In den USA schlug die Justiz bislang am härtesten zu: Volkswagen als Konzern hat sich dort in einem über vier Milliarden Dollar teuren Vergleich Rechtsfrieden in strafrechtlichen Fragen erkauft. Die Ermittlungen gegen einzelne Konzernmitarbeiter bleiben davon unberührt. Ende August verurteilte ein Gericht in Detroit den 62-jährigen Deutschen James Liang zu mehr als drei Jahren Haft. Liang, der den Betrug an Kundschaft wie Behörden eingestand, will in Berufung gehen. Mit Oliver Schmidt, einst ranghoher Manager bei der US-Tochter, bietet sich den US-Behörden ein weiterer Deutscher als Kronzeuge an. Nach fünf Personen fahndet die US-Justiz per Haftbefehl.
Gleich vier Verfahren in Braunschweig
Auch in Deutschland wird ermittelt: Bei der Staatsanwaltschaft Braunschweig sind es gleich vier Verfahren mit insgesamt 38 Beschuldigten. Der größte Komplex dreht sich dabei um möglichen Betrug durch die Manipulation der Abgasreinigung. Gegen sechs weitere Beschuldigte laufen Untersuchungen aufgrund einer Anzeige der EU-Antibetrugsbehörde OLAF im Zusammenhang mit falschen Verbrauchsangaben. Dazu kommen zwei Verfahren zum Vorwurf der Marktmanipulation: Die Anklagebehörde geht dem Verdacht nach, Ex-Konzernchef Martin Winterkorn, der amtierende VW-Markenchef Herbert Diess, sowie der frühere Finanzvorstand und heutige Chef des VW-Aufsichtsrats, Hans-Dieter Pötsch könnten Anleger die finanziellen Konsequenzen des Betrugs bewusst verspätet mitgeteilt haben.
Auch in Stuttgart und München wird ermittelt
Eine Strafanzeige der Finanzaufsicht BaFin rief auch die Staatsanwaltschaft in Stuttgart auf den Plan. Den Anfangsverdacht einer möglichen Marktmanipulation sieht die Behörde dort auch bei VW-Konzernchef Matthias Müller gegeben. Dabei geht es um Müllers Tätigkeit für die Volkswagen-Hauptaktionärin Porsche SE. Der Manager sitzt dort seit 2010 im Vorstand. VW gibt an, sich an alle Regeln gehalten zu haben.
Im Visier der Staatsanwaltschaft München sind Manager der VW-Tochter Audi, wo die Software für die Motorsteuerung maßgeblich entwickelt wird.
Klagen von Kunden und Aktionären
Unterdessen türmen sich an zahlreichen deutschen Landgerichten die Klageschriften von VW-Kunden. Sie müssen einzeln vor Gericht ziehen, wenn sie Schadensersatz von ihren Händlern oder dem Konzern selbst oder einen Rückkauf fordern, sagt die Sprecherin des Landgerichts Braunschweig Maike Block-Cavallaro.
"Die eine Variante ist, dass die Kläger sagen, sie seien arglistig getäuscht worden von Volkswagen. Die andere Variante ist, dass die Käufer zurücktreten vom Kaufvertrag, weil sie sagen, die Fahrzeuge seien mangelhaft gewesen wegen der Software."
Inzwischen gibt es zahlreiche Urteile, die allerdings sehr unterschiedlich ausfallen.
Auch Aktionäre machen Druck: Sie fühlen sich zu spät informiert und wollen Schadensersatz für erlittene Kursverluste in Milliardenhöhe. Kläger sind institutionelle Anleger, aber auch Hunderte Kleinanleger. Im Frühjahr kommenden Jahres soll vor dem Oberlandesgericht in Braunschweig eine Musterklage verhandelt werden. Es geht um mehr als acht Milliarden Euro. Bis der Abgas-Skandal juristisch aufgeklärt ist, dürften noch Jahre vergehen.