spekuliert, man habe Dominique Strauss-Kahn eine Falle gestellt. Was halten Sie davon? Ist das möglich?
Vernet: Das ist sehr schwer zu sagen. Es kursiert jetzt im Internet, das ist immer so in solchen Fällen. Ich bin sehr, sehr skeptisch. Aber auf der anderen Seite wie gesagt, das ist so überraschend und einigermaßen unwahrscheinlich, dass man diese Theorien verstehen könnte. Aber wie gesagt, das ist sehr schwer vorstellbar. Auf der anderen Seite ist es sehr wichtig, glaube ich, ich wiederhole das, dass man diese Unschuldsvermutung für Dominique Strauss-Kahn unterstreicht.
Liminski: Wer profitiert politisch von der Affäre, nur Staatspräsident Sarkozy, oder auch die Gegner von Strauss-Kahn in der sozialistischen Partei selbst?
Vernet: Es ist ein bisschen früh, das zu sagen. Das werden wahrscheinlich die anderen potenziellen Kandidaten in der sozialistischen Partei wie zum Beispiel Francois Hollande, der ehemalige Chef der Partei oder Martine Aubry, die heutige Chefin. Sarkozy weiß ich nicht, aber eine Sache ist für mich ganz klar und für weitere politische Beobachter ganz klar. Marine Le Pen und die extrem Rechte werden von dieser Sache profitieren. Das ist leider das Ergebnis dieser Geschichte.
Liminski: Wie wird es denn in der sozialistischen Partei weitergehen mit Blick auf die Präsidentschaftswahlen?
Vernet: Die Verantwortlichen in der sozialistischen Partei behaupten, das Leben geht weiter, die Sozialisten werden Ende dieses Monats ihr Programm für das nächste Jahr verabschieden. Dann werden die Kandidaten für die Wahlen innerhalb der Partei sich erklären und dann gibt es im Herbst die Wahlen für die sozialistische Kandidatur, und da gibt es mehrere Kandidaten. Das Problem für die sozialistische Partei ist, diese Wahlen gut zu organisieren und nicht zu einem Streit zwischen mehreren Persönlichkeiten entwickeln zu lassen.
Liminski: Der Ruf Frankreichs sei beschädigt, sagte gestern ein Minister. Ist das auch die Meinung der Straße?
Vernet: Darüber hat man noch nicht sehr viel diskutiert, aber man kann davon ausgehen, das ist ein Schlag auch für Frankreich insgesamt und für den Ruf Frankreichs auf der internationalen Ebene. Das ist ganz sicher.
Liminski: Der Fall Strauss-Kahn und seine Folgen. Das war aus Paris der frühere Chefredakteur von Le Monde, Daniel Vernet. Besten Dank für das Gespräch, Herr Vernet.
Vernet: Bitte. Auf Wiederhören.
Es gab Zeiten, da klangen die Nachrichten über Strauss-Kahn ganz anders und da klang auch er selbst ganz anders. Zum Beispiel so:
"Viele reden derzeit vom Währungskrieg. Ich selbst habe das Wort benutzt, auch wenn es etwa militaristisch klingt. Aber es ist schon so: Viele Länder erwägen, ihre Währung als Waffe zu nutzen, und das ist sicherlich nicht sehr gut für die Weltwirtschaft."
Liminski: Eine souveräne Stimme von Strauss-Kahn, Währung als Waffe oder zumindest der Weltwährungsfonds als Prestigewaffe für die politische Auseinandersetzung in Frankreich. Ist es nun damit völlig vorbei? – Die Frage geht an Daniel Vernet, früher Chefredakteur von Le Monde und heute freier Publizist in Frankreich. Zunächst mal guten Morgen, Herr Vernet.
Daniel Vernet: Guten Morgen, Herr Liminski.
Liminski: Herr Vernet, ist die politische Karriere des Dominique Strauss-Kahn beendet?
Vernet: Niemand in Frankreich sagt das bis heute, aber jeder weiß, das ist der Fall. Und es ist sehr unwahrscheinlich, dass Dominique Strauss-Kahn, wenn er auch unschuldig ist – und das ist sehr wichtig, diese Unschuldsvermutung zu unterstreichen -, wenn er auch unschuldig ist, ist es sehr schwierig vorstellbar, dass er seine Karriere in Frankreich fortsetzen könnte. Er kann nicht aus Zeitgründen für die sozialistische Partei und für die Präsidentschaftswahlen im nächsten Jahr kandidieren, und wir gehen davon aus, dass der Prozess in Amerika mehrere Monate, vielleicht Jahre dauern wird. Deswegen würde ich sagen, diese Karriere ist beendet.
Liminski: Die Franzosen, Herr Vernet, sind recht großzügig mit den Liebesaffären ihrer Politiker. Bis auf de Gaulle, der absolut integer war, hatten alle Präsidenten irgendwelche Affären. Mitterrand führte sogar ein Doppelleben mit einer Frau und einer Tochter im Élysée. Warum soll es mit Strauss-Kahn jetzt anders sein? Wo bleibt die Diskretion und Großzügigkeit im Fall Strauss-Kahn?
Vernet: Die Diskretion und Großzügigkeit waren sehr großzügig, würde ich sagen, in den letzten Jahren. Aber es ging in diesem Fall nicht um Affäre, Seitensprung und so weiter, sondern es geht um kriminelle Taten, wenn diese Taten bewiesen sind, bewiesen werden. Das ist eine andere Sache. Deswegen ist die Empörung und Überraschung in Frankreich wie anderswo heute sehr groß.
Liminski: Wo ist denn die Grenze, die ein französischer Politiker nicht überschreiten darf? Sind es kriminelle Taten?
Vernet: Ja. Bei der Presse und ich würde sagen auch bei der öffentlichen Meinung in Frankreich ist die Grenze auf der einen Seite sehr klar und auf der anderen Seite sehr fraglich. Das heißt, über das Privatleben darf man nicht berichten, solange dieses Privatleben nicht politische Folgen hat, und da hat man mit Mitterrand so verfahren und mit Strauss-Kahn in den letzten Jahren auch, obwohl es wurde schon gewusst, dass Strauss-Kahn eine besondere Beziehung zu den Frauen hat.
Liminski: Hier und da wird spekuliert, man habe Dominique Strauss-Kahn eine Falle gestellt. Was halten Sie davon? Ist das möglich?
Vernet: Das ist sehr schwer zu sagen. Es kursiert jetzt im Internet, das ist immer so in solchen Fällen. Ich bin sehr, sehr skeptisch. Aber auf der anderen Seite wie gesagt, das ist so überraschend und einigermaßen unwahrscheinlich, dass man diese Theorien verstehen könnte. Aber wie gesagt, das ist sehr schwer vorstellbar. Auf der anderen Seite ist es sehr wichtig, glaube ich, ich wiederhole das, dass man diese Unschuldsvermutung für Dominique Strauss-Kahn unterstreicht.
Liminski: Wer profitiert politisch von der Affäre, nur Staatspräsident Sarkozy, oder auch die Gegner von Strauss-Kahn in der sozialistischen Partei selbst?
Vernet: Es ist ein bisschen früh, das zu sagen. Das werden wahrscheinlich die anderen potenziellen Kandidaten in der sozialistischen Partei wie zum Beispiel Francois Hollande, der ehemalige Chef der Partei oder Martine Aubry, die heutige Chefin. Sarkozy weiß ich nicht, aber eine Sache ist für mich ganz klar und für weitere politische Beobachter ganz klar. Marine Le Pen und die extrem Rechte werden von dieser Sache profitieren. Das ist leider das Ergebnis dieser Geschichte.
Liminski: Wie wird es denn in der sozialistischen Partei weitergehen mit Blick auf die Präsidentschaftswahlen?
Vernet: Die Verantwortlichen in der sozialistischen Partei behaupten, das Leben geht weiter, die Sozialisten werden Ende dieses Monats ihr Programm für das nächste Jahr verabschieden. Dann werden die Kandidaten für die Wahlen innerhalb der Partei sich erklären und dann gibt es im Herbst die Wahlen für die sozialistische Kandidatur, und da gibt es mehrere Kandidaten. Das Problem für die sozialistische Partei ist, diese Wahlen gut zu organisieren und nicht zu einem Streit zwischen mehreren Persönlichkeiten entwickeln zu lassen.
Liminski: Der Ruf Frankreichs sei beschädigt, sagte gestern ein Minister. Ist das auch die Meinung der Straße?
Vernet: Darüber hat man noch nicht sehr viel diskutiert, aber man kann davon ausgehen, das ist ein Schlag auch für Frankreich insgesamt und für den Ruf Frankreichs auf der internationalen Ebene. Das ist ganz sicher.
Liminski: Der Fall Strauss-Kahn und seine Folgen. Das war aus Paris der frühere Chefredakteur von Le Monde, Daniel Vernet. Besten Dank für das Gespräch, Herr Vernet.
Vernet: Bitte. Auf Wiederhören.