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Dieselgipfel
"Fahrverbote um jeden Preis verhindern"

In der Debatte um Diesel-Pkw spricht sich FDP-Verkehrspolitikerin Daniela Kluckert gegen Fahrverbote für ältere Fahrzeuge aus. Es müsse an anderen Punkten angesetzt werden, um die Luft rein zu halten - wie etwa dem ÖPNV, sagte Kluckert im Dlf.

Daniela Kluckert im Gespräch mit Christoph Heinemann |
    In der Hamburger Max-Brauer-Allee steht ein Verbotsschild für Dieselautos.
    Verbotsschild für Dieselautos in der Hamburger Max-Brauer-Allee (Deutschlandradio / Axel Schröder)
    Christoph Heinemann: Guter Rat ist teuer, das steht fest. Fragt sich nur, wer die Zeche zahlt. Dass die Luft in vielen deutschen Städte viel zu dreckig ist, das ist messbar. Daher hat etwa das Verwaltungsgericht in Wiesbaden entschieden, dass im kommenden Jahr schadhafte Diesel-PKW nicht mehr in und nach Frankfurt am Main fahren dürfen. Auch in anderen Städten drohen solche Einschränkungen. Die Spitzen von Union und SPD wollen sich am Abend einigen, mit welchen Maßnahmen Diesel-Fahrverbote in Städten abgewendet werden sollen.
    Am Telefon ist Daniela Kluckert, ebenfalls FDP. Sie ist die stellvertretende Vorsitzende des Verkehrsausschusses des Deutschen Bundestages, Wahlkreis Berlin-Pankow. Guten Tag.
    Daniela Kluckert: Guten Tag, Herr Heinemann.
    Heinemann: Frau Kluckert, viele Interessen sind im Spiel. Welches ist für Sie das Wichtigste?
    Kluckert: Für mich ist das wichtigste Interesse das Interesse der Verbraucher, des einzelnen Autofahrers. Dann haben wir aber auch noch die Verpflichtung als Politik, auf die Arbeitsplätze zu schauen. Wir wissen, wie viele Arbeitsplätze daran hängen in Deutschland. Das ist eine unserer Schlüsseltechnologien. Darauf müssen wir schon schauen.
    "Keine Klarheit bei den Fakten"
    Heinemann: Ist das Wichtigste nicht die saubere Luft?
    Kluckert: Die saubere Luft, das sind ja die Verbraucher. Das sind die Verbraucher, das sind die Menschen, die in den Städten leben und auf dem Land. Das ist zentral. Wir machen Politik für die Menschen und das ist die Verpflichtung.
    Was wir aber beim Dieselgipfel heute Abend sehen, auch in der Debatte, die ich mir gerade angehört habe, ist, dass es gar keine Klarheit bei den Fakten so richtig gibt. Es wird viel von Betrug gesprochen und darüber, wo wir jetzt eigentlich sprechen, sind Diesel vier und fünf, und die sind offiziell und auch ohne Betrug auf den Straßen zugelassen.
    Heinemann: Aber es gibt ja auch Betrug.
    Kluckert: Genau, es gibt Betrug. Das ist ganz klar. Das ist beim Diesel sechs der Fall. Und da, denke ich, ist die Politik sich auch einig, dass da selbstverständlich die Hersteller dafür sorgen müssen, dass die Verbraucher genauso gestellt werden, wie sie gestellt worden wären, wenn nicht betrogen worden wäre.
    Daniela Kluckert bei einer Plakataktion der FDP im Juli 2017
    Das Interesse der Verbraucher steht obenan - Daniela Kluckert (FDP) (dpa/Xamax)
    Heinemann: Wir haben Ihren Parteifreund Oliver Luksic gehört, der heute bei uns im Deutschlandfunk für einen Staatsfonds geworben hat. Wieso sollten Menschen, die zur Schonung der Umwelt auf ein Auto verzichten und die Atemluft viel weniger belasten, mit ihrem Steuergeld die Automobilindustrie subventionieren?
    Kluckert: Ja, genau das meine ich. Da müssen wir mal Klarheit in der Debatte schaffen. Erstens möchte ich sagen, dass unsere Luft seit vielen Jahren viel reiner geworden ist. Nichts desto trotz haben wir da noch viel zu tun.
    Die Automobilindustrie, die ihren Diesel vier und fünf zugelassen hat, hat den zugelassen mit den Werten, die damals galten, und da wurde auch nicht betrogen. Jetzt ist schon auch die Frage, wenn wir jetzt Veränderungen in den Werten haben, warum dann dafür die Automobilindustrie aufkommen soll.
    Dazu kommt noch die Problematik, dass wir vielleicht unsere Automobilindustrie belangen können und sagen können, ihr müsst eure Fahrzeuge, die ihr eigentlich mal in gutem Glauben zugelassen habt, nachrüsten. Aber was ist mit den ganzen ausländischen Fahrzeugen, die hier auf der Straße sind.
    "Subventioniert wird ja die bessere Luft in den Städten"
    Heinemann: Das sind jetzt ganz viele Probleme. Bleiben wir doch noch mal bei dem ersten. Wieso sollen Menschen, die überhaupt gar kein Auto haben, die Automobilindustrie subventionieren?
    Kluckert: Sie meinen das mit der Fonds-Lösung?
    Heinemann: Mit den Steuermitteln, genau.
    Kluckert: Subventionieren tun sie ja nicht die Automobilindustrie, sondern sie subventionieren damit die bessere Luft in den Städten, weil die Automobilindustrie hat ja an diesen Punkten nicht betrogen. Das muss man wirklich auch mal ganz klar so sagen.
    Heinemann: Aber die Industrie muss doch Autos liefern, die den gesetzlichen Rahmenbedingungen entsprechen.
    Kluckert: Das hat sie ja bei vier und fünf auch getan. Die Automobilindustrie hat bei Diesel vier und bei Diesel fünf nicht betrogen.
    Heinemann: Das ist richtig. Aber trotzdem ist doch die Frage, wie jetzt wir diese Autos in den gesetzlichen Rahmen hineinbekommen.
    Kluckert: Genau, das ist die interessante Frage. Wir sind uns jetzt schon mal einig, sie hat bei Diesel vier und fünf nicht betrogen. Bei Diesel sechs hat sie betrogen und da soll sie nachrüsten. Bei Diesel vier und fünf hat sie nicht betrogen und wenn dann die Bevölkerung, die Gesellschaft sagt, wir wollen, dass diese Autos auch sauberer sind, dann ist es richtig, dass dann auch die Gesellschaft sagt, das kostet uns was.
    "Die Industrie hat bei Diesel vier und fünf nicht betrogen"
    Heinemann: Das heißt Industriesubvention?
    Kluckert: Wieso denn Industriesubvention? Das verstehe ich nicht.
    Heinemann: Autos sollen auf Kosten des Steuerzahlers dann nachgerüstet werden?
    Kluckert: Wir sagen, es soll eine Mischung geben, wo der Staat etwas gibt, die Industrie etwas gibt und dann auch derjenige, der nachrüstet. Aber noch einmal: Die Industrie hat bei Diesel vier und fünf nicht betrogen.
    Heinemann: Haben wir jetzt gelernt. – Können Sie denn garantieren, dass nachgerüstete PKW von Fahrverboten auf jeden Fall ausgenommen bleiben?
    Kluckert: Das kann ich nicht garantieren, weil diese Fahrverbote neu sind, die wir jetzt haben. Deswegen müssen wir auch darüber sprechen, wie wir überhaupt zu diesen Fahrverboten gekommen sind, und wir müssen schauen, dass wir diese Fahrverbote unter jedem Preis verhindern. Da gibt es dann verschiedene Ansatzpunkte, wie wir das tun können.
    Heinemann: Wer übernimmt denn die Haftung? Autobauer oder Zulieferer von Katalysatoren zur Stickoxid-Reduktion?
    Kluckert: Wenn wir eine zugelassene Nachrüstung haben, dann ist es natürlich so, dass in diesen zugelassenen Nachrüstungen, die dann auf die Straße kommen, klar sein muss, wieviel weniger Stickoxide da rauskommen. Dafür müssen natürlich dann auch die Hersteller haften, dass das dann auch am Ende rauskommt.
    Heinemann: Die Automobilhersteller oder die Zulieferer der Katalysatoren?
    Kluckert: Der, der es am Ende verkauft.
    Heinemann: Also der Hersteller?
    Kluckert: Der ist zuständig, ja.
    "Warum ruft Frankfurt die Mittel nicht ab"
    Heinemann: Okay. – Jetzt sagt Verkehrsminister Scheuer, durch Nachrüstung steigt der Verbrauch, die Leistung sinkt und die Service-Intervalle werden immer geringer. Wer möchte, dass sein Auto oder dass ihr Auto dauernd in der Werkstatt steht?
    Kluckert: Ja, niemand möchte das. Deswegen sagen wir auch, wir müssen an anderen Punkten noch ansetzen, um diese Fahrverbote zu verhindern. Auch wir sagen, dass Nachrüstung keine Lösung ist, die wünschenswert ist. Wir wünschen uns an allererster Stelle, dass wir diese Fahrverbote verhindern, indem zum Beispiel einmal die Stadt Frankfurt Mittel abruft aus dem Programm zur Reinhaltung der Luft. Wissen Sie, Frankfurt hat da fast gar nichts abgerufen. Das ist für uns nicht verständlich. Das ist für mich nicht verständlich. Warum ruft eine Stadt, die massiv von Pendlern betroffen ist, die weiß, wie ihre Stickoxid-Werte sind, warum ruft diese Stadt diese Mittel nicht ab. Wir müssen ganz viel tun, damit wir diese Fahrverbote am Ende verhindern und die Leute nicht enteignet werden.
    Heinemann: Was denn zum Beispiel?
    Kluckert: Na ja. Erst mal sollen die Städte auch schauen, was sie speziell tun können, wie sie es schaffen, dass die Stickoxide runtergehen.
    Heinemann: Wie denn zum Beispiel?
    Kluckert: Es gibt ja verschiedene Möglichkeiten. Man kann den ÖPNV umrüsten, man kann Begrünungen machen, man kann manchmal ganz banal öfter die Straße kehren. Für all diese Sachen gibt es Mittel, die beim BMVI liegen, und die Stadt Frankfurt hat diese Mittel nicht abgerufen. Das verwundert uns natürlich schon, wie man da die Verantwortung nicht auch anpacken kann.
    Die zweite Sache ist, da müssen wir auch mal drüber sprechen: In anderen Ländern in der Europäischen Union wird anders gemessen und deswegen sind wir die einzigen, die mit Fahrverboten zu kämpfen haben. Wir setzen uns dafür ein, dass es auf europäischer Ebene ein Moratorium gibt, das erst einmal die Grenzwerte für einen kurzen Zeitraum aussetzt, um überhaupt Klarheit zu finden, wie wir mit diesem ganzen Problem umgehen können.
    "Bringt nichts, am Ende den Menschen ihr Auto wegzunehmen"
    Heinemann: Zu Lasten dann der Verbraucher, die Sie am Anfang beschrieben haben. Denn wenn die schlechte Luft da ist, leiden ja die Bewohnerinnen und Bewohner der Städte darunter.
    Kluckert: Genau. Ich hatte auch zu Beginn schon gesagt, dass wir in den letzten Jahren eine große Verbesserung der Luft geschaffen haben, dass wir aber auch noch weiter daran arbeiten. Wissen Sie, es bringt aber auch nichts, am Ende den Menschen ihr Auto wegzunehmen, dass sie nicht mehr mit ihrem Auto zur Arbeit kommen können, dass die Leute viel Geld in ihre Autos gesteckt haben und neue Grenzwerte gezogen sind, dass sie mit diesen Autos nicht mehr fahren können und die Leute immobil bleiben. Deswegen, glaube ich, brauchen wir etwas mehr Zeit, um die Debatte dann auch rational zu führen.
    Heinemann: Frau Kluckert, ganz kurz zum Schluss. Könnte die Bundesregierung auch ausländische Automarken zur Nachrüstung verpflichten?
    Kluckert: Ja, das ist ein wichtiger Punkt, den Sie da ansprechen. Ich würde sagen: Nein, sie kann es nicht. Und genau das ist die Frage. Dann können wir unsere Unternehmen verpflichten, es wird viel Geld rausgezogen, und bei den ausländischen Autos können wir das nicht, weil sie legal auf die Straße gekommen sind. Unsere Luft wird nicht reiner, aber unsere Unternehmen werden geschwächt. Das ist ein genau richtiger Punkt, den Sie da ansprechen.
    Heinemann: Schwierige Aufgabe heute Abend für den Koalitionsausschuss. Daniela Kluckert war das, FDP-Verkehrspolitikerin. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören.
    Kluckert: Vielen Dank. – Auf Wiederhören!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.