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Dieselgate & CO2-Skandal
Das große Schummeln bei Verbrauchs- und Emissionswerten

Falsche Angaben bei Abgaswerten, Tricksereien bei CO2-Angaben: VW ist mit seinen Aussagen wahrscheinlich nur knapp der EPA zuvorgekommen. Die amerikanische Umweltbehörde misst Schadstoffe auch im Straßenalltag. Anders als in Europa, wo Nachkontrollen in der Praxis noch nicht vorgesehen sind - und so Tricksereien Tür und Tor geöffnet werden.

Von Thomas Wagner |
    Ein VW Golf in bei einer Abgasuntersuchung in Hörselberg bei Eisenach
    Prüforganisationen wie TÜV und Dekra messen bei den zweijährlichen technischen Hauptuntersuchungen gar nicht mehr nach, was tatsächlich aus dem Auspuff kommt. (imago stock & people)
    Das geht gar nicht; Jürgen Resch von der Deutschen Umwelthilfe:
    "Da sind nämlich Sensoren, die erkennen, dass das Auto geprüft wird. Da sind nämlich Sensoren verbaut, mit denen das Auto erkennt: Jetzt werde ich geprüft – jetzt bin ich sauber unterwegs."
    So ging VW im so genannten "Dieselgate-Skandal" vor, bei dem Autos auf dem Prüfstand nur ein Bruchteil jener Stickoxid-Mengen emittiert haben als im tatsächlichen Fahrbetrieb. Und so, sagen Umweltexperten wie Resch, sei der Konzern auch bei Tricksereien mit CO2-Grenzwerten vorgegangen.
    Indem VW dies gestern Abend selbst eingestanden hat und damit eine Art "Flucht nach vorne" antrat, wollte der Konzern aller Wahrscheinlichkeit nach nur der amerikanischen Umweltbehörde EPA zuvorkommen, die nach den Stickoxiden nun auch den Ausstoß des klimafeindlichen Kohlendioxids gemessen hat.
    Europa: Keine Nachkontrollen im praktischen Fahrbetrieb vorgesehen
    Denn das ist der große Unterschied zu Europa: In Amerika messen die Behörden die Schadstoffe nicht nur auf dem Prüfstand, sondern auch im Alltag auf der Straße. Jürgen Resch:
    "Hier muss ich als Umweltschützer Amerika loben: Dort wird nämlich nachkontrolliert."
    In Europa dagegen sieht der "Neue Europäische Fahrzyklus", kurz NEFZ, solche Nachkontrollen in der Praxis des Fahrbetriebs bislang nicht vor. Solche Nachkontrollen sollen erst in zwei Jahren kommen, was mancherlei Tricksereien bei den Testfahrten zur Erlangung der allgemeinen Betriebserlaubnis bis dahin Tür und Tor öffnet.
    Manche davon sind höchst legal: So werden die Fahrzeuge, bevor sie auf den Prüfstand kommen, komplett verändert: Statt regulärer Straßenreifen ziehen die Techniker so genannte "Slicks" mit allglatter Oberfläche und geringer Reibung auf. Daneben werden alle Ritzen und Ecken mit speziellen glatten Folien überklebt, um den Luftwiderstand zu minimieren.
    Legale Tricksereien bei Testfahrten
    Vereinzelt soll, um den Energieverbrauch zu senken, sogar die Lichtmaschine abgeklemmt worden sein; für den kurzen Testzyklus reicht schließlich auch der Strom aus der Batterie. Kritiker bemängeln, all dies habe mit dem realen Fahrbetrieb rein gar nichts mehr zu tun. Zudem messen Prüforganisationen wie TÜV und Dekra bei den zweijährlichen technischen Hauptuntersuchungen gar nicht mehr nach, was tatsächlich aus dem Auspuff kommt.
    Klaus Brüggemann, Vorstandsvorsitzender der TÜV-Nord AG heute in Berlin:
    "Bei Fahrzeugen der Kategorie Euro 5 und Euro 6 werden die Werte übernommen, die das Fahrzeug selber misst und über die On-Board-Schnittstelle weitermeldet. Da findet gar keine Messung mehr statt. Wenn die On-Board-Diagnose sagt: Die Werte sind in Ordnung. Dann sind die Werte in Ordnung. Und Punkt."
    TÜV und Dekra messen keine tatsächlichen Werte
    Selbst dann, wenn die Werte nicht in Ordnung sind: So könnten geschönte CO2-Werte, wie sie der VW-Konzern gestern eingestanden hat, bei der technischen Hauptuntersuchung ebenso unbemerkt geblieben sein wie überhöhte Stickoxid-Werte. Die werden nämlich bei der Hauptuntersuchung gleich gar nicht erst überprüft – zu aufwendig, heißt es dazu.