Steuerfinanzierte Subventionen, wie sie derzeit diskutiert werden, um die Automobilbranche im Dieselskandal zu unterstützen, hält Holznagel für falsch. Vielmehr sei die Politik am Zug, der Industrie klarzumachen, dass sie die Verantwortung finanziell alleine zu tragen habe. Es dürfe nicht sein, dass der Bürger doppelt zahlen müsse: Einerseits mit gekauften Dieselautos und andererseits mit Steuergeldern.
Die Subventionen für Elektroautos hält Holznagel hingegen für richtig. Wo Wertschöpfung entstehe, sei das Geld gut investiert. Man müsse aber immer wieder überprüfen, ob Maßnahmen auch wirkten.
Christine Heuer: Das Kraftfahrtbundesamt hat auf Betreiben der Autoindustrie Untersuchungsberichte zum Abgasskandal geschönt – das berichtet jedenfalls die "Bild"-Zeitung. Informationen von Sebastian Hesse.
Abgasmanipulation, der Verdacht, die deutschen Hersteller hätten sich zu einem kriminellen Kartell zusammengeschlossen, drohende Fahrverbote. Die Lage ist ernst für die Branche und könnte am Mittwoch noch ernster werden, denn dann tagt der Dieselgipfel. Die Bundesregierung will der Autoindustrie dort viel abverlangen. Die Branche reagiert mit Mindestangeboten, die unter aller Erwartungen liegen, und in den Autoländern wird laut über Subventionen nachgedacht, angeblich zugunsten der Umwelt, tatsächlich aber natürlich auch, um der Branche mit Steuergeldern unter die Arme zu greifen, und darüber möchte ich mit Reiner Holznagel sprechen, Präsident beim Bund der Steuerzahler. Guten Morgen!
Reiner Holznagel: Guten Morgen, ich grüße Sie!
"Massive Pflichtverletzung durchs Kraftfahrtbundesamt"
Heuer: Herr Holznagel, bevor wir auf die Steuern kommen, es ist heute Nacht noch mal einiges dazugekommen: Die erste Frage an den Bürger, das Kraftfahrtbundesamt – wir haben das gerade gehört – pfuscht angeblich. Überrascht Sie das noch?
Holznagel: Ja, doch, es überrascht mich schon noch. Es ist eine unerträgliche Nähe zwischen Autoindustrie und diesem Kraftfahrtbundesamt, und wir müssen endlich dafür sorgen, dass die Aufsichtspflicht vollumfänglich wahrgenommen wird, denn es ist ja eine massive Pflichtverletzung durch dieses Kraftfahrtbundesamt dort gewesen, und wenn jetzt auch noch Manipulationsvorwürfe sich erhärten, dann halte ich das für einen ziemlich hohen Skandal.
Heuer: Dann betrifft es auch Alexander Dobrindt, den Bundesverkehrsminister, ganz persönlich und direkt.
Holznagel: Natürlich. Hier müssen Konsequenzen gezogen werden. Man kann nicht nur die Autoindustrie in die Pflicht nehmen. Die ist auch dran selbstverständlich, aber eben auch die Politik, denn es gilt, Rahmenbedingungen zu setzen und diese auch einzuhalten, und das Kraftfahrtbundesamt wusste angeblich schon viel früher von einer Abschaltautomatik. Insofern hätte man da auch draus schließen können, dass andere Fahrzeughersteller ebenfalls so arbeiten, und jetzt ist letzten Endes das eingetreten, was wir alle nicht wollten, nämlich der Bürger, der Steuerzahler, der Dieselfahrer muss diese Suppe auslöffeln, und das kann es nicht sein, und deswegen muss auch die Politik entsprechend reagieren.
Heuer: Nämlich wie?
Holznagel: Indem letzten Endes noch mal die Rahmenbedingungen geschärft werden, indem sie aber auch konsequent eingehalten werden. Die Autoindustrie ist in der Pflicht, diese auch letzten Endes anzuwenden. Was nicht sein kann, ist, dass die Politik jetzt wieder mit Steuergeld winkt. Im Gegenteil: Hier muss die Politik klare Rahmenbedingungen definieren. Dazu ist der Autogipfel da, und letzten Endes muss man der Industrie deutlich machen, dass sie diese Verantwortung auch finanziell alleine zu tragen hat.
"Die Autoindustrie bekommt schon sehr viele Subventionen"
Heuer: Die Autoindustrie ist ja irgendwie systemrelevant, Herr Holznagel. Schaden wir uns nicht allen, wenn wir die jetzt im Regen stehen lassen? Ist es da nicht günstiger, mit Subventionen dieser wichtigen Branche unter die Arme zu greifen?
Holznagel: Also selbstverständlich ist die Autoindustrie eine "Big Industry", wie wir so schön sagen. Sieben Arbeitsplätze in Deutschland von zehn hängen an der Autoindustrie. Deswegen muss man hier auch wirklich sehr mit Bedacht vorgehen, aber wir haben ja hier einen Skandal, der letzten Endes auch auf Betrug basiert, und hier muss man letzten Endes auch den Steuerzahler und den Verbraucher sehen, und der darf nicht doppelt zahlen. Er hat auf der einen Seite schon einen Diesel gekauft, der letzten Endes nicht das verspricht, was er einhält, und nun muss er als Steuerzahler noch Subventionen bereitstellen - das halte ich für einen abwegigen Vorgang, und wir dürfen nicht vergessen: Die Autoindustrie bekommt schon sehr viele Subventionen.
Alleine für die Elektromobilität stellt der Bund 600 Millionen Euro bereit. Das ist eine gigantische Summe. Nun auch noch sozusagen eine Abwrack- oder Umrüstprämie für alte Dieselfahrzeuge ins Fenster zu stellen, ist der absolut falsche Weg. Man muss hier Rahmenbedingungen setzen, man muss zukünftig auch deutlich machen, ab wann welche Autos nicht mehr fahren sollen, damit die Bürger auch langfristig planen können, und da ist die Verantwortung jetzt bei der Politik, und die Autoindustrie muss nachziehen. Also Steuergeld ins Schaufenster zu stellen ist an dieser Stelle völlig fehl am Platz.
"Deutliche Rahmenbedingungen festlegen"
Heuer: Dann gucken wir uns mal diese Subventionsvorschläge im Einzelnen an, Herr Holznagel. Horst Seehofer zum Beispiel will ja tatsächlich die Kfz-Steuer für moderne Diesel- und E-Autos senken. Dagegen können Sie eigentlich gar nichts haben.
Holznagel: Also natürlich sind Steuersenkungen für uns immer gut, aber man muss letzten Endes immer eins noch im Auge behalten: Steuern sind dazu da, um den Staat zu finanzieren. Wenn man immer mehr Lenkungsfunktionen in das Steuersystem einbaut, dann wird man letzten Endes auch riesige Probleme bekommen, nämlich dann, wenn die Leute das tun, was der Staat will. Das hätte dann zur Folge, dass Einnahmen wegbrechen. Insofern bin ich sehr skeptisch, wenn man mit Steuern sehr viel lenken will, insbesondere auch auf das Konsumverhalten.
Ich finde, hier sollte man klare und deutliche Rahmenbedingungen festlegen: Ab wann darf man sozusagen keinen Diesel mehr mit welchen Normen fahren, ab wann sollte der Verbrennungsmotor auslaufen - andere Staaten machen das ja auch. Und letzten Endes muss die Autoindustrie auch hier durch innovative Produkte, durch tolle Produkte überzeugen, und das funktioniert ja in Teilbereichen, leider nicht in Deutschland. Insofern sollte man mit dem Steuerrecht hier sehr zurückhaltend sein, weil letzten Endes beschneidet sich der Staat da an einer Stelle, die sehr sensibel ist, nämlich die Einnahmen.
"Steuerzahler muss an dieser Stelle entlastet werden"
Heuer: Aber die Steuerzahler sollen es ja auch gar nicht alleine bezahlen. Stephan Weil, der sozialdemokratische Ministerpräsident von Niedersachsen, zum Beispiel, der schlägt eine Klimaprämie vor, an der sich die Industrie durchaus beteiligen soll. Das ist doch gerecht.
Holznagel: Also Stephan Weil ist ja in der Form des Ministerpräsidenten von Niedersachsen auch Großaktionär von Volkswagen. Insofern stellt sich mir die Frage, wie bringt er sich in diesen Skandal ein, welche Vorschläge macht er in Form, was VW auch tun kann, aber letzten Endes bleibt es so, dass es ein Mix ist. Der Steuerzahler soll hier mit dran beteiligt werden, und das lehne ich entschieden ab. Der Steuerzahler muss an dieser Stelle entlastet werden, auch der Verbraucher darf nicht weiter zur Kasse gebeten werden. Hier ist die Automobilindustrie in der Pflicht, und da erwarte ich auf dem Autogipfel auch klare und deutliche Aussagen.
Heuer: Alexander Dobrindt, der Bundesverkehrsminister, der möchte ein Mobilitätsfonds zum Beispiel für umweltfreundliche Busse und grüne Wellen in Städten. Auch da, Herr Holznagel, das ist tatsächlich eine typische Aufgabe der Kommunen. Da kann man doch Steuergeld für ausgeben, das ist doch okay.
Holznagel: Das passiert ja auch schon. Wir pumpen sehr, sehr viel Geld in …
Heuer: Dann halt noch ein bisschen mehr.
Holznagel: Natürlich kann man das priorisieren. An anderer Stelle muss man dann depriorisieren und sagen, wo man kein Geld mehr ausgibt. Man kann nicht alles machen. Insofern finde ich schon, dass man Prioritäten setzen soll, auch in Fördermaßnahmen, auch in Ausbau in ÖPNV. Wir sehen viele Veränderungen, auch in Großstädten, was Carsharing angeht, das sind alles Projekte, die in die Zukunft gehen und wo auch die Politik sich durchaus beteiligen kann, aber wir diskutieren ja zurzeit über die Umrüstung oder eine Kaufprämie für sozusagen neuere Autos in der Dieselform.
Ich weiß nicht, ob der Diesel noch wirklich die Zukunft ist. Das muss auch die Automobilindustrie beantworten. Letzten Endes ist es so, dass wir schon sehr viel Geld in die Elektromobilität investieren - 600 Millionen Euro als Kaufpreisprämie -, aber eben auch in den Ausbau der Infrastruktur. Also hier passiert schon extrem viel, wo der Steuerzahler beteiligt wird.
Heuer: Und da sind Sie auch dagegen?
Holznagel: Nein, in Teilen nicht. Also was gut investiert ist, wo letzten Endes auch Wertschöpfung entsteht, das ist ein gut investiertes Geld - gar keine Frage. Und wir müssen auch Umwelttechnologie voranbringen, aber immer mit Augenmaß und vor allen Dingen auch in Kombination mit Überprüfung, ob diese Maßnahmen wirken. Die Kaufpreisprämie für die Elektromobilität wirkt nicht. Insofern sollte man sie überdenken und auch zurücknehmen, aber bei …
"Immer wieder überprüfen, ob Subventionen wirken"
Heuer: Aber Herr Holznagel, Entschuldigung, da gehe ich gerade mal dazwischen: Gerade haben Sie uns gesagt, dass Sie gegen Steuern sind, die lenken, aber genau das macht man ja mit Subventionen für die Elektromobilität.
Holznagel: Wenn ich direkte Subvention zur Verfügung stelle, dann lenke ich letzten Endes eine bestimmte Sparte, und das finde ich teilweise auch völlig in Ordnung, das müssen wir auch machen. Wogegen ich bin, wenn im Steuersystem beispielsweise einzelne Steuerarten verändert werden, dass die Kfz-Steuer unterschiedlich ausgestattet wird, das sind letzten Endes Lenkungsfunktionen, die auch negativ wirken, nämlich dann, wenn die Menschen das tun, was der Staat will, aber auf der anderen Seite Einnahmen wegbrechen.
Dann werden wieder an anderer Stelle Steuern erhöht, und da halte ich es für fatal, wenn man mehr Lenkungsfunktionen in das Steuerrecht bringt. Richtig ist, wenn man investiert, wenn man Subventionen zur Verfügung stellt, um eine Technologie voranzubringen. Wir haben das ja beispielsweise auch bei der Windkraft gemacht oder bei anderen Energieträgern, aber man muss auch den Zeitpunkt finden, wo man wieder aussteigt. Ansonsten ist es eben so, dass die Industrie zu sehr an den Subventionen hängt und sich nicht weiterentwickelt. Das ist eine staatliche Aufgabe, und hier muss immer wieder überprüft werden, ob die Subventionen auch letzten Endes wirken.
"Hier ist die Politik am Zug, Rahmenbedingungen zu stellen"
Heuer: Eine Frage noch zu den aktuellen Meldungen vom Wochenende: Da hat Horst Seehofer jetzt gesagt, er habe nichts gegen eine Sammelklage gegen diese Möglichkeit auch für deutsche Autokäufer. Freuen Sie sich darüber?
Holznagel: Ich sehe das schon kritisch, weil wir hier einen ganz bestimmten Fall diskutieren, nämlich den Dieselskandal in Bezug auf die Autoindustrie, aber hier wird letzten Endes ein Fass aufgemacht, was insgesamt gesehen werden muss, und Sammelklagen sind sehr schwierig in unser Rechtssystem einzubetten. Deswegen sollte man hier sehr vorsichtig vorgehen und auch den Bürgern nicht die Hoffnung machen, dass man durch solche Sammelklagen schnell zu seinem Recht kommt.
Ich würde sagen, die Politik sollte sich lieber darauf konzentrieren, die Automobilindustrie in die Pflicht zu nehmen, entweder die Nachrüstungen durchzuführen oder letzten Endes eine Einigung mit den Kunden schnell zu erzielen, denn es geht ja darum, dass Dieselfahrzeuge letzten Endes saubergemacht werden und dass die Besitzer von Dieselfahrzeugen nicht kalt enteignet werden durch Fahrverbote oder letzten Endes durch schnelles Handeln, indem die Oxidwerte so weit runtergesetzt werden, dass generell der Diesel nicht mehr nutzbar ist. Also hier ist die Politik am Zug, Rahmenbedingungen zu stellen. Ob Sammelklagen der richtige Weg sind – ich bin da sehr skeptisch. Für die Automobilindustrie mag das zurzeit en vogue sein, aber wir müssen dann sehen, wie es im Gesamtsystem, in unser Rechtssystem integriert wird, und das wird eine sehr schwierige Aufgabe werden.
"Vertrauen wird kaputtgemacht"
Heuer: Herr Holznagel, die Autoindustrie ramponiert ja gerade nicht nur ihren eigenen Ruf in Deutschland, sondern eigentlich das erfolgreiche Label Made in Germany. Wie groß ist eigentlich der Schaden für die gesamte Volkswirtschaft, den da die Hersteller anrichten?
Holznagel: Vertrauen wird sehr, sehr viel kaputtgemacht zurzeit, nicht nur in Deutschland, sondern auch im Ausland. Deswegen ist es ein großes Problem, was wir zurzeit haben. Deswegen muss die Autoindustrie auch schnelle Antworten finden. Sie muss technische Antworten finden, und sie muss auch eine Einigung mit den Kunden finden, damit an dieser Stelle wieder sozusagen auch Vertrauen aufgebaut werden kann, aber es ist eben auch wichtig, dass die Automobilindustrie in die Zukunft schaut, dass sie sich erneuert, dass sie die Elektromobilität so ausbaut, dass es eine wirkliche Alternative ist.
Da hilft ja der Staat schon extrem - mir manchmal etwas zu viel und zu unkoordiniert, das gebe ich gerne zu -, aber letzten Endes will die Autoindustrie zukünftig auch Geld verdienen, und damit sie Geld verdient, muss sie jetzt investieren, muss sie jetzt Vertrauen aufbauen, und das ist letzten Endes auch ein Standortfaktor für Deutschland. Jeder siebente Arbeitsplatz hängt in der Automobilindustrie, gerade sehr viele mittelständische und kleine Unternehmen sind Zulieferer. Deswegen muss hier einiges getan werden, damit dieser Wirtschaftsstandort oder dass dieser Wirtschaftsfaktor weiterhin stabil bleibt.
Heuer: Reiner Holznagel, der Präsident beim Bund der Steuerzahler - vielen Dank für das Interview heute früh!
Holznagel: Danke Ihnen!
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