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Dieselgate-Prozess in Detroit
Höchststrafe für VW-Manager

VW-Manager Oliver Schmidt ist in den USA wegen des Diesel-Betrugs zu sieben Jahren Haft und einer Geldstrafe von 400.000 Dollar verurteilt worden. Das Urteil soll laut Gericht eine Warnung für die gesamte Wirtschaft sein. Der Richter kritisierte, dass andere Hintermänner des Betrugs ungeschoren davon kämen.

Von Thilo Kößler |
    Oliver Schmidt, 2015 beim Posieren in einem e-Golf im US-Bundesstaat Michigan
    Oliver Schmidt, 2015 beim Posieren in einem e-Golf im US-Bundesstaat Michigan (imago / Mandi Wright)
    So führt man vielleicht einen Mörder vor – aber normalerweise niemanden, der an einem Betrug beteiligt war. Doch der Angeklagte Oliver Schmidt, ehemals Leiter des Umweltbüros von VW in den USA und seit Januar 2017 Häftling im Gefängnis von Milan, Michigan, wird in dunkelroter Sträflingskleidung in den Gerichtssaal 236 im US-Bundesgericht von Detroit geführt.
    Nicht nur das: Schmidt muss Ketten tragen. Ketten um die Füße, die ihn zu Trippelschritten zwingen. Ketten, die um seine Hüfte gelegt sind. Die Hände in Handschellen gezwängt, die ihm während des ganzen Prozesses nicht abgenommen werden. Ein Anwalt muss ihm einen Becher an den Mund führen, wenn Schmidt trinken möchte.
    Sieben Jahre Haft und 400.000 Dollar Strafe
    Allein an dieser abschreckenden Szene hätte sich ablesen lassen, wie das Urteil wohl ausfallen würde: So hart wie möglich. 84 Monate Haft brummt Richter Sean Cox dem Angeklagten auf – sieben Jahre Gefängnis und eine Geldstrafe in Höhe von 400.000 Dollar. Beides zusammen das höchste Strafmaß, das in diesem Verfahren noch möglich war, nachdem Schmidt ein spätes Geständnis abgelegt hatte.
    Dabei hatte Schmidts Verteidiger DuMouchel aus New York noch geltend gemacht, dass Schmidt erst in der Schlussphase dieses Dieselgate-Skandals auf den Plan getreten war. Als Feuerwehrmann gewissermaßen, um in den USA das Schlimmste vom VW-Konzern abzuwenden. Keinesfalls sei er einer der Drahtzieher dieses organisierten Betruges gewesen, der mit raffinierter Täuschungs-Software die Abgaswerte von 500.000 Fahrzeugen aus der Wolfsburger Autoschmiede heruntermanipulierte. Verteidiger DuMouchel sagt: Schmidt habe nur die Direktiven des VW-Vorstands befolgt, als er erst amerikanische Umweltbehörden und dann die US-Ermittler an der Nase herumführte.
    Das hat ihm Richter Cox nicht abgenommen, sagt später Larry Vellequette, der für das renommierte Auto-Fachblatt Automotive News den gesamten Diesel-Skandal von Anfang an verfolgt hat: Cox sei überzeugt davon, dass Schmidt aktiv daran beteiligt war, die Vorwürfe gegen VW aus der Welt zu schaffen.
    Ankläger: Schmidt habe vertuscht, getrickst, betrogen
    So sieht das auch die Anklage: Schmidt spielte eine Schlüsselrolle bei der Verschwörung zum Betrug an der amerikanischen Wirtschaft und am US-Verbraucher. Er habe vertuscht, getrickst, betrogen – und dabei in Absprache und mit Deckung der Chefetage in Wolfsburg gehandelt. Schließlich habe Schmidt auch noch dafür gesorgt, dass Dokumente vernichtet wurden.
    Schmidt war Mittelsmann zwischen dem VW-Vorstand und den US-Behörden, sagt der Staatsanwalt und nennt dabei mehrfach den Namen Martin Winterkorns, des ehemaligen Vorstandsvorsitzenden des VW-Konzerns:
    "Die Anklage hat den Namen Winterkorn mehrfach genannt, weil sie glaubt, dass er an dieser Verschwörung beteiligt war – obwohl er gar nicht angeklagt ist."
    Darauf wird auch Richter Cox noch zurückkommen. Schmidt habe bis zu seinem späten Geständnis alles getan, um die strafrechtliche Aufklärung dieser Affäre zu behindern, begründet Cox schließlich sein hartes Urteil. Er habe auch aus Karrieregründen gehandelt.
    Richter begründet hartes Urteil mit Vertrauensbruch
    Die Schwere des Vergehens begründet Cox jedoch damit, dass es ganz grundsätzlich auf die Grundfesten des Wirtschaftssystems abzielte – auf das Vertrauensverhältnis zwischen Hersteller und Konsument. Deshalb müsse das Urteil kompromisslos hart ausfallen – damit die gesamte Wirtschaft für die Zukunft gewarnt sei.
    Und dann kommt Sean Cox tatsächlich noch einmal auf die Hintermänner in Wolfsburg zu sprechen: Während Oliver Schmidt für seine Vergehen büßen müsse, kämen sie ungeschoren davon, strichen weiter ihre Boni ein und hätten – anders als der kleine Mann und Verbraucher – keinerlei finanzielle Nachteile zu befürchten.
    Mit diesem Prozess hat zwar der VW-Konzern den Dieselgate-Skandal in den USA ausgestanden. Nicht aber Oliver Schmidt. Es sei denn, Martin Winterkorn und beteiligte Kollegen aus der VW-Vorstandsetage kämen wie damals Oliver Schmidt auf die Idee, in den USA Urlaub zu machen.