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"Dieses Mal ist das Bundesministerium vorgeprescht"

Das Bundesfinanzministerium will den Garantiezins auf Lebensversicherungen senken. Mitte kommenden Jahres soll der Zinssatz von derzeit 2,5 Prozent auf künftig 1,75 Prozent verringert werden. Die Versicherer halten die Umstellung für zu kurzfristig und sind der Ansicht, dass der Garantiezins gar nicht gesenkt werden müsse.

Caspar Dohmen im Gespräch mit Jule Reimer | 23.12.2010
    Jule Reimer: In unserem Berliner Studio begrüße ich meinen Kollegen und Versicherungsexperten Caspar Dohmen. Herr Dohmen, noch ist es nur ein Vorschlag. Wie kommt das Bundesfinanzministerium überhaupt auf diese Idee?

    Caspar Dohmen: Die Höhe des Garantiezinses bei den Lebensversicherungen richtet sich nach der Umlaufrendite öffentlicher Anleihen, und die ist deutlich gesunken. Sie ist zuletzt unter 2,25 Prozent gefallen und sie ist im vergangenen Jahr auch schon mal unter zwei Prozent gefallen. Dies ist die Richtmarke und da ist das BMF jetzt aktiv geworden und deswegen kommt jetzt der Vorschlag, den Garantiezins der Lebensversicherungen zu senken.

    Reimer: Was ist überhaupt der Garantiezins? Was wird wie verzinst bei einer Lebensversicherung?

    Dohmen: Der Garantiezins ist eigentlich das, was jeder Lebensversicherte am Ende der Laufzeit des Vertrages – die laufen ja teilweise über zehn, 20 Jahre – auf jeden Fall ausgezahlt bekommt. Neben dem Garantiezins gibt es dann auch immer noch eine laufende Verzinsung, und die wählt jeder Versicherte individuell und auch immer nur für ein Jahr. Wichtig ist zu wissen, das, was bei einer Lebensversicherung verzinst wird, ist nicht das, was ich jeden Monat meinem Versicherer überweise, zum Beispiel 100 Euro, sondern der Versicherer zieht dann erst mal für Verwaltung oder auch für die Provision, also das, was die Versicherungsverkäufer erhalten, Geld ab, und das variiert so zwischen sieben und 25 Euro, wenn man das mal auf 100 Euro umlegt, und nur das, was übrig bleibt, das wird dann tatsächlich verzinst.

    Reimer: Jetzt sind die Lebensversicherer sauer über diese Ankündigung des Bundesfinanzministeriums. Warum?

    Dohmen: Ja, sie sind ein bisschen verstimmt, und das hat etwas mit der Vorgehensweise, dem Zeitpunkt und auch mit der Höhe dieser Absenkung zu tun. Normalerweise ist es immer so gewesen, dass die Versicherer selbst vorgeschlagen haben, im Frühjahr meistens, wie sich dieser Garantiezins im nächsten Jahr entwickeln soll, und diesmal ist das Bundesfinanzministerium vorgeprescht, und da sind die Versicherer sauer. Außerdem will das BMF voraussichtlich diese Zinssenkung schon Mitte nächsten Jahres, also Anfang Juli 2011, durchführen, und da finden die Versicherer, das ist zu wenig Zeit, um all die Verfahren umzustellen, und eigentlich sind die Versicherer auch der Ansicht, man müsste den Garantiezins gar nicht senken.

    Reimer: Das heißt, die Situation auf dem Anleihemarkt ist ihrer Ansicht nach gar nicht so dramatisch. – Wen betrifft denn diese Absenkung des Garantiezinses, mich mit meinem laufenden Vertrag?

    Dohmen: Nein, Sie betrifft es auf gar keinen Fall, sondern es betrifft immer nur die Leute, die neu einen Vertrag abschließen. Sollte die Bundesregierung das also umsetzen, dann wäre das für all die Leute relevant, die ab Juli kommenden Jahres einen Lebensversicherungsvertrag abschließen.

    Reimer: Die Lebensversicherer müssen jetzt bis zum 14. Januar ihre Stellungnahmen im Bundesfinanzministerium abgeben. Noch ist diese Absenkung ja nur ein Vorschlag und noch nicht Gesetz. Verbraucherschützer mahnen sowieso, man solle sehr kritisch prüfen, welche Versicherungen Otto Normalverbraucher neben einer Haftpflicht- und Krankenversicherung überhaupt braucht. Wenn diese Absenkung des Garantiezinses wahr würde, lohnen sich dann Lebensversicherungen finanziell überhaupt noch?

    Dohmen: Ja, das ist die große Frage, weil wenn man sieht, sagen wir mal man nimmt an, man ist bei einem Versicherer, der 80 Prozent meiner Rate, also 80 Euro von 100 verzinst, und darauf bekomme ich dann nur noch 1,75 Prozent, dann bewege ich mich ja unterhalb oder um die Inflationsrate, und das muss sich wirklich nicht mehr lohnen.

    Reimer: Vielen Dank für diese Informationen von Caspar Dohmen. Danke nach Berlin.