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Diesel-Gipfel
"Herr Scheuer sollte erst mal seine Hausaufgaben machen"

Vor dem Diesel-Gipfel hat der Mainzer Oberbürgermeister Michael Ebling Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer kritisiert. "Herr Scheuer scheint offensichtlich mehr den Feind in den Kommunen zu sehen, statt in den Konzernzentralen derer, die hunderttausende Verbraucher in Deutschland betrogen haben", sagte Ebling im Dlf.

Michael Ebling im Gespräch mit Dirk Müller |
    Luftmessgerät, Straße und Häuser im Hintergrund
    Eine Luftmessstation an der vielbefahreren Friedberger Landstraße in Frankfurt am Main. (Frank Rumpenhorst/dpa)
    Dirk Müller: Ein Beispiel: der Busverkehr soll viel sauberer werden, vor allem durch mehr Elektrobusse. Doch das ist teuer, zu teuer, sagen viele Städte. Doch die Bundesregierung kontert: Wir stellen über 120 Millionen Euro für eine Umrüstung zur Verfügung. Insgesamt gibt es ein Förderpaket von fast einer Milliarde Euro, um die Luft besser zu machen in den deutschen Ballungsräumen. Die Stadtoberen toben dennoch, sind sauer: Viel zu wenig Geld, viel zu viel Bürokratie, um den Dieselfahrverboten zu entgehen – so jedenfalls das Argument. Aber bislang hat das wenig Eindruck geschunden, weder bei der Kanzlerin, noch bei den Autobauern. Nun der nächste Dieselgipfel bei Angela Merkel.
    Mit dabei beim Treffen mit Angela Merkel ist der Oberbürgermeister von Mainz, Michael Ebling. Er ist Sozialdemokrat und zugleich Präsident des Verbandes der kommunalen Unternehmen (VKU). Guten Morgen nach Berlin.
    .Der Mainzer Oberbürgermeister Michael Ebling
    Michael Ebling: "Erst jetzt wird langsam bewusst, was Fahrverbote an wirtschaftlichem Schaden und an Einschränkung auch auslösen können" (imago/Hoffmann)
    Michael Ebling: Einen wunderschönen guten Morgen!
    Müller: Herr Ebling, haben Sie gleich Gelegenheit, klimaneutral ins Kanzleramt zu kommen?
    Ebling: Da ich schon in Berlin bin, geht es zu Fuß, und das ist sogar recht angenehm bei diesen milden Temperaturen.
    "Alle Städte machen das engagiert"
    Müller: Das ist ja selten genug, dass diejenigen, die fordern, es auch konsequent umsetzen. Wir hatten heute das Thema Klimapolitik schon häufiger in dieser Sendung. Sie gehen zur Kanzlerin und sagen, alles Schuld der Bundesregierung, dass es nicht weitergeht? Ist das so?
    Ebling: Nein, so einfach machen wir es uns nicht. Wir stehen vor Ort in der Verantwortung. Für saubere Luft zu sorgen, ist ein hohes Gut und das ist ein hoher Auftrag. Ich glaube, alle Städte machen das engagiert. Schade ist, dass ein bisschen der Eindruck entsteht, dass die Bundesregierung das Thema unterschätzt hat. Wir haben uns das erste Mal getroffen vor gut einem Jahr und ich habe noch dieses Klima mitgenommen. Das war: Na ja, das wird schon lokal beherrschbar bleiben. Inzwischen haben wir kaskadenförmig Urteile quer durch die Republik, im Ruhrgebiet, im Rhein-Main-Gebiet, überall dort, wo die Wirtschaft stark ist und brummt, und ich glaube, jetzt erst wird langsam bewusst, was Fahrverbote an wirtschaftlichem Schaden und an Einschränkung auch auslösen können.
    Müller: Haben Sie das auch unterschätzt?
    Ebling: Wir würden es nicht unterschätzt betrachten, sondern wir machen seit Jahren unseren Verkehr vor Ort. Wir regeln das! Wir bringen ÖPNV-Ausbau auf den Weg. Wir wollen, dass Menschen in den Ballungsräumen umsteigen. Wir wollen, dass weniger Auto gefahren wird. Allein in Mainz haben wir von 2010 bis 2017 25 Prozent weniger Stickoxide. Das ist ohne Klage und ohne Bundesregierung sehr gut gegangen.
    Müller: Das heißt, Sie hatten so einen Luftreinhalteplan, wo der Verkehrsminister sagt, die Städte haben da gepennt?
    Ebling: Alle haben einen Luftreinhalteplan, weil es da gesetzliche Verpflichtungen gibt. Teilweise sind die bei den Kommunen selbst, in manchen Ländern sind sie bei den Mittelbehörden angesiedelt. Das ist je nach Bundesland auch unterschiedlich. Aber alle arbeiten nach einem Plan. Diese Äußerung ist wirklich unverschämt und zeigt einfach nur, da brennt jetzt der Kittel und jetzt muss man schnell den Verantwortlichen suchen. Ich hoffe, die Bundeskanzlerin macht heute klar, dass sie weiter kollegial mit den Städten zusammenarbeiten will. Da muss sie sich aber deutlich von Herrn Bundesminister Scheuer absetzen heute.
    Luftreinhalteplan - "Herr Scheuer hat bis heute noch keinen gelesen"
    Müller: Vielleicht hat Herr Scheuer gemeint, es gibt keine guten Luftreinhaltepläne in den Städten. Kann das sein?
    Ebling: Ich befürchte, Herr Scheuer hat bis heute noch keinen gelesen, denn er spricht auch über Förderwege, die leider nicht so einfach sind, wie sie immer scheinen. Wir sind bereit, uns fördern zu lassen. Wir haben auch viele Anträge in den Städten gestellt. Wir erleben aber auch, dass Programme überzeichnet sind. Zum Beispiel mit am effektivsten, aber leider nun mal auch am teuersten ist die Anschaffung von E-Bussen für die Mobilität, für den Ersatz der Dieselbusse in den Städten, und da sind die Programme schon überzeichnet. Insofern habe ich heute schon auch die Erwartung, dass man uns sagt, dass wir jetzt nicht am Geld hängen bleiben, sondern dass die Bundesregierung kräftig nachlegt.
    Müller: Herr Ebling, ich hatte das in der Anmoderation erwähnt. Ich weiß nicht, ob die Zahlen stimmen, die wir gestern dazu gefunden haben. Sie hätten mich bestimmt schon korrigiert. 120 Millionen stehen da zur Verfügung, wenn wir das richtig notiert haben. Insgesamt ja eine Milliarde, was die saubere Luft anbetrifft. 120 Millionen alleine für die Elektrobusse, und da sagen Sie, das ist schon jetzt überzeichnet, viel zu wenig. Das heißt, hier muss die Bundesregierung aus Ihrer Sicht noch mal drauflegen?
    Ebling: Ja, 120 Millionen ist ein Haufen Geld. Ich möchte das jetzt nicht kleinreden. Nur wenn Sie wissen, dass inzwischen ein Elektrobus, im Übrigen wegen der starken Nachfrage, fast 800, 900.000 Euro kostet, dann können Sie sich auch vorstellen, wieviel man für 120 für die gesamte Republik anschaffen kann.
    Müller: Wo finden Sie den denn überhaupt, wenn ich da zwischengehen darf?
    Ebling: Das ist im Übrigen noch eine Frage, von der wir auch ein bisschen mehr Engagement erwarten von Seiten der Bundesregierung, denn anstatt den schwarzen Peter Richtung Kommune zu schieben, soll man weiterhin mal die Automobilindustrie in die Pflicht nehmen. Es ist für dieses Industrieland Deutschland peinlich, dass wir seit Jahren gerne Elektromobilität auf den Höfen, in den kommunalen Verwaltungen, in den kommunalen Unternehmen hätten, aber wir kriegen ja gar keine Angebote. Erst jetzt so langsam geht das los.
    "...dann werden hier chinesische Busse fahren"
    Müller: Wo kriegen Sie das her, 800, 900.000? Wo können Sie das kaufen? Müssen Sie sie in China kaufen oder in Deutschland?
    Ebling: Na ja. Es gibt inzwischen deutsche Anbieter. Jetzt geht es auch nicht um Germany first, aber natürlich sind wir auch froh darüber, wenn Wertschöpfung hier im Lande bleibt. Aber wir haben inzwischen bei Städten, die sich viel auf einmal kaufen wollen, bereit sind, da auch voll ins Risiko zu gehen, Angebote auch von chinesischen Unternehmen. Und am Ende, wenn es um die saubere Luft geht, dürfen wir nicht auch noch schnäklich sein, und wenn die deutsche Automobilindustrie weiter pennen will, dann werden irgendwann auch in den Ballungsräumen der Republik chinesische Busse fahren.
    Müller: Jetzt kommen Sie aus Mainz. Wir im Deutschlandfunk sitzen in Köln. Die meisten unserer Kollegen, viele jedenfalls wohnen auch in Köln. Da über Verkehrspolitik und über ÖPNV, über öffentliche Verkehrsmittel zu reden, ist immer schwierig. Die Diskussion kennen Sie auch mit U-Bahn und so weiter. Jetzt haben Sie eben gesagt, die Städte haben unglaublich viel getan. Aber viele Bürger sagen doch, beim ÖPNV hat sich so gut wie gar nichts bewegt, es ist nicht viel besser geworden, und vor allen Dingen hat es nicht viel mehr Schiene gegeben. Von welchem Ausgangsniveau gehen Sie denn aus, wenn Sie sagen, da haben wir doch richtig geklotzt?
    Ebling: Na ja, gut. Die Kommunen klotzen. Die Kommunen bauen aus. Die Kommunen machen Nahverkehrspläne. Die Kommunen machen Fahrradwege. Die Kommunen machen Fahrrad-Verleihsysteme. Die Kommunen machen Elektromobilität. Richtig ist, dass die Bundesrepublik Deutschland, wenn ich mal ins Rhein-Main-Gebiet schaue – jetzt bin ich nicht der Oberkölner, aber im Rhein-Main-Gebiet rutschen wir noch auf den gleichen Bundesbahngleisen wie vor 30 Jahren. Der Unterschied ist nur, dass die Bevölkerung inzwischen um 10 bis 15 Prozent gewachsen ist.
    In der Tat: Es gibt Investitionsstaus, wenn wir an die Deutsche Bahn denken, wenn wir an die regionalen Verkehre der Deutschen Bahn denken. Das ist richtig. Aber ich sage Ihnen das auch: Die Kommunalen wissen, dass der ÖPNV jedes Jahr fahrgastgetrieben um ein gutes Prozent wächst, und sie bauen dort natürlich auch kräftig hinterher. Alleine wir in Mainz haben neun Kilometer Straßenbahngleise in den letzten Jahren zusätzlich gelegt und denken jetzt über so etwas Revolutionäres nach wie eine City-Bahn zwischen Mainz und Wiesbaden, konkrete Planungen. Das wäre so, wie wenn Düsseldorf und Köln sich verbünden würden.
    In Ballungsräumen eine Menge Geld in die Hand nehmen
    Müller: Neun Kilometer, ist das eine Dimension, die wirklich erwähnenswert ist?
    Ebling: Ja, sie ist erwähnenswert, weil sie vor drei Jahren das größte Schienenverkehrsprojekt in der Republik war im Nahverkehr.
    Müller: Spricht das für die Republik?
    Ebling: Es spricht in erster Linie für die, die es investieren, und in zweiter Linie spricht es dafür, dass insgesamt in der Republik ÖPNV ausgebaut werden muss und auch gehört, und auch das ist ein Thema heute natürlich beim Dieselgipfel. Wir dürfen nicht nur bei der Spitze des Eisberges bleiben, sprich bei der Frage, wie wenden wir jetzt Urteile ab, sondern wir müssen in den Ballungsräumen eine Menge Geld in die Hand nehmen, um Mobilität zu gewährleisten, um den Individualverkehr geringer zu machen, und da braucht es eine dauerhafte Förderung. Und wenn das jetzt schon bei der E-Mobilität hapert, dann, glaube ich, muss heute mal auch ein Machtwort gesprochen werden.
    Müller: Erzählen Sie uns, Herr Ebling, noch mal ganz kurz. Wie haben Sie das denn finanziert, diese neun Kilometer? Alles ohne Bundesmittel?
    Ebling: Nein, auch mit Bundesmitteln, auch mit Landesmitteln, aber auch mit erheblichen natürlich auch eigenen Mitteln aus den kommunalen Unternehmen, die im Wesentlichen ja auch Träger der jeweiligen Mobilitätsunternehmen sind. Insofern ist das ja genau auch eine der Fragen, warum wir so stark auf öffentliche Förderung gehen. Denn wenn wir diese Anschaffungen durchreichen müssten an die Fahrgäste, dann hätten wir exorbitante Fahrgaststeigerungen. Das wäre ja kontraproduktiv für den Ausbau des ÖPNV. Deswegen ist es nicht nur recht und billig, dass hier gefördert wird, sondern es ist auch für die Nutzerinnen und Nutzer gut. Aber noch mal: Alleine das wird die Luft nicht sauberer machen. Wir brauchen auch mal jemand, der der Automobilindustrie sagt, dass wir jetzt von diesem Wischiwaschi-Kurs, der die Verbraucher hinter die Fichte geführt hat, auch mal wegkommen. Auch das vermisse ich. Aber Herr Scheuer scheint ja offensichtlich mehr den Feind in den Kommunen zu sehen, statt in den Konzernzentralen derer, die hunderttausende Verbraucher in Deutschland betrogen haben.
    Warum wird da nicht Recht hergestellt?
    Müller: Sie sind ein bisschen Sauer auf Andreas Scheuer, höre ich heraus, unterstelle ich jetzt mal. Der Bundesverkehrsminister hat in den vergangenen Tagen noch eine gute Idee gehabt, nämlich die Messstellen, um die Schadstoffkonzentration, die Stickoxidkonzentration zu messen, einfach ein paar Meter weiter wegzusetzen, das überall an den entscheidenden Stellen zu tun, natürlich im Rahmen der legalen Abstände. Ist das eine Möglichkeit, diese Dieselfahrverbote dann durch die Hintertür in den Griff zu bekommen?
    Ebling: Na ja. So lernt man das doch, glaube ich, und das sollte vielleicht auch für einen Bundesverkehrsminister gelten. Wir sind dann kraftvoll und dann wirkungsvoll, wenn wir an die Ursachen gehen. Ein großes Problem bei den Stickoxiden ist der Kfz-Verkehr und da fahren Autos auf Deutschlands Straßen, die in der Verantwortung des Bundesverkehrsministeriums zugelassen worden sind, obwohl sie nicht die Werte erfüllen, die man Verbrauchern versprochen hat. Und es ist das Empfinden eines jeden Rechtschaffenden – so geht mir das seit Wochen und Monaten im Gespräch, nicht nur mit den Mainzerinnen und Mainzern, sondern weit darüber hinaus -, warum wird da nicht Recht hergestellt. Wenn ich eine Waschmaschine verkaufe, die nicht hält, was sie verspricht, dann kann ich sie wieder abholen lassen. Bei der deutschen Automobilindustrie sagt man: Na ja, irgendwie ist das anders. Alleine für Mainz wäre eine Nachrüstung von Euro fünf mit drei bis vier Mikrogramm zu klassifizieren an Reduktionen für die Stickoxide. Das könnten genau die drei bis vier Mikrogramm sein, die uns um ein Fahrverbot herumbringen. Insofern: Herr Scheuer sollte vielleicht erst mal seine Hausaufgaben machen, und dann unterhalten wir uns noch mal.
    Müller: Aber ich frage jetzt noch mal. Diese Messstellen bleiben in Mainz, sagen Sie jedenfalls, da wo sie sind, nämlich nahezu am Mittelstreifen, das heißt ganz real?
    Ebling: Na ja, sie bleiben dort, wo die entsprechenden Bestimmungen sagen, dass sie zu stehen haben. Das entscheidet gar nicht die Stadt Mainz; das entscheidet bei uns ein Landesumweltamt. Das sind genormte Werte, die dort stehen. Die mögen einem passen oder nicht, diese Werte, aber ich finde, es ist eine Augenwischerei, die ist so ein bisschen abgeguckt offensichtlich aus den Automobil-Konzernzentralen: Wir machen uns die Welt, wie sie uns gefällt. Jetzt stimmen die Grenzwerte nicht, dann müssen wir die Messstationen so lange herumschieben, bis wir den Leuten erklären, die Luft ist doch gar nicht so schmutzig. Ich finde, das ist Scharlatanerie und ich finde, das geht nicht an die Ursachen. Die Luft ist in den Städten teilweise zu schmutzig. Wir sind bereit, was dafür zu tun. Dann muss man jetzt nach A auch B sagen und nicht an den Werten herumschrauben.
    Müller: Bei uns heute Morgen im Deutschlandfunk Michael Ebling (SPD), Oberbürgermeister von Mainz und zugleich Präsident des Verbandes der kommunalen Unternehmen. Vielen Dank, dass Sie für uns Zeit gefunden haben, und viel Erfolg bei den Verhandlungen im Kanzleramt.
    Ebling: Danke schön! – Alles Gute! – Bis bald!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.