Die Debatte um die Stickoxid-Grenzwerte beschäftigt mittlerweile auch die Bundesregierung.
Umwelt- und Verkehrsministerium haben sehr unterschiedlich auf den Anstoß von Dieter Köhler reagiert. Der ehemalige Präsident der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie hatte gestern die gültigen Grenzwerte für Feinstaub und Stickoxid kritisiert, sie seien ungenau, würden andere schädliche Faktoren wie Rauchen und Bewegungsmangel zu stark ausblenden.
"Man macht aus einer zufälligen Korrelation, eine Kausalität, für die es keine Begründung gibt."
Die Grenzwerte müssen überprüft werden, fordert Köhler im mdr. Köhler hatte diese Debatte bereits im vergangenen Jahr im Deutschen Ärzteblatt angestoßen, sie blieb damals jedoch wenig beachtet.
Fakten in die Debatte bringen
Sehr positiv hat Verkehrsminister Andreas Scheuer auf den Vorstoß der 100 Lungenärzte reagiert. Der CSU-Minister sagte im morgenmagazin von ARD und ZDF:
"Was wir in Deutschland in den letzten Monaten erleben, ist doch schon sehr skuril. Und deswegen freue ich mich, dass so viele Experten sich zusammengeschlossen haben, um noch mal Fakten in die Debatte zu bringen."
Ob und wie er sich gegen die geltenden EU-Grenzwerte einsetzen werde, sagte Scheuer auf Nachfrage nicht im Detail.
Das Gesundheitsministerium unter CDU-Politiker Jens Spahn sprach gestern von "ernst zu nehmenden Stimmen."
Das SPD-geführte Umweltministerium geht nun in die Offensive. Bereits am frühen Morgen meldete sich das Haus in einer Pressemitteilung zu Wort, die Lungenärzte hätten lediglich eine Stellungnahme und keine Studie veröffentlicht. Zudem seien die Grenzwerte so angelegt, dass alle Bevölkerungsgruppen, also auch die empfindlichen wie Asthmatiker geschützt seien.
Staatssekretär Jochen Flasbarth verteidigte die Grenzwerte im RBB-Inforadio:"Wir sind dafür da als Umweltministerium, dafür zu sorgen, dass die Menschen überall, das ganze Jahr, die Luft bedenkenlos einatmen können. Auch empfindliche Gruppen, Kinder…"
Derzeit gilt in Deutschland ein Jahresmittelwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft für NO2. Das soll saubere Luft für alle Menschen und dauerhaft garantieren.
Zweifel am Wert
Anders positioniert sich der Vorsitzende im Gesundheitsausschuss, der CDU-Politiker Erwin Rüddel. Er wies im Deutschlandfunk dagegen darauf hin, dass ihn die Studien, die zu den Grenzwerten geführt haben, nicht überzeugt hätten.
"Ich bin am Zweifeln, ob 40 Mikrogramm der richtige Wert ist."
Außerdem, so Gesundheitspolitiker Rüddel, gehe es um Eigentumsrechte der Dieselfahrer.
"Meiner Meinung nach sollte man so lange die Evidenz und die wissenschaftliche Sicherheit gegeben ist, sehr zurückhaltend mit Fahrverboten umgehen."
Christian Lindner, FDP-Vorsitzender, forderte, die Grenzwerte auszusetzen. Denn durch Fahrverbote könnten Milliardenschäden in der Wirtschaft entstehen.
Die Fachgesellschaft für Pneumologie hatte noch im Dezember vor den Gefahren von Feinstaub gewarnt. Klaus Rabe, der aktuelle Präsident der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie will jetzt auf die Kritiker zugehen. Rabe in der ARD: "Der kritische Dialog reicht von ‚Es ist alles Blödsinn‘. Das höre ich mir an. Und das diskutiere ich. Bis hin zu ‚Ich weiß es genau, es sind 40 Mikrogramm.‘ Die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen."
Der politische Druck, der schon seit langem in der Debatte rund um die Fahrverbote schlummert scheint sich nun an den Grenzwerten zu entladen. Der Ausgang ist offen.