Dirk-Oliver Heckmann: Die Diskussion um die Belastung durch Dieselabgase in deutschen Städten, sie hat in dieser Woche wieder richtig Fahrt aufgenommen. Der Grund: Natürlich die Meldung über Versuche mit Affen und mit Menschen, die von der Automobilindustrie durchgeführt beziehungsweise mitfinanziert worden sind. Dass sich darüber jetzt alle empören, das hält der Grünen-Politiker Oliver Krischer wiederum für bigott, denn in Wahrheit laufe doch ein Großversuch mit 80 Millionen Personen, die in Deutschland einer Stickoxid-Belastung ausgesetzt sind, die teilweise über alle Grenzwerte gehe. Das sagte er gestern hier im Deutschlandfunk.
Gestern hat sich auch Umweltministerin Barbara Hendricks nach Brüssel begeben müssen, denn die EU-Kommission hatte die Vertreter aller Länder geladen, gegen die ein Vertragsverletzungsverfahren läuft. Bei diesem Treffen, da hat Hendricks um mehr Zeit gebeten, denn die EU-Kommission, die droht mit einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof. Am Telefon ist Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags. Schönen guten Tag, Herr Dedy.
Helmut Dedy: Schönen guten Morgen, Herr Heckmann.
Heckmann: Frau Hendricks hat gesagt, sie habe die EU-Kommission um mehr Zeit gebeten, um die Zielvorgaben zu erreichen. Bis 2020 wolle man in die Nähe der Einhaltung der Grenzwerte kommen. Haben die Menschen so viel Zeit?
Dedy: Das kann ich schlecht einschätzen, ob wir die Zeit haben. Ich bin aber ziemlich skeptisch. In dem Dieselgipfel im August des letzten Jahres hat sich die Autoindustrie ja verpflichtet, die Diesel-PKW, die ja unser eigentliches Problem sind, nachzurüsten über Software-Updates. Wir wissen bisher nicht, ob diese Updates was gebracht haben. Von daher kann ich die Frage auch nicht so richtig beantworten, ob wir noch Zeit haben. Aber ich bin sehr zurückhaltend.
"Um Fahrverbote in 2018 werden wir wohl nicht herumkommen"
Heckmann: Aber die Frage ist ja, ob wir es uns leisten können, jetzt noch über Jahre hinweg diese Grenzwerte so weit zu überschreiten.
Dedy: Nein, das können wir ganz sicher nicht. Das können wir schon deshalb nicht, weil die Politik das ja nicht mehr alleine in der Hand hat. Das ist ja ein Spielfeld, auf dem die Gerichte eine große Rolle spielen, und nach allem, was wir bisher wissen, wäre es merkwürdig oder verwunderlich, sage ich mal, wenn wir an Fahrverboten in 2018 tatsächlich noch drum herumkommen würden.
Heckmann: Die EU-Kommission, die erwartet ja bis Anfang kommender Woche neue Gegenmaßnahmen. Welche sollten das aus Ihrer Sicht sein? Sollten da die Fahrverbote eine wichtige Rolle spielen?
Dedy: Die Gegenmaßnahmen müssen ja welche sein, die recht konkret wirken, und da würde ich gerne noch mal darauf hinweisen: Drei Viertel der Stickstoff-Dioxide kommen von Diesel-PKW. Ohne Lösungen bei den Fahrzeugen wird es nicht gehen. Das ist die Verpflichtung der Autoindustrie.
Was ich mir gut vorstellen könnte wäre, dass die Bundesregierung jetzt sagt, wir legen mal unsererseits einen Masterplan vor. Wir sagen, Software-Updates, was haben sie bisher gebracht, kommen wir damit weiter? Und wenn wir damit nicht weiterkommen, dann wird es um die technische Nachrüstung dieser Fahrzeuge gehen, das was man Hardware-Update nennt, und da taucht ja dann die Frage auf, wer soll das denn bezahlen. Da möchte ich ganz klar sagen, das werden nicht die bezahlen können, die die Fahrzeuge gekauft haben, sondern das wird die Automobilindustrie finanzieren müssen.
"Masterplan? Ich kenne ihn nicht"
Heckmann: Aber, Herr Dedy, wir hatten jetzt mehrere Dieselgipfel im vergangenen Jahr, und ich denke, unsere Hörerinnen und Hörer, die gehen eigentlich davon aus, dass ein solcher Masterplan eigentlich schon längst hätte vorliegen müssen.
Dedy: Ja! Ich würde auch davon ausgehen, dass der schon längst hätte vorliegen müssen. Ich kenne ihn nicht. Ich kenne keine Planung der Bundesregierung, wie gehen wir jetzt in welcher Schrittfolge wann vor.
Heckmann: Das heißt, die Bundesregierung versagt an dieser Stelle?
Dedy: Ob sie versagt, weiß ich nicht. Sie macht es jedenfalls nach außen nicht deutlich. Ich kenne es nicht. Das kann nur die Aussage sein. Ob es einen solchen Masterplan der Bundesregierung gibt, das entzieht sich meiner Kenntnis. Wir müssten es aber wissen, weil wir spielen ja auch eine Rolle in dem Konzert.
Die Städte sind dabei, den Verkehrsfluss zu verstetigen. Wir sind dabei, den öffentlichen Personennahverkehr noch attraktiver zu machen. All das wird im Ergebnis nur dann Sinn machen, wenn parallel etwas bei den Diesel-PKW passiert. Und die Information, die Transparenz, die muss die Bundesregierung herstellen.
Heckmann: Jetzt kommen wir mal zu der Verantwortung vielleicht der Länder und auch der Kommunen, für die Sie ja sprechen. Das Verwaltungsgericht München, das hat den Freistaat Bayern jetzt zur Zahlung eines Zwangsgeldes in Höhe von 4000 Euro verurteilt, weil der Staat Bayern einen Luftreinhalteplan vorgelegt hat, der keine Dieselfahrverbote vorsieht, obwohl er dazu verurteilt worden war. Muss man nicht auch erhebliche Versäumnisse auf Seiten der Länder und der Kommunen konstatieren?
"Bei der Feinstaubproblematik haben wir beeindruckende Erfolge erzielt"
Dedy: Die Luftreinhaltepläne werden von Seiten der Länder gemacht. Dass der Freistaat das bisher nicht vorgelegt hat, das ist zutreffend. Finde ich auch bemerkenswert. Da wird der Druck von Seiten der Gerichte deutlich zunehmen.
Was die kommunale Seite angeht, würde ich gerne darauf hinweisen, dass wir im Bereich der Feinstaubproblematik beeindruckende Erfolge erzielt haben. Wir haben in Deutschland, abgesehen von Stuttgart, eigentlich kein Feinstaubproblem in den Städten mehr. Da ist eine ganze Menge passiert. Nur bei den Stickoxiden.
Heckmann: Das wollte ich gerade sagen. Den Menschen ist es relativ egal, ob sie jetzt Feinstaub ausgesetzt sind oder Stickoxiden.
Dedy: Ja, aber vielleicht darf ich den Satz zu Ende führen. Die Stickoxide werden wir alleine durch kommunale Maßnahmen nicht lösen können. Das wird nicht gehen. Drei Viertel der Stickstoff-Dioxide stammen von Diesel-PKW. Da können Sie fünfmal den Radverkehr fördern; das wird im Ergebnis nicht ausreichen, um das zu kompensieren. Deshalb geht es nicht alleine mit kommunalen Maßnahmen, sondern es geht nur, wenn die Bundesregierung an die Autoindustrie herangeht und sagt, Leute, so wie es bisher gelaufen ist, geht es nicht mehr. Es muss konkreter werden und es muss eine ganz klare Schrittfolge geben.
Heckmann: … muss konkreter werden. Wir haben die Dieselgipfel im vergangenen Jahr schon angesprochen. Da sind ja viele Maßnahmen diskutiert worden und auch Mittel zugesagt worden. Was ist daraus praktisch geworden?
Dedy: Das passiert im Moment. Das wird umgesetzt. Wir sind dabei, neue Fahrzeuge anzuschaffen für die Fuhrparks der Verkehrsunternehmen, auch für die kommunalen Fuhrparks selbst. Wir sind dabei, diese Masterpläne für die Kommunen zu erstellen, was können wir noch tun für Luftreinhaltung. Wir sind dabei, den Verkehrsfluss zu verstetigen, über Steuerung dafür zu sorgen, dass die Anfahrprozesse weniger werden müssen, denn die sind Stockstoff-Dioxid relevant. All das läuft. Ich sage nur, ich habe große Zweifel, ob das reicht, solange sich bei den Diesel-PKW nichts tut.
Heckmann: Sie haben gerade gesagt, Sie rechnen damit, dass es dann doch zu Fahrverboten kommt über kurz oder lang.
Dedy: Ich sage, wir wollen als Städte natürlich auch keine Fahrverbote. Das wird eine schwierige Veranstaltung, das will niemand. Aber es sind Gerichte mit auf dem Plan und nach dem, wie ich die Entwicklung der Gerichtsentscheidungen wahrnehme, würde es mich wundern, wenn wir 2018 komplett ohne Fahrverbote überleben würden.
Heckmann: Letzte Frage, Herr Dedy. Barbara Hendricks hat gestern gesagt, sie halte es für möglich, dass die EU-Kommission gegen Deutschland klagt, aber sicher ist das nicht. Was denken Sie, wie groß wird die Geduld der Kommission sein?
Dedy: Ich gehe davon aus, dass die Bundesregierung verklagt wird vor dem EuGH, und das politische Signal, das damit verbunden ist, das finde ich auch gar nicht so verkehrt.
Heckmann: … sagt Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, hier live im Deutschlandfunk. Herr Dedy, danke Ihnen für Ihre Zeit.
Dedy: Ich danke.
Dedy:
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.