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Diesel-Treffen
"Wir müssen das mit der Hardware-Nachrüstung schaffen"

SPD-Verkehrspolitiker Arno Klare fordert die Hardware-Nachrüstung von Diesel-Fahrzeugen. Der "hinhaltende Widerstand der Automobilindustrie" müsse gebrochen werden, sagte er im Dlf. Die Hersteller sollten die Kosten übernehmen, auch wenn sie juristisch nicht dazu gezwungen seien.

Arno Klare im Gespräch mit Ann-Kathrin Büüsker |
    15.06.2018, Berlin: Arno Klare (SPD), spricht im Deutschen Bundestag. Foto: Jens Büttner/dpa-Zentralbild/ZB | Verwendung weltweit
    Der SPD-Verkehrspolitiker Arno Klare (Jens Büttner/dpa-Zentralbild/ZB )
    Ann-Kathrin Büüsker: Die Bundesregierung hat weiterhin kein wirkliches Konzept, wie sie mit der Dieselfrage umgehen soll. Bundesumweltministerin Svenja Schulze fordert jetzt noch einmal von den Automobilherstellern, dass diese sich zur Kostenübernahme von Hardware-Nachrüstungen bereit erklären sollen. Verkehrsminister Andreas Scheuer hat die Chefs der Konzerne heute im Ministerium zu Gast. Auch er ist einigermaßen ungehalten. Das zeigte sich diese Woche bei einer Veranstaltung des VDA. Schulze und Scheuer haben auch miteinander Ärger. Sie streiten darüber, wie das Bundes-Emissionsschutzgesetz nun konkret geändert werden kann und soll, um Fahrverbote unwahrscheinlicher zu machen. Auch da weiterhin keine Einigung. Und neue Fahrverbote könnten nun drohen, zum Beispiel für Köln und Bonn.
    Über die ungelöste Dieselfrage möchte ich jetzt sprechen mit Arno Klaare, Verkehrspolitiker der SPD. Er sitzt im Verkehrsausschuss und war Mitglied im Abgas-Untersuchungsausschuss des Bundestages. Schönen guten Morgen, Herr Klaare.
    Arno Klaare: Guten Morgen.
    Büüsker: Herr Klaare, nun drohen in den nächsten Städten Fahrverbote, und die Bundesregierung hat immer noch kein schlüssiges Konzept, um das Problem zu lösen. Ich sage es mal mit den Worten meines Diesel fahrenden Vaters: Wie kann das eigentlich angehen?
    Klaare: Auch ich bin etwas sauer darüber, dass es etwas länger dauert. Wir haben natürlich einiges auf den Weg gebracht. Das ganze Programm saubere Luft, mit einer Milliarde dotiert, ist schon ein Schritt in die richtige Richtung. Da wird schon einiges passieren. Da werden auch Fahrzeuge umgerüstet. Da werden auch Handwerkerfahrzeuge umgerüstet. Im Vorbericht war davon ja gerade die Rede, dass dort eine ziemliche Bedrohung da ist. Das ist auch real so. Und es ist schon vieles passiert, was allerdings in der Tat erst mittelfristig wirken wird.
    Wir haben einen Pfeil natürlich im Köcher, das ist die technische Hardware-Nachrüstung, für die ich jetzt seit drei Jahren kämpfe. Ich war der erste, der es überhaupt gesagt hat, dass das technisch möglich ist, im Deutschen Bundestag. Davor hat darüber keiner im Deutschen Bundestag geredet. Ich glaube, darauf müssen wir jetzt auch noch schauen, dass wir das auch noch hinbekommen.
    "Verkehrsminister ist sehr skeptisch"
    Büüsker: Aber Sie kämpfen ja auch seit drei Jahren vergeblich dafür.
    Klaare: Wenn man so will, ja. Wobei das Programm saubere Luft ist schon ein richtiger Schritt, und es steht ja im Programm saubere Luft auch drin. Insofern bin ich ja schon ganz zufrieden, dass es da drinsteht. Es gibt natürlich einen hinhaltenden Widerstand der Automobilindustrie, die dann immer wieder sagen, brauchen wir nicht, wir müssen die Flotten erneuern und dann haben wir alles geregelt und dann wird die Luft auch sauberer, und wir wollen diese Hardware-Nachrüstungen nicht. Diesen hinhaltenden Widerstand der Automobilindustrie zu brechen, das liegt nicht in mir, liegt nicht in meiner Macht. Ich kriege das als Arno Klaare, kleiner Bundestagsabgeordneter nicht hin. Das muss dann höherenorts entschieden werden.
    Büüsker: Und auch Ihre Umweltministerin, Parteikollegin Svenja Schulze, die kriegt es ja auch nicht hin. Die scheitert auch konstant.
    Klaare: Ja, aber es gibt natürlich noch einen Verkehrsminister, der, was die Hardware-Nachrüstung angeht, auch sehr skeptisch ist und im Grunde der Argumentation der Automobilindustrie folgt. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir das schaffen müssen mit der Hardware-Nachrüstung, um den vielen, vielen Dieselfahrern in Deutschland, nicht nur in Köln und nicht nur in Essen, in der Stadt, wo ich einen Teil meines Wahlkreises habe – auch da wird ja irgendwann eine Entscheidung kommen, Essen-Gelsenkirchen -, denen wieder die Sicherheit zu geben, dass sie mit ihrem Fahrzeug auch wieder in diese Städte fahren können.
    Büüsker: Wer bezahlt die Hardware-Nachrüstung Ihrem Plan nach?
    Klaare: Meinem Plan nach sind das die Hersteller.
    Büüsker: Sie können die Hersteller aber nicht dazu zwingen.
    Klaare: Rechtlich ist es so. Diese Prüfungen habe ich alle durch. Ich habe auch gedacht und gehofft, es gäbe irgendwo eine Möglichkeit, so eine Hardware-Nachrüstung quasi zu erzwingen, per Gesetz, mit einem Nachrüstgesetz. Das ist illusorisch. Das geht juristisch nicht. Das ist richtig.
    Büüsker: Ganz egal wie man jetzt politisch dazu steht, ob man jetzt die Hardware-Nachrüstung für richtig hält oder für falsch hält, es gibt immer mehr Bürgerinnen und Bürger, die zu dem Schluss kommen, dass die Regierung schlichtweg unfähig ist, sich in dieser Sache zu einigen. Liegt es daran, dass man nicht fähig ist? Liegt es daran, dass man nicht willens ist?
    Klaare: Jetzt muss man eines natürlich sehen. Es ist schon ein ziemlich komplexer Vorgang. Wir müssen die Straßenverkehrs-Zulassungsordnung ändern. Wir müssen die Straßenverkehrsordnung ändern, die STVO. Wir müssen das Straßenverkehrsgesetz ändern. Wir müssen das Bundes-Emissionsschutzgesetz ändern. Es ist schon ein relativ komplexer Vorgang. Das Ganze muss dann auch rechtssicher sein und gerichtsfest sein, was wir da tun. Insofern gebe ich allen recht, die sagen, es dauert verdammt lange. Wie gesagt, ich habe drei Jahre dafür gekämpft, dass es überhaupt passiert.
    Wir sind jetzt kurz davor, eine Einigung zu erzielen. Die muss auch jetzt erzielt werden. Heute gibt es ja wieder mal einen weiteren Dieselgipfel hier in Berlin und da erwarte ich auch, dass endlich gesagt wird, wir wollen diese Hardware-Nachrüstung von euch haben, liebe Hersteller, und ihr müsst jetzt, um das Vertrauen, das ihr verloren habt, wieder zurückzugewinnen, ihr müsst jetzt auch zusagen, dass das so geht.
    "Damit ändern wir nicht die Grenzwerte"
    Büüsker: Herr Klaare, Sie haben gerade das Bundes-Emissionsschutzgesetz angesprochen. Das soll verändert werden. Die Idee ist, die Grenzwerte zu erhöhen, um Fahrverbote nicht mehr verhältnismäßig sein zu lassen. Geht das nicht komplett am eigentlichen Problem vorbei?
    Klaare: Jetzt muss man vorsichtig sein. Die Grenzwerte setzt die EU fest und die sind in EU-Verordnungen fixiert.
    Büüsker: 40 Mikrogramm.
    Klaare: 40 Mikrogramm. Die werden nicht verändert. Die gelten nach wie vor. Die Kommunen sind auch nach wie vor in der Lage zu sagen, wir verhängen jetzt ein Fahrverbot aufgrund des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts. Wir wollen nur das, was das Verwaltungsgericht auch gesagt hat – jetzt gongt es gerade hier, denn die probieren irgendeinen Gong hier im Bundestag, genau um die Zeit, weil die damit nicht rechnen, dass man mit dem Deutschlandfunk telefoniert. Um die Verhältnismäßigkeit juristisch auch zu codifizieren, festzulegen, werden diese 50 als der Wert gesetzt, unter dem man mit vielen, vielen kleineren Maßnahmen auch unter die 40 kommen kann. Und dann, weil man das schaffen kann – Mülheim an der Ruhr ist ein Beispiel, da haben wir es geschafft in meinem Wahlkreis, das runterzukriegen mit ganz, ganz wenigen Maßnahmen übrigens. Das ist diese Grenze der Verhältnismäßigkeit, die jetzt definiert werden soll. Damit ändern wir nicht die Grenzwerte, die in der EU-Verordnung stehen.
    Büüsker: Sie machen mit dieser Änderung aber auch die Autos nicht sauberer. Was bringt das dann?
    Klaare: Nein. Das hat ja auch keiner gesagt, dass wir damit die Autos sauberer machen. Wir wollen nur die Rechtssicherheit schaffen, damit die Kommunen agieren können, vernünftig agieren können.
    Büüsker: Aber, Hewrr Klaare, Fahrverbote dienen ja keinem Selbstzweck, sondern die dienen dem Schutz der Bürgerinnen und Bürger. Das heißt, letztlich muss es darum gehen, die Luft sauberer zu halten.
    Klaare: Natürlich! Wem sagen Sie das! Wie gesagt noch mal: Ich bin seit drei Jahren dran, das hinzubekommen. Der Meinung bin ich voll und ganz. Wir müssen mit ganz, ganz vielen Maßnahmen die Fahrzeuge sauberer bekommen beziehungsweise die Werte an den Messstationen so weit nach unten drücken, dass sie unter den 40 Mikrogramm im Durchschnittswert des Jahres bleiben.
    "Ich muss ja als Politiker optimistisch sein"
    Büüsker: Trotzdem werden ja derzeit immer noch Dieselfahrzeuge verkauft, die eigentlich viel zu viele Stickoxide ausstoßen. Muss man die dann nicht eigentlich vom Markt nehmen?
    Klaare: Die Euro 6D Temp, die im Moment verkauft werden, sind jetzt wirklich sauber.
    Büüsker: Das sind aber auch wirklich die aller- allerneusten. Die anderen werden ja auch noch verkauft.
    Klaare: Das sind die Allerneusten. Die werden jetzt seit dem letzten Jahr verkauft. Wer sich jetzt einen Diesel kauft, sollte bitte ein Euro 6D Temp Fahrzeug kaufen. Temp steht für Temporär. Ab 2021 ist das Temp dann weg. Dann ist das nur noch Euro 6D. Dann ist er wirklich auf der absolut sicheren Seite. Diese Fahrzeuge kommen ja auch immer mehr jetzt in den Markt.
    Büüsker: Es sind die neusten, die teuersten!
    Klaare: Natürlich. Die neusten sind immer die teuersten, weil Neufahrzeuge sind immer das teuerste Fahrzeug logischerweise. Deshalb brauchen wir zusätzlich zu all dem die technische Hardware-Nachrüstung für Euro-5-Fahrzeuge, auch für Euro-6-Fahrzeuge, damit die Menschen die Sicherheit haben, dass ihr Fahrzeug überall fahren darf.
    Büüsker: Wie optimistisch sind Sie, dass das tatsächlich gelingt?
    Klaare: Ich muss ja als Politiker optimistisch sein. Sonst würde ich ja nicht Politik machen. Wenn ich Pessimist wäre, dann müsste ich mich zuhause irgendwo in einen Liegestuhl legen. Insofern bin ich optimistisch, dass heute bei dem Dieselgipfel zumindest der zuständige Minister, Herr Scheuer, wirklich massiv darauf drängt, dass dies von den Herstellern auch zugesagt wird. Das Argument, das gehe technisch nicht, halte ich für völlig an den Haaren herbeigezogen. Es sind ja Fahrzeuge auf der Straße, prototypische Fahrzeuge allerdings im Moment nur, die beweisen, dass es geht. Das ist nicht, wie man immer so schön sagt, Rocket Science, das ist nichts, was noch gebaut, noch konstruiert und so weiter werden müsste. Es ist da! Es muss nur gemacht werden.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.