Dirk Müller: Zu viel Stoff, zu viele Prüfungen, zu wenig Zeit. Seit Wochen gehen Zehntausende Studenten auf die Barrikaden, um gegen die Verhältnisse an den deutschen Universitäten zu protestieren. In Bochum beispielsweise räumte gestern die Polizei wieder einen besetzten Hörsaal. Zuvor hatte es sogar Festnahmen gegeben. Proteste gegen die Bachelor- und Master-Studiengänge, die vor genau zehn Jahren in Bologna von den europäischen Bildungsministern beschlossen wurden. Das Ziel: die internationale Vereinheitlichung und Vergleichbarkeit von Studienabschlüssen. Doch an deutschen Hochschulen, so die Kritiker, herrscht längst ein Bildungschaos: Überfüllte Kurse, immer mehr Studenten, immer schlechtere Betreuung, zu viele Studienabbrecher. In Leipzig gestern die Hochschulrektorenkonferenz. Darüber sprechen wollen wir nun mit Professor Christoph Markschies, Präsident der Berliner Humboldt-Universität. Guten Morgen!
Christoph Markschies: Einen wunderschönen guten Morgen!
Müller: Herr Markschies, hören wir uns doch gemeinsam an, was gestern Studenten in Leipzig zu sagen hatten.
"Wir kommen jetzt aus Münster hierher und wir sind hier, um Flagge zu zeigen, um hier klar zu zeigen, dass sie nicht die Stimme der Hochschulen ist."
"Ich kämpfe gegen Studiengebühren, ich kämpfe für eine demokratischere Bildungspolitik, ich kämpfe für eine Stimme der Studierenden und ich kämpfe erst recht dafür, dass diese Stimme auch gehört wird."
Müller: So weit unsere Eindrücke aus Leipzig. – Herr Markschies, irren die Studenten mal wieder?
Markschies: Um Gottes willen! So pauschal sollte man in gar keinem Falle reden. Die Studierenden haben sicher darin recht: Die Hochschulrektorenkonferenz ist, wie der Name schon sagt, zunächst mal die Stimme der Hochschulrektoren, so wie etwa der Zusammenschluss der sächsischen Studierendenschaften auch nicht die sächsischen Hochschulen repräsentiert, sondern die sächsischen Studierendenschaften. Aber natürlich versuchen Hochschulrektoren und Präsidenten, nicht nur für sich selber zu sprechen, sondern für die gesamte Hochschule, und versuchen, ernst zu nehmen, was im Augenblick von Studierenden kritisch vorgebracht wird.
Müller: Was nehmen Sie denn besonders ernst?
Markschies: Ich nehme besonders ernst, dass wir Studiengänge haben, die noch nicht zufriedenstellend organisiert sind. Ich nehme wahr, dass Studierende die Sorge haben, dass im Bologna-System die Anteile der freien Arbeit zugunsten von übervielen Prüfungen gleichsam verschwunden sind. Nun muss man Folgendes sagen: Es gibt an der Humboldt-Universität etwa 250 Bologna-Studiengänge und von denen sind, sagen wir mal, zehn Prozent wirklich schlecht. Die müssen sofort revidiert werden. Aber man darf auch nicht so tun, als ob im Augenblick völliges Chaos herrscht und die deutsche Universität sozusagen gleichsam ins entsetzliche Chaos und Disaster gestürzt ist. Es empfiehlt sich – und so gehört sich das ja auch für eine Universität -, genau zu differenzieren. Das, was schlecht ist, daran muss sofort gearbeitet werden. Aber man muss auch immer sagen, Universität arbeitet eigentlich ständig an der Revision von Studienordnungen. Dort wo Bologna handwerklich schlecht umgesetzt worden ist und noch nicht korrigiert ist, muss etwas geschehen.
Müller: Sie sagen, Herr Markschies, mindestens zehn Prozent bei Ihnen. Sie sind Präsident der Humboldt-Universität in Berlin. Das läuft richtig schlecht, zehn Prozent. Warum ist das so?
Markschies: Das ist deswegen so, weil wir mit dem Bologna-Prozess die größte Umstellung überhaupt hatten. Da ist das gesamte Studium auf ein neues System umgestellt worden, und zwar auf ein System, das eigentlich mehr Geld brauchen würde – deswegen, weil intensivere Betreuung vorausgesetzt war. Wir haben dieses Geld nicht bekommen und deswegen sind einige Studienordnungen tatsächlich nicht besonders gut geraten. Das, muss ich gestehen, finde ich fürchterlich, aber man muss nüchtern sagen, das passiert immer wieder mal und wie gesagt, daran muss energisch gearbeitet werden.
Müller: Wenn Sie, Herr Markschies, mehr Geld aus dem Bildungssystem brauchen, dann hätten Sie sich doch gestern mit den Studenten auf die Straße begeben können.
Markschies: Das tun wir ja auch. Es ist ja keineswegs so, das sieht manchmal so aus und das sah gestern so aus, als ob es einen großen Gegensatz zwischen Studierenden und Hochschulrektoren gibt. Wie gesagt, das mag gestern so ausgesehen haben. In der Forderung, mehr Geld in die Universitäten zu bringen, sind sich Studierende, Professorinnen und Professoren und Hochschulrektoren vollkommen einig.
Müller: Die Chefin der Hochschulrektorenkonferenz, Margret Wintermantel, hat gestern in Leipzig gesagt, die Proteste der Studenten sind unberechtigt. Wenn ich Sie jetzt richtig verstanden habe, liegt Frau Wintermantel da völlig falsch.
Markschies: Das hat Frau Wintermantel nicht gesagt. Frau Wintermantel hat sich zum Teil auch aus den Erfahrungen in Leipzig, wo das etwas konfrontativ war, über Formen des Protestes beschwert. Ich glaube nicht, dass Frau Wintermantel gesagt hat, die Proteste sind unberechtigt, jedenfalls nicht in meinem Beisein. Das sollte man auch nicht sagen. Dort, wo Studierende gegen schlechte Studienordnungen protestieren, haben sie vollkommen recht und dort, wo sie sagen, es ist nicht schnell genug gegangen, haben sie auch vollkommen recht und da besteht gar kein Gegensatz. Und sagen wir mal, dass ein ungeduldiger Student gelegentlich auch mal etwas zornig wird, das wäre gut verständlich. Da würde ich niemals sagen, die sind eine Note zu laut gewesen oder Ähnliches, sondern einfach nur sagen, die erinnern die Professoren daran, dass es zu ihrer Berufsaufgabe gehört, handwerklich gute Studienordnungen zu machen.
Müller: Lässt die Politik die Universitäten im Stich?
Markschies: Das würde ich so generell auch nicht gern sagen. Dass in einer schweren Finanzkrise man mit anderen konkurriert, um das Berliner Beispiel zu nehmen mit Kindergärten, mit der Sanierung von kaputten Straßen, und dass man sich darum kümmern muss, es ist sicher so, dass die Politik nicht genügend gesehen hat, dass bei einer ganz großen Umstellung des Studiensystems auf ein Modell, in dem mehr Professoren intensiver Studierende betreuen, auch mehr Geld da ist. Im Stich gelassen nein. Sie hat noch nicht genügend erkannt, dass sie eine große Umstellung durchgeführt hat und dafür auch mehr Geld geben muss. Auf der anderen Seite muss man sagen, in Berlin – das ist immerhin recht erfreulich – haben wir zum ersten Mal keine großen Kürzungen, sondern wir können das Niveau halten. Also es gibt Entwicklungen und eines der guten Dinge am Studierendenstreik jetzt ist, dass alle darauf hingewiesen werden, dieses Studienmodell Bologna kostet mehr Geld.
Müller: Herr Markschies, jetzt haben Sie gesagt, im Rahmen der Finanzkrise kann man vielleicht von der Politik auch nicht viel mehr erwarten. Sie sind froh, dass nicht gekürzt worden ist. Aber wenn wir zurückblicken, die 80er, die 90er, es gab immer Kritik: überfüllte Kurse, überfüllte Hörsäle, immer mehr Studenten, auch die Betreuung ist immer schlechter geworden. Es hat sich also im Grunde nichts geändert, die deutschen Universitäten sind keine guten Universitäten.
Markschies: Das ist jetzt sehr happig formuliert. Verzeihung, aber das wird man so nicht sagen können. Trotz Unterfinanzierung haben wir in Deutschland eine hervorragende und an einzelnen Stellen absolut herausragende Universitätsausbildung. Wir wären viel, viel besser, wenn wir die Betreuungsverhältnisse von Professoren zu Studierenden hätten, die in anderen Ländern üblich sind. Das muss man leider nüchtern dazu sagen.
Müller: Also ist es besser für einen Studenten, im Ausland zu studieren?
Markschies: Wenn man nur auf die Betreuungsverhältnisse guckt, ja. Glücklicherweise haben wir so wunderbare Professorinnen und Professoren bis hin zu Nobelpreisträgern, dass man sagen kann, auch unter deutschen Verhältnissen kann man ganz herausragend gut und zum Teil besser als im Ausland studieren. Aber man muss ganz nüchtern sagen: Universitäten bemühen sich, trotz der schwierigen Finanzverhältnisse mindestens in einigen Bereichen das hinzubringen, und so hat jede deutsche Universität ihre besonderen Fächer, in denen fast so gute Betreuungsverhältnisse wie im Ausland herrschen. Also wie gesagt, ich würde immer gerne für Differenzierung votieren. Es gibt sicher völlig überfüllte Kurse, völlig ruinierte Hörsäle, wo man auf dem Fußboden sitzt. Es gibt aber auch schon sehr gute und wir kämpfen jetzt alle miteinander gemeinsam für mehr Geld.
Müller: Herr Markschies, Sie haben für viele Seiten Verständnis. Sie sagen, die Politik ist nicht so richtig schuld, auch die Universitäten bemühen sich. Aber was fordern Sie jetzt konkret von der Politik, die Studiengebühren doch beizubehalten, oder gegebenenfalls auch zu beschließen?
Markschies: Was fordere ich konkret? ... , dass jeder seine Hausaufgaben macht, wir als Universitäten gute Studienordnungen anbieten, die Politik uns ausreichend alimentiert. Das Thema Studiengebühren, da liegen ja alle Argumente auf dem Tisch. Studiengebühren sind dann möglich und sinnvoll, wenn es ein gutes Stipendiensystem gibt. Für Berlin, wo ich zuständig bin, stellt sich die Frage gar nicht. Da sind Studiengebühren durch Landesrecht verboten. Studiengebühren dürfen sie dann erheben, wenn es ein wirklich gutes Studien- und Stipendiensystem gibt, in dem Leute, die aus einfacheren Kreisen kommen – wir haben wenig einfache soziale Schichten in unseren Universitäten -, nicht abgeschreckt werden und es ausreichend Stipendien für diesen Bereich gibt.
Müller: Also in Berlin soll das auch so bleiben, keine Studiengebühren, wenn ich Sie richtig verstanden habe?
Markschies: Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich in Berlin die politischen Verhältnisse so ändern, dass die Frage sich überhaupt stellt.
Müller: Aber es würde Ihnen weiterhelfen bei der finanziellen Sanierung der Hochschulen?
Markschies: Ja. Man kann natürlich völlig utopische Wünsche verfolgen. Uns geht es zunächst mal einfach darum, dass nach welchem Finanzierungssystem auch immer die Universitäten das Geld haben, die Studiengänge, die sie eingeführt haben, auch gut finanzieren zu können.
Müller: Herr Markschies, wir haben es alle mitbekommen, unsere Hörer auch: Sie warten auf Ihren Flug. Der Flieger hat Sie schon aufgerufen. Wir müssen Sie aufgrund dessen jetzt leider entlassen. – Professor Christoph Markschies, Präsident der Berliner Humboldt-Universität, bei uns im Deutschlandfunk. Vielen Dank für das Gespräch, auf Wiederhören und guten Flug.
Markschies: Einen wunderschönen guten Morgen, auf Wiederhören, danke!
Christoph Markschies: Einen wunderschönen guten Morgen!
Müller: Herr Markschies, hören wir uns doch gemeinsam an, was gestern Studenten in Leipzig zu sagen hatten.
"Wir kommen jetzt aus Münster hierher und wir sind hier, um Flagge zu zeigen, um hier klar zu zeigen, dass sie nicht die Stimme der Hochschulen ist."
"Ich kämpfe gegen Studiengebühren, ich kämpfe für eine demokratischere Bildungspolitik, ich kämpfe für eine Stimme der Studierenden und ich kämpfe erst recht dafür, dass diese Stimme auch gehört wird."
Müller: So weit unsere Eindrücke aus Leipzig. – Herr Markschies, irren die Studenten mal wieder?
Markschies: Um Gottes willen! So pauschal sollte man in gar keinem Falle reden. Die Studierenden haben sicher darin recht: Die Hochschulrektorenkonferenz ist, wie der Name schon sagt, zunächst mal die Stimme der Hochschulrektoren, so wie etwa der Zusammenschluss der sächsischen Studierendenschaften auch nicht die sächsischen Hochschulen repräsentiert, sondern die sächsischen Studierendenschaften. Aber natürlich versuchen Hochschulrektoren und Präsidenten, nicht nur für sich selber zu sprechen, sondern für die gesamte Hochschule, und versuchen, ernst zu nehmen, was im Augenblick von Studierenden kritisch vorgebracht wird.
Müller: Was nehmen Sie denn besonders ernst?
Markschies: Ich nehme besonders ernst, dass wir Studiengänge haben, die noch nicht zufriedenstellend organisiert sind. Ich nehme wahr, dass Studierende die Sorge haben, dass im Bologna-System die Anteile der freien Arbeit zugunsten von übervielen Prüfungen gleichsam verschwunden sind. Nun muss man Folgendes sagen: Es gibt an der Humboldt-Universität etwa 250 Bologna-Studiengänge und von denen sind, sagen wir mal, zehn Prozent wirklich schlecht. Die müssen sofort revidiert werden. Aber man darf auch nicht so tun, als ob im Augenblick völliges Chaos herrscht und die deutsche Universität sozusagen gleichsam ins entsetzliche Chaos und Disaster gestürzt ist. Es empfiehlt sich – und so gehört sich das ja auch für eine Universität -, genau zu differenzieren. Das, was schlecht ist, daran muss sofort gearbeitet werden. Aber man muss auch immer sagen, Universität arbeitet eigentlich ständig an der Revision von Studienordnungen. Dort wo Bologna handwerklich schlecht umgesetzt worden ist und noch nicht korrigiert ist, muss etwas geschehen.
Müller: Sie sagen, Herr Markschies, mindestens zehn Prozent bei Ihnen. Sie sind Präsident der Humboldt-Universität in Berlin. Das läuft richtig schlecht, zehn Prozent. Warum ist das so?
Markschies: Das ist deswegen so, weil wir mit dem Bologna-Prozess die größte Umstellung überhaupt hatten. Da ist das gesamte Studium auf ein neues System umgestellt worden, und zwar auf ein System, das eigentlich mehr Geld brauchen würde – deswegen, weil intensivere Betreuung vorausgesetzt war. Wir haben dieses Geld nicht bekommen und deswegen sind einige Studienordnungen tatsächlich nicht besonders gut geraten. Das, muss ich gestehen, finde ich fürchterlich, aber man muss nüchtern sagen, das passiert immer wieder mal und wie gesagt, daran muss energisch gearbeitet werden.
Müller: Wenn Sie, Herr Markschies, mehr Geld aus dem Bildungssystem brauchen, dann hätten Sie sich doch gestern mit den Studenten auf die Straße begeben können.
Markschies: Das tun wir ja auch. Es ist ja keineswegs so, das sieht manchmal so aus und das sah gestern so aus, als ob es einen großen Gegensatz zwischen Studierenden und Hochschulrektoren gibt. Wie gesagt, das mag gestern so ausgesehen haben. In der Forderung, mehr Geld in die Universitäten zu bringen, sind sich Studierende, Professorinnen und Professoren und Hochschulrektoren vollkommen einig.
Müller: Die Chefin der Hochschulrektorenkonferenz, Margret Wintermantel, hat gestern in Leipzig gesagt, die Proteste der Studenten sind unberechtigt. Wenn ich Sie jetzt richtig verstanden habe, liegt Frau Wintermantel da völlig falsch.
Markschies: Das hat Frau Wintermantel nicht gesagt. Frau Wintermantel hat sich zum Teil auch aus den Erfahrungen in Leipzig, wo das etwas konfrontativ war, über Formen des Protestes beschwert. Ich glaube nicht, dass Frau Wintermantel gesagt hat, die Proteste sind unberechtigt, jedenfalls nicht in meinem Beisein. Das sollte man auch nicht sagen. Dort, wo Studierende gegen schlechte Studienordnungen protestieren, haben sie vollkommen recht und dort, wo sie sagen, es ist nicht schnell genug gegangen, haben sie auch vollkommen recht und da besteht gar kein Gegensatz. Und sagen wir mal, dass ein ungeduldiger Student gelegentlich auch mal etwas zornig wird, das wäre gut verständlich. Da würde ich niemals sagen, die sind eine Note zu laut gewesen oder Ähnliches, sondern einfach nur sagen, die erinnern die Professoren daran, dass es zu ihrer Berufsaufgabe gehört, handwerklich gute Studienordnungen zu machen.
Müller: Lässt die Politik die Universitäten im Stich?
Markschies: Das würde ich so generell auch nicht gern sagen. Dass in einer schweren Finanzkrise man mit anderen konkurriert, um das Berliner Beispiel zu nehmen mit Kindergärten, mit der Sanierung von kaputten Straßen, und dass man sich darum kümmern muss, es ist sicher so, dass die Politik nicht genügend gesehen hat, dass bei einer ganz großen Umstellung des Studiensystems auf ein Modell, in dem mehr Professoren intensiver Studierende betreuen, auch mehr Geld da ist. Im Stich gelassen nein. Sie hat noch nicht genügend erkannt, dass sie eine große Umstellung durchgeführt hat und dafür auch mehr Geld geben muss. Auf der anderen Seite muss man sagen, in Berlin – das ist immerhin recht erfreulich – haben wir zum ersten Mal keine großen Kürzungen, sondern wir können das Niveau halten. Also es gibt Entwicklungen und eines der guten Dinge am Studierendenstreik jetzt ist, dass alle darauf hingewiesen werden, dieses Studienmodell Bologna kostet mehr Geld.
Müller: Herr Markschies, jetzt haben Sie gesagt, im Rahmen der Finanzkrise kann man vielleicht von der Politik auch nicht viel mehr erwarten. Sie sind froh, dass nicht gekürzt worden ist. Aber wenn wir zurückblicken, die 80er, die 90er, es gab immer Kritik: überfüllte Kurse, überfüllte Hörsäle, immer mehr Studenten, auch die Betreuung ist immer schlechter geworden. Es hat sich also im Grunde nichts geändert, die deutschen Universitäten sind keine guten Universitäten.
Markschies: Das ist jetzt sehr happig formuliert. Verzeihung, aber das wird man so nicht sagen können. Trotz Unterfinanzierung haben wir in Deutschland eine hervorragende und an einzelnen Stellen absolut herausragende Universitätsausbildung. Wir wären viel, viel besser, wenn wir die Betreuungsverhältnisse von Professoren zu Studierenden hätten, die in anderen Ländern üblich sind. Das muss man leider nüchtern dazu sagen.
Müller: Also ist es besser für einen Studenten, im Ausland zu studieren?
Markschies: Wenn man nur auf die Betreuungsverhältnisse guckt, ja. Glücklicherweise haben wir so wunderbare Professorinnen und Professoren bis hin zu Nobelpreisträgern, dass man sagen kann, auch unter deutschen Verhältnissen kann man ganz herausragend gut und zum Teil besser als im Ausland studieren. Aber man muss ganz nüchtern sagen: Universitäten bemühen sich, trotz der schwierigen Finanzverhältnisse mindestens in einigen Bereichen das hinzubringen, und so hat jede deutsche Universität ihre besonderen Fächer, in denen fast so gute Betreuungsverhältnisse wie im Ausland herrschen. Also wie gesagt, ich würde immer gerne für Differenzierung votieren. Es gibt sicher völlig überfüllte Kurse, völlig ruinierte Hörsäle, wo man auf dem Fußboden sitzt. Es gibt aber auch schon sehr gute und wir kämpfen jetzt alle miteinander gemeinsam für mehr Geld.
Müller: Herr Markschies, Sie haben für viele Seiten Verständnis. Sie sagen, die Politik ist nicht so richtig schuld, auch die Universitäten bemühen sich. Aber was fordern Sie jetzt konkret von der Politik, die Studiengebühren doch beizubehalten, oder gegebenenfalls auch zu beschließen?
Markschies: Was fordere ich konkret? ... , dass jeder seine Hausaufgaben macht, wir als Universitäten gute Studienordnungen anbieten, die Politik uns ausreichend alimentiert. Das Thema Studiengebühren, da liegen ja alle Argumente auf dem Tisch. Studiengebühren sind dann möglich und sinnvoll, wenn es ein gutes Stipendiensystem gibt. Für Berlin, wo ich zuständig bin, stellt sich die Frage gar nicht. Da sind Studiengebühren durch Landesrecht verboten. Studiengebühren dürfen sie dann erheben, wenn es ein wirklich gutes Studien- und Stipendiensystem gibt, in dem Leute, die aus einfacheren Kreisen kommen – wir haben wenig einfache soziale Schichten in unseren Universitäten -, nicht abgeschreckt werden und es ausreichend Stipendien für diesen Bereich gibt.
Müller: Also in Berlin soll das auch so bleiben, keine Studiengebühren, wenn ich Sie richtig verstanden habe?
Markschies: Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich in Berlin die politischen Verhältnisse so ändern, dass die Frage sich überhaupt stellt.
Müller: Aber es würde Ihnen weiterhelfen bei der finanziellen Sanierung der Hochschulen?
Markschies: Ja. Man kann natürlich völlig utopische Wünsche verfolgen. Uns geht es zunächst mal einfach darum, dass nach welchem Finanzierungssystem auch immer die Universitäten das Geld haben, die Studiengänge, die sie eingeführt haben, auch gut finanzieren zu können.
Müller: Herr Markschies, wir haben es alle mitbekommen, unsere Hörer auch: Sie warten auf Ihren Flug. Der Flieger hat Sie schon aufgerufen. Wir müssen Sie aufgrund dessen jetzt leider entlassen. – Professor Christoph Markschies, Präsident der Berliner Humboldt-Universität, bei uns im Deutschlandfunk. Vielen Dank für das Gespräch, auf Wiederhören und guten Flug.
Markschies: Einen wunderschönen guten Morgen, auf Wiederhören, danke!