Archiv

Diesel-Fahrzeuge
"Eine Hardware-Nachrüstung macht überhaupt keinen Sinn"

Nachrüstungen bei älteren Diesel-Fahrzeugen sieht Thomas Koch vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) eher kritisch. Vor allem bei Euro-5-Wagen seien lediglich Software-Verbesserungen sinnvoll, sagte Koch im Dlf. Neue Fahrzeuge würden die Grenzwerte "sicherlich einhalten".

Thomas Koch im Gespräch mit Nele Rößler |
    Abgase strömen aus dem Auspuff eines Fahrzeuges mit Dieselmotor in Leipzig.
    "Die Grenzwerte werden sicherlich mit den Fahrzeugen, die seit einem Jahr auf dem Markt verfügbar sind (...), eingehalten", sagte Professor Thomas Koch vom KIT im Dlf. (dpa / Jan Woitas)
    Nele Rößler: Ein Gespenst geht um in der Automobilindustrie: die drohenden Diesel-Fahrverbote. Zukünftig dürfen vermutlich nur noch vergleichsweise saubere Diesel-Fahrzeuge in den Innenstädten vieler deutscher Großstädte fahren. Jetzt wird viel diskutiert über mögliche Nachrüstungen. Darüber habe ich mit dem Motorexperten Thomas Koch vom Karlsruher Institut für Technologien gesprochen. Vor der Sendung habe ich den früheren Daimler-Mitarbeiter gefragt, was es überhaupt für technische Möglichkeiten zur Stickoxid-Reduzierung bei Diesel-Fahrzeugen gibt.
    Thomas Koch: Es gibt im Wesentlichen drei technische Möglichkeiten, die Stickoxide von Diesel-Motoren zu reduzieren. Was schon bei Euro 4 und Euro 5 in den 2000er-Jahren eingeführt wurde, das ist die Abgasrückführung. Das ist eine sogenannte innermotorische Maßnahme. Da wird bereits bei der Verbrennung die Entstehung von Stickoxiden reduziert. Man führt hier das Abgas – das ist ja auch Wasser und CO2 -, das man erst kühlt im Abgas-Rückführkühler, der Verbrennung wieder zu. Durch das Wasser werden die Verbrennungsgase gekühlt und es entstehen weniger Stickoxide. Das ist eine innermotorische Maßnahme. Die zweite Maßnahme ist dann eine Abgas-Nachbehandlungsmaßnahme, die selektive katalytische Reduktion oder auch SCR. Die funktioniert mit dem Reduktionsmittel AdBlue. Hier wird im Abgas AdBlue eingespritzt. AdBlue ist nichts anderes als eine wässrige Harnstoff-Lösung.
    Das Prinzip des Speicher-Katalysators
    Rößler: AdBlue, das ist jetzt nur der Markenname, oder?
    Koch: AdBlue ist die Verkaufsbezeichnung der wässrigen Harnstoff-Lösung. Im Abgastrakt muss diese erst zu Ammoniak reagieren. Und aus dem Ammoniak wiederum entsteht im Katalysator eine Reaktion, bei der die Stickoxide wiederum zu Stickstoff und Wasser werden. – Die dritte technische Möglichkeit, das ist der Speicher-Katalysator. Beim Speicher-Katalysator werden die ankommenden Stickoxide am Katalysator eingespeichert in Form von Nitraten und zyklisch - Größenordnung alle Minute bis alle wenige Minuten - in einem kurz andauernden Betrieb mischkontinuierlich dann wieder ausgelagert. Und auch dort werden die Stickoxide, die in Nitraten zwischengespeichert waren, in harmlose Produkte wie Wasser überführt. Das ist der Speicher-Katalysator als drittes Prinzip. Wir werden ganz langfristig sogar alle drei Systeme in einem Fahrzeug sehen. Es gibt bereits heute schon erste Anwendungen, die alle drei Systeme, Abgasrückführung, SCR-Katalysator und Speicher-Katalysator, kombiniert aufzeigen. Damit sind auch wirklich die Themen Stickoxid-Emission beim Diesel-Motor (Anm. d. Red.: gemeint sind Diesel-Motoren der 2. Euro-6-Generation) nachhaltig gelöst.
    Rößler: Gibt es denn die Möglichkeit, das auch technisch richtig gut nachzurüsten, so dass es funktioniert?
    Koch: Die Frage nach der technischen Nachrüstung ist eine technisch höchst anspruchsvolle. Theoretisch kann man selbstverständlich immer etwas nachrüsten. Ob es sinnvoll ist, ist eine gänzlich andere Frage. Heute diskutiert werden vor allen Dingen die Euro-5-Fahrzeuge. Das sind die Fahrzeuge, die von 2009 bis 2014 im Wesentlichen gebaut und verkauft wurden. Diese Fahrzeuge hatten eine solche Stickoxid-Abgas-Nachbehandlung, also SCR-System oder Speicher-Katalysator, noch nicht an Bord. Sie hatten eine Abgasrückführung. Eine Nachrüstung mit einem SCR-System zusätzlich würde einen großen Aufwand fahrzeugseitig bedeuten, denn man müsste zum Beispiel einen AdBlue-Tank zusätzlich im Fahrzeug platzieren. Bei manchen Fahrzeugen, die hinterher auch unter Euro-6 verkauft wurden, ist das vielleicht noch möglich, aber wenn nun auch noch ein SCR-System eingebaut wird, muss auch die gesamte Motorsteuerung darauf abgestimmt werden. Das sind Größenordnungen drei bis vier Jahre Applikationsaufwand, die, wenn man das seriös gemäß den typischen Entwicklungszeitleisten entwickelt, gebraucht werden. Von daher macht eine Hardware-Nachrüstung überhaupt keinen Sinn. Es kursiert gerade der BNOX-Katalysator aus dem Hause Baumot. Das ist nichts anderes als ein Prototyp in einem frühen Stadium mit ganz, ganz vielen technischen Nachteilen im Detail. Das ist sicherlich keine Nachrüstlösung, mit der man morgen an den Start gehen kann. Auch dieses System benötigt drei, vier, fünf Jahre seriöse Entwicklungsarbeit, bis man die anbieten kann.
    "Bei Euro-5-Fahrzeugen wird es ein Software-Update geben"
    Rößler: Ich verstehe Sie richtig, die zukünftigen Fahrzeuge werden durchaus in der Lage sein, die Grenzwerte einzuhalten, was Stickoxide angeht, aber jetzt nachrüsten, das wird auf jeden Fall kompliziert?
    Koch: Was gemacht wird, ist: Es wird bei den Euro-5-Fahrzeugen – das halte ich auch für vernünftig – im Rahmen des technisch Möglichen ein Software-Update geben, das eine Verbesserung der Stickoxide im Rahmen des Machbaren zum Inhalt hat. Das bedeutet, man schaut, ob man innerhalb dieses vieldimensionalen Optimierungsprozesses, den man am Motor hat, die Stickoxide etwas höher gewichtet, um ein kleines bisschen bei anderen Themen wie Verbrauch, Partikelfilter-Regeneration und Fahrbarkeit nachzugeben. Da wird man eine Software-Lösung kreieren, um etwas nachzugeben. Die Grenzwerte werden sicherlich mit den Fahrzeugen, die seit einem Jahr auf dem Markt verfügbar sind und die schon nach der neuen RDE, Real Driving Emission Norm, entwickelt wurden, eingehalten. Worüber wir heute reden, das sind alles Fahrzeuge, die noch erhöhte Stickoxid-Werte im Realbetrieb aufweisen. Das sind Fahrzeuge, die Ende des letzten Jahrzehnts in ihrer Entwicklung abgeschlossen waren.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.