Archiv

Diesel-Demonstrationen
"Wir fordern die Überprüfung der Grenzwerte"

Joannis Sakkaros, Initiator der Demonstration gegen Diesel-Fahrverbote in Stuttgart, hat im Dlf eine Anhebung der Grenzwerte und andere Messverfahren in seiner Stadt gefordert. Aufgrund bestimmter Werte eine ganze Umweltzone zu sperren, sei nicht gerechtfertigt.

Joannis Sakkaros im Gespräch mit Christine Heuer |
    Demonstration auf dem Stuttgarter Wilhelmplatz gegen das Diesel-Fahrverbot in der Stadt.
    Demonstration auf dem Stuttgarter Wilhelmplatz gegen das Diesel-Fahrverbot in der Stadt. (picture alliance / dpa / Christoph Schmidt)
    Christine Heuer: In Stuttgart wird durchexerziert, was vielen anderen Städten auch droht, Fahrverbote im größeren Stil, weil die Grenzwerte für Stickoxide überschritten werden. Es geht um Dieselautos, jedenfalls im ersten Schritt, und viele Dieselfahrer gehen auf die Barrikaden. In Stuttgart hat sich aus dem Protest jetzt eine Gelbwestenbewegung entwickelt. Bereits an zwei Wochenenden wurde da im französischen Stil gegen das Dieselfahrverbot demonstriert. Organisiert hat diesen Protest Joannis Sakkaros, aktiver IG-Metaller, Mechatroniker bei Porsche und jetzt bei uns am Telefon. Guten Morgen, Herr Sakkaros!
    Joannis Sakkaros: Guten Morgen ganz meinerseits!
    Heuer: Wie sind Sie denn auf die Idee gekommen, in Gelbwesten gegen das Fahrverbot in Stuttgart zu demonstrieren?
    Sakkaros: Das war der Anlass aus Frankreich, einfach solidarisch da zusammenzustehen, denn die haben ja auch ähnliche Probleme, und dann habe ich dazu aufgerufen.
    "Ein Zeichen an die Regierung setzen"
    Heuer: Und das bedeutet ja auch Aufmerksamkeit.
    Sakkaros: Ganz klar. Das soll ein Zeichen setzen auch an die Regierung.
    Heuer Warum demonstrieren Sie überhaupt gegen das Dieselfahrverbot? Was treibt Sie da persönlich an?
    Sakkaros: Mich hat das Ganze gestört, und es war halt einfach undurchdacht, wie die ganze Regierung hier in Stuttgart selbst die komplette Fläche, also die komplette Umweltzone sperrt. In Hamburg zum Beispiel nur zwei Straßen. Andere Städte verhängen das auch nur Mitte des Jahres, bei uns gleich von Anfang an, also hier ab Januar. Und es ist doch sehr ungerechtfertigt, wenn wir sogar eine Messstation haben, die oben in Cannstatt steht, die Messwerte unterhalt der Grenzwerte liegen und wir dennoch dort auch ein Fahrverbot haben. Da stimmt definitiv etwas nicht.
    Heuer: Also Sie finden, die Politik übertreibt. Aber was bedeutet das Fahrverbot denn konkret für Ihren Alltag? Sind Sie da persönlich betroffen?
    Sakkaros: Ich bin davon auch betroffen, ich habe selbst ein Fahrzeug. Mein Problem ist, ich fahre überwiegend mit der S-Bahn in die Arbeit. Aber wenn ich das Auto ein-, zweimal in der Woche nutzen will, kann ich das nicht nutzen. Und das ist nicht gerechtfertigt. Mir ein neues Auto anzuschaffen, ein Auto, das ich nur zweimal in der Woche nutze.
    Heuer: Warum fahren Sie denn weiter Diesel? Sie sind ja bei Porsche geradezu an der Quelle.
    Sakkaros: Ich fahre den Diesel einfach, weil ich den in die Hände bekommen habe, und er ist sparsam, und umweltfreundlicher ist er auch. Sie produzieren ja weniger CO2 als Benziner. Und ich bin mir ganz sicher, wenn diese ganze Dieseldebatte aufhört, fangen die beim Benziner an.
    "Nachrüsttechnik wäre sinnvoll"
    Heuer: Und könnte Porsche, Ihr Arbeitgeber, Ihr Auto nicht nachrüsten? Das wäre ja dann der Weg, dass man sagt, wir halten die Grenzwerte ein, und dadurch werden die Fahrverbote überflüssig?
    Sakkaros: Porsche kann das nicht. Ich habe einen Citroen.
    Heuer: Ach, schau. Das hätte ich jetzt nicht gedacht. Ja, dann könnte Citroen das ja machen.
    Sakkaros: Theoretisch wäre eine technische Nachrüstung möglich. Darüber wird ja auch die ganze Zeit debattiert in der Regierung. Aber wie weit das Ganze jetzt fortgeschritten ist, das weiß ich nicht. Ich würde es mir einfach erhoffen, weil es wäre der Umwelt zuliebe nicht richtig, Autos wegzuschmeißen und gegen neue zu ersetzen. Da wäre es echt sinnvoll, so eine Nachrüsttechnik.
    Heuer: Und das ist Ihnen aber im Moment noch zu teuer, oder warum machen Sie das nicht?
    Sakkaros: Im Moment ist es noch nicht verfügbar. Aber teuer definitiv, durchaus ja, weil irgendwie 3.000 Euro für ein System, mit Einbau, das ist halt schon ein bisschen viel, dafür, dass die ganze Regierung und die Autoindustrie es verschlafen hat. Jetzt müssen die Bürger wieder draufzahlen.
    Heuer: Und viele dieser Bürger haben sich ja Ihrem Aufruf angeschlossen. 250, habe ich gelesen, waren es am ersten Wochenende, 700 am zweiten. An diesem Samstag wollen Sie wieder demonstrieren. Wie viele Teilnehmer erwarten Sie da?
    Sakkaros: Ich bin mir sicher, ich hoffe es zumindest, dass wir die Zweitausender-Markierung knacken.
    "Da will ich eigentlich jede Partei raushalten"
    Heuer: Was sagen denn Ihre Mitstreiter?
    Sakkaros: Wir sind alle zielstrebig auf dieses Thema fixiert, und wir gehen alle in eine Richtung. Die sind alle erfreut, dass es sie gibt, diese Demo, dass wir hier die Regierung auf uns aufmerksam machen können. Das ist eine super Veranstaltung, das Feedback bekomme ich, und deswegen treibt mich das weiter an, das noch weiter zu machen.
    Heuer: Die AfD findet auch klasse, was Sie da initiiert haben. Fühlen Sie sich eigentlich wohl in deren Gesellschaft?
    Sakkaros: Die AfD – also die AfD darf, als Bürger dürfen die kommen. Dass die das dann versucht haben, zu vereinnahmen, fand ich ein bisschen blöd, klar. Da will ich eigentlich jede Partei raushalten. Aber jeder darf als Bürger kommen.
    Heuer: Wie haben die versucht, Ihre Demonstration zu vereinnahmen, und was haben Sie dann dagegen unternommen?
    Sakkaros: Die sind halt sehr präsent aufgefahren, auch mit Plakaten, und dann haben sie auch noch Flyer verteilt, was ich eigentlich auch untersagt hatte. Die Antifa, muss man auch sagen, war auch da, hat auch Flyer verteilt. Die haben sich beide nicht an die Richtlinien gehalten, die ich gesetzt hatte, um das Ganze neutral und fair, für jeden zu gestalten. Und deswegen wurden die auch beide dann ermahnt. Jetzt haben sie ja eine eigene Demo angekündigt, genauso wie CDU, FDP und Freie Wähler.
    Heuer: Können sich dann ja bald irgendwo treffen. Herr Sakkaros, Sie selbst, also Ihre Truppe da mit den gelben Westen, die zeigen auch Transparente. Auf denen werden Politiker als "Lügenpack" bezeichnet und Fahrverbote als "Enteignung". Im Ton geben Sie sich ja eigentlich gar nicht so viel zur AfD, oder?
    Sakkaros: Im Ton?
    "Dass da harte Töne fallen, ist durchaus denkbar"
    Heuer: Im Ton geben Sie sich ja eigentlich gar nicht so viel zur AfD. Ist das der richtige Ton?
    Sakkaros: Wie gesagt, mit der AfD haben wir nichts zu tun, also ich zumindest. Ich will mich mit denen da nicht identifizieren müssen. Dass da harte Töne fallen, ist durchaus denkbar. Ist ja klar. Wenn die Leute verärgert sind – ich meine, ich bin auch verärgert, ich muss ein Auto wegschmeißen, das ich zweimal in der Woche nutze, wo wahrscheinlich die Messstelle nicht mal irgendwie einen Messwert aufnimmt von meinem Auto, das da vorbeifährt. Zumal, ich fahre gar nicht mal an dieser Messstelle vorbei. Ich wohne halt einfach nur mitten in Stuttgart. Und das ist doch ärgerlich.
    Heuer: Was genau fordern Sie denn jetzt von der Politik?
    Sakkaros: Wir fordern erst mal die Überprüfung dieser Grenzwerte. Die Unterstützung, die wir vom Dieter Köhler haben, das finde ich super.
    Heuer: Das sind die hundert Lungenärzte, die sagen, die Grenzwerte, damit würde gerade etwas übertrieben.
    Sakkaros: Ganz genau. Und auch einmal, wie ich es schon vorher erwähnt hatte, die Messstation oben in Cannstatt, die hat die Grenzwerte eingehalten, und da dürfen die Autos dennoch nicht fahren. Also, da stimmt ja irgendwas nicht. Und die Messstelle an sich am Neckartor ist auch falsch platziert. Das haben die auch zugegeben, die CDU, die sie damals aufgestellt hatte.
    Heuer: Zu dicht dran an den Abgasen.
    Sakkaros: Genau. Erst mal das, und auch in die Ecke gestellt. Vor Freiwinkel, was die da haben muss, 270 Grad, das erfüllt sie nicht.
    "Es gibt andere Lösungsansätze"
    Heuer: Also Sie glauben, wenn die Grenzwerte hochgesetzt werden und die Messstellen weiter weg gestellt werden vom Verkehr, dann löst sich das Problem?
    Sakkaros: Ich bin mir sicher, wenn der Grenzwert auf 50 Mikrogramm angehoben wird, die Messstelle auf die andere Seite kommt, dann wäre wahrscheinlich das Fahrverbot fallengelassen. Und man muss auch ganz ehrlich sagen, es gibt andere Lösungsansätze. Wenn man zum Beispiel jetzt einen Euro-4-Diesel nicht mehr anmelden dürfte ab 1. Januar ’19, dann würden die, die jetzt bereits schon angemeldet sind, einfach langsam aus dem Verkehr schwimmen. Die gehen kaputt, werden verschrottet, sind in einen Unfall verwickelt. Dann gehen die da langsam raus, und es werden immer weniger.
    Heuer: Sie haben gesagt, Sie freuen sich über die Unterstützung von Dieter Köhler, also diesem letzte Woche sehr prominent gewordenen Lungenfacharzt. Kennen Sie den irgendwie persönlich, oder haben Sie das jetzt wie alle anderen auch in der Zeitung gelesen?
    Sakkaros: Persönlich kenne ich ihn nicht. Ich würde mich aber sehr freuen, wenn ich ihn mal persönlich treffen würde, weil wir sind da so ein bisschen einer Meinung, dass die Grenzwerte natürlich zu niedrig sind. Man muss sich auch mal Gedanken machen: Wenn ich auf Gasflamme koche oder die Gastherme in der Wohnung nutze, um Wasser warm zu machen, da sind weitaus höherer Stickoxide wie die auf der Straße. Das heißt, wenn ich zu Hause beim Kochen oder beim Duschen nicht sterbe, dann werde ich auf der Straße definitiv auch nicht sterben.
    Heuer: Wollen Sie das auch Winfried Kretschmann mal sagen, Ihrem Ministerpräsidenten in Baden-Württemberg?
    Sakkaros: Das würde ich gern machen. Wenn er zuhört?
    Heuer: Vielleicht hat er zugehört – Herr Kretschmann? – wir wissen es nicht. Joannis Sakkaros, Organisator der Gelbwesten-Proteste in Stuttgart gegen das Dieselfahrverbot war das im Interview mit dem Deutschlandfunk. Herr Sakkaros, Danke dafür!
    Sakkaros: Bitte sehr!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.