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Dieselskandal
Zetsche zum Rapport im Verkehrsministerium

Zum zweiten Mal muss der Daimler-Chef Dieter Zetsche im Bundesverkehrsministerium antreten, um zu erklären, bei wie vielen Modellen Abgastests manipuliert wurden. Bei dem Treffen geht es auch um Zetsches Glaubwürdigkeit: Noch zu Beginn der VW-Affäre hatte er beteuert, in seinem Unternehmen werde nicht betrogen oder manipuliert.

Von Paul Vorreiter |
    Dieter Zetsche, Vorstandsvorsitzender der Daimler AG, spricht bei der Hauptversammlung des Unternehmens.
    Dieter Zetsche, Vorstandsvorsitzender der Daimler AG, spricht bei der Hauptversammlung des Unternehmens. (dpa/picture alliance/ Britta Pedersen)
    Es dürfte für Daimler-Chef Dieter Zetsche ein unangenehmer Termin sein, heute Nachmittag bei Andreas Scheuer, dem Bundesverkehrsminister. Es ist der zweite in 14 Tagen. Beim ersten Zusammentreffen Ende Mai konnte nicht geklärt werden, welche Daimler-Motoren von der möglicherweise unzulässigen Abgassoftware betroffen sind. Das soll jetzt anders werden. Scheuer hatte Zetsche eine Frist auferlegt: Dieser soll nun Zahlen aller Autos auf den Tisch legen, die Abschalteinrichtungen haben. Der Sprecher des Bundesverkehrsministeriums sagte am Mittag zu dem Treffen:
    "Das Ziel dieses Treffens, ist, es geht um die Klärung von hochkomplexen technischen Fragen, das Ziel ist es, anhand von konkreten Prüfungen die genaue Zahl der betroffenen Modelle zu ermitteln, die möglicherweise mit unzulässigen Abschalteinrichtungen versehen sind, sie haben ja vorvergangene Woche mitbekommen, dass das Modell Vito, dass hier Fahrzeuge zurückgerufen sind."
    Fast eine Million Wagen könnten betroffen sein
    Das Kraftfahrtbundesamt KBA hatte einen Rückruf von rund 5.000 Exemplaren des Mercedes-Kleintransporters Vito angeordnet. Daimler widerspricht dem Vorwurf, es handele sich um eine gesetzeswidrige Software. Inzwischen geht es allerdings nicht mehr nur um die verdächtigen Vito-Modelle. Das KBA will laut "Bild am Sonntag" fünf Abschaltfunktionen gefunden haben. Die Behörde verdächtige den Autobauer, diese Software in der neueren Diesel-Flotte mit der Abgasnorm Euro-6 einzusetzen. Fast eine Million Wagen könnten damit betroffen sein.
    Nach Informationen des "Spiegel" könnte Daimler ein Angebot machen, das vorsieht, dass das Unternehmen neben dem Transporter Vito, noch einige Tausend andere Fahrzeuge in die Werkstätten zurückruft. Dabei sollen Software-Funktionen gelöscht werden, die das Kraftfahrt-Bundesamt für illegale Abschalteinrichtungen hält. Die Offerte soll an die Bedingung geknüpft sein, dass die Rückrufe beim Vito und den anderen gemeldeten Modellen nur dann akzeptiert würden, wenn im Gegenzug das KBA das Unternehmen nicht weiter mit Prüfungen behellige.
    "Ich kann zu weiteren Einzelheiten, die jetzt darüber berichtet werden oder am Wochenende berichtet worden sind, wir werden uns nach dem Gespräch dazu äußern, über die Form ist allerdings noch nicht entschieden", erklärte das Bundesverkehrsministerium dazu. Bundesverkehrsminister Scheuer geht laut dem Magazin "Spiegel" von rund 750.000 verdächtigen Fahrzeugen aus. Angeblich habe er eine Strafe von rund 5.000 Euro pro Wagen angedroht, ein Betrag von 3,75 Milliarden Euro in Summe. Kirsten Lühmann, verkehrspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, findet es richtig, dass Druck auf Daimler gemacht wird, wie sie heute im Deutschlandfunk erklärte:
    "Der Weg ist absolut richtig, um Druck zu machen, er hat ja nicht gesagt, dass er diese Strafen sofort erlassen wird; sondern er hat sie nur in Aussicht gestellt, wenn nicht kooperiert wird. Herr Dobrindt hat erklärt, dass solche Strafen nicht oder nur sehr schwer möglich sind: Herr Scheuer droht sie jetzt an, trotzdem muss man erstmal festgestellt werden, darf so eine Strafe überhaupt ausgesprochen werden oder nicht?"
    Durchsuchungen bei Audi-Chef Stadler
    Bei dem Treffen heute im Bundesverkehrsministerium geht es auch um die Glaubwürdigkeit von Dieter Zetsche. Er hatte nach Beginn der VW-Affäre beteuert, in seinem Unternehmen werde nicht betrogen oder manipuliert. Kirsten Lühmann forderte ihn zu einem offensiven Umgang auf:
    "Ich erwarte von ihm, dass er deutlich macht, und das hat er ja vor 14 Tagen schon getan, dass wir jetzt nicht jedes einzelne Daimlerfahrzeug testen müssen, um jede einzelne Veränderung nachzuweisen, sondern dass der Konzern selber die Karten offen legt."
    Ähnlich plädierte auch BDI-Chef Dieter Kempf für einen offenen Umgang. Wer Fehler gemacht habe, sollte sie benennen, sich entschuldigen und sie abstellen, also Verantwortung übernehmen, um endlich Vertrauen zurückzugewinnen, sagte der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie.
    Am späten Vormittag ist unterdessen bekannt geworden, dass die Staatsanwaltschaft München Ermittlungen im Zusammenhang mit der Abgas-Affäre gegenüber Audi-Chef Rupert Stadler eröffnet hat. Beamte durchsuchten die Privatwohnung von Stadler sowie die von einem weiteren namentlich nicht genannten Vorstandsmitglied. Beide werden laut Staatsanwaltschaft demnach seit Ende Mai als Beschuldigte geführt.
    Ihnen wird Betrug sowie "mittelbare Falschbeurkundung" vorgeworfen. Sie sollen Dieselfahrzeuge mit manipulierter Abgasreinigung auf dem europäischen Markt verkauft haben. Das Bundesverkehrsministerium wollte das nicht kommentieren.