Martin Zagatta: Um Fahrverbote in deutschen Städten zu verhindern, könnte es nun gut sein, dass die Bundesregierung die Nachrüstung älterer Dieselautos mit Staatsgeldern, mit Steuergeldern bezuschusst. Das nämlich schlägt nun offenbar ein von der Bundesregierung eingesetztes Expertengremium vor. Ist das der nächste Dieselskandal, oder ist das trotz aller Kritik vielleicht doch der beste Weg? Auf keinen Fall, wird mir da wohl gleich Jürgen Resch sagen. Er ist der Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe. Guten Morgen, Herr Resch!
Jürgen Resch: Einen schönen guten Morgen!
"Wir kämpfen seit zwei Jahren"
Zagatta: Herr Resch, den Steuerzahler für die Dieselnachrüstung zur Kasse zu bitten, die Kritik daran ist ja groß. Aber wenn diese Nachrüstungen zu besserer Luft führen, dann dient das doch allen. Warum soll sich der Staat dann an dieser Nachrüstung nicht beteiligen?
Resch: Also zum Ersten begrüße ich die Diskussion, die wir jetzt haben über die Nachrüstung, denn wir kämpfen seit zwei Jahren dafür, dass die ungefähr neun Millionen Betrugsdiesel, die unterwegs sind, und zwar sind das praktisch alle Euro-5- und Euro-6-Diesel-Pkws, dass die sauber gemacht werden. Und mit Softwarelösungen geht es nicht. Aber hier gilt einfach das Verursacherprinzip. Und wenn Sie einen Handwerker nach Hause bestellen, der soll ihnen eine Heizung reparieren, und danach tropft die Leitung, dann zahlen Sie halt erst, wenn die Heizung auch wirklich funktioniert. Und genauso sollte das beim Auto sein. Wenn die Bremse für die Luftschadstoffe nicht funktioniert, wenn die Katalysatoren nur im Labor arbeiten, dann hat natürlich der Hersteller und ausschließlich er dafür zu sorgen, dass die ausgelieferten Fahrzeuge durch einen amtlichen Rückruf im industriellen Maßstab eine funktionierende Abgasanlage bekommen. Und dafür auch noch den betrügerischen Konzernen Steuermittel hinterherzuschmeißen, na, das ist doch irgendwie ein bisschen irre.
Zagatta: Nun argumentieren da Rechtsexperten, dass der Staat ja bescheinigt hat, dass diese Autos funktionieren. Die sind ja offiziell zugelassen worden. Steht damit nicht der Staat dann auch in der Verantwortung?
Resch: Nein. Weil die Autohersteller zum Zeitpunkt der Zulassung die verwendeten Abschalteinrichtungen hätten angeben müssen, dass sie bewilligt werden. Wir haben Rechtsgutachten auch vorgelegt, auch in der Arbeitsgruppe eins, in der ich mitarbeite. Und deswegen kann ich auch sagen, es gibt keine Empfehlung dieser Arbeitsgruppe eins, dass mit Steuermitteln das finanziert werden soll. Es gibt nur einzelne Mitglieder, die das gern hätten, insbesondere die Autoindustrie. Nein, diese Nachrüstung, die einfach kommen muss, die ist zwingend notwendig, weil durch diese Nichtgenehmigung der Abschalteinrichtungen – die wurden jetzt alle nur nachgemeldet, dass sie irgendwie notwendig wären, die sind trotzdem illegal – kann der Staat sagen, das Fahrzeug muss in allen Betriebszuständen, nicht nur eben auf der Prüfrolle, sondern auch beim Betrieb in der Stadt und insbesondere bei niedrigen Temperaturen, wie wir sie jetzt haben, sauber sein. Wir haben im Moment bis zu 40-fache Überschreitungen der Grenzwerte, wenn Sie bestimmte Fahrprofile anlegen. Das kann doch nicht angehen, dass ein Auto, das neu gekauft wird, im Moment im Durchschnitt sechsmal mehr Stickstoffdioxid emittiert als ein 25 Jahre alter Diesel. Das ist jetzt gerade bei Stickstoffdioxid das spezielle Problem, dass hier eben diese neuen Fahrzeuge, wenn eben die Abgasreinigung nicht funktioniert, durch die höher verdichtenden Motoren ganz besonders schmutzig sind. Und deswegen, wir kommen nicht drum herum, dass die Autoindustrie diese Fahrzeuge in einen Zustand versetzt, dass sie auf der Straße genauso sauber sind wie im Labor.
"Wie wollen wir denn die Luft in den Städten mit Taschenspielertricks sauber kriegen?"
Zagatta: Und Ihrer Meinung nach dafür dann auch die Kosten übernimmt. Wenn ich Sie jetzt recht verstanden habe, sagen Sie, Sie sind in der Arbeitsgruppe mit dabei, und nur einzelne Mitglieder würden das empfehlen. Gehen Sie davon aus, dass die Bundesregierung das dann gar nicht umsetzt?
Resch: Nein, die Bundesregierung tut sich im Moment ganz grundsätzlich schwer, weil sie eben über ein Jahr hinweg das Lied der Autoindustrie gesungen hat, nämlich Softwarelösungen reichen. Und jetzt zeigt selbst ihr Regierungsgutachter, Professor Wachtmeister, dass sie eben nicht reichen. Mittlerweile hat sich herumgesprochen, dass wir bei Temperaturen von etwa 15 Grad bei den Softwarenachrüstungen von VW keine Wirkung mehr haben. Die Deutsche Umwelthilfe hat vor wenigen Tagen Tests gemacht bei einem nachgerüsteten VW, also nur mit einem Softwareupdate nachgerüsteten. Der war dann um 30 Prozent schmutziger nach der Nachrüstung, jetzt im Winter gemessen, als davor. Also wie wollen wir denn die Luft in den Städten mit Taschenspielertricks sauber kriegen. Die Fahrzeuge müssen einfach eine funktionierende Abgasreinigung bekommen. Das ist technisch überhaupt kein Problem, kostet wenige hundert Euro mehr als eine schlechte Abgasreinigung, und die Mehrkosten, die jetzt bei der Nachrüstung anfallen werden, weil es ein bisschen aufwendiger ist, werden unisono von uns, vom ADAC, auch von anderen auf ungefähr 1.500 Euro pro Fahrzeug kalkuliert. Das überfordert die Autoindustrie nicht, die im letzten Jahr hohe Rekordgewinne gefahren ist, und mit ungefähr einem Viertel der Gewinne vor Steuern, also ungefähr zehn Milliarden Euro ist der Kostenblock für die deutschen Hersteller. Mit dem Viertel der ausgewiesenen Gewinne ließen sich sämtliche Euro-5- und Euro-6-Diesel nachrüsten.
Zagatta: Und diese Umrüstungen würden dann ausreichen, dass die Grenzwerte eingehalten werden?
Resch: Wir haben jetzt gerade in der Expertengruppe eins verschiedene Testumrüstungen, die angeschaut werden. Da haben uns die Gutachter gesagt, bis zu 97 Prozent Reduktion. Wir haben selbst mit Teilen von VW – da war auch Herr Eichhorn von VW beteiligt – mal geschaut, was kann man, wenn man eben nur vorhandene VW-Ersatzteile nimmt und daraus eine funktionierende Abgasreinigung bastelt, machen. Ein Euro-5-Betrugs-VW mit 1.000 Milligramm Stickoxidemissionen wurde auf unter 80 Milligramm, also Verbesserung um über 90 Prozent gebracht. Diese technischen Nachrüstungen an Pkws und leichten Nutzfahrzeugen würden ausreichen, um in den Städten die entsprechenden Werte einzuhalten. Natürlich brauchen wir erst mal die Fahrverbote, um den Druck dann zu haben, dass nachgerüstet wird. Aber diese Nachrüstung wird dann nach den Fahrverboten sehr schnell kommen, davon sind wir überzeugt, und damit sind dann diese nachgerüsteten Fahrzeuge von den Fahrverboten befreit.
Zagatta: Herr Resch, Stichwort Fahrverbote. Am nächsten Donnerstag ist da ein ganz spannender Termin. Da befasst sich das Bundesverwaltungsgericht ja mit der Frage, ob Fahrverbote ganz grundsätzlich verhängt werden können. Was passiert denn da tatsächlich, wenn Sie sich mit Ihrer Klage da am Donnerstag durchsetzen?
Resch: Es geht ja im Grunde genommen auch nur noch um die Frage, ob die Gerichte in Stuttgart und Düsseldorf, die für uns entschieden haben, korrekt geurteilt haben. Es ist nur noch eine juristische Überprüfung. Es geht nicht um die Fahrverbote selbst, sondern es geht darum, ob die bestehenden Verkehrsregeln ausreichen, ob man eben ein Durchfahrtsverbotsschild kombinieren darf mit "gilt für Dieselfahrzeuge".
"Ich warte immer noch so auf ein kleines Wunder"
Zagatta: Das würde dann aber für alle deutschen Städte gelten?
Resch: Das würde für die Städte gelten, die ein Luftqualitätsproblem haben. Und das würde bedeuten, dass die Städte keine Ausrede mehr hätten und sehr schnell entscheiden müssten. Wir gehen dann davon aus, dass innerhalb von Monaten feststeht, in welchen Städten und in welchem Umfang solche Fahrverbote kommen. Und mit der Entscheidung rechnen wir dann auch mit einer anderen politischen Diskussion, vielleicht auch mit einem Einlenken der Autoindustrie, die sich doch nicht dauerhaft gegen ihre Kunden auflehnen kann. Ich möchte daran erinnern, dass es uns vor 13 Jahren auch gelungen war, 2004/2005, die Autoindustrie davon zu überzeugen, vorzeitig die Partikelfilter in alle Neufahrzeuge einzubauen. Das war damals die Kampagne "Kein Diesel ohne Filter". Und damit war auf einen Schlag die Diskussion weg. Wenn die Autoindustrie endlich ihren Widerstand aufgeben würde, die einfach fehlerhaften Fahrzeuge auf ihre Kosten nachzurüsten, dann, glaube ich, hätten wir sehr viel mehr Frieden in den deutschen Städten. Ich warte immer noch so auf ein kleines Wunder und auf die Einsicht der Autoindustrie, dass sie da sowieso nicht drum herum kommt, eben auf eigene Kosten die Autos sauber zu machen, die sie mit falschen Versprechen verkauft haben.
Zagatta: Sagt und hofft Jürgen Resch, der Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe. Herr Resch, Danke für das Gespräch!
Resch: Gern geschehen. Schönen Morgen noch!
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