Die letzte Vorkehrung am Abend vor meinem 5-tägigen Selbstversuch war es, mir einen alten Glockenwecker auszuleihen. Denn – ich hatte eine Auszeit von ALLEN digitalen Geräten vor mir. Laptop, Digitalradio, Smart-TV, mein sprachgesteuerter Hausroboter und vor allem mein Smartphone sollten im Entzug konsequent gestrichen werden. Je näher der Tag X rückte, desto mehr sank die Begeisterung. Ausgerechnet ich! Anfang der 90er geboren, bin ich mit dem Internet und sozialen Netzwerken groß geworden. Ich bin eine stolze Digital Native und permanent online. Doch ich wollte wissen, ob ich auch analog zurecht komme. Und dann begann er – mein Digtal Detox.
Ein eigenartiges Gefühl tat sich auf, als ich nach dem Aufwachen nicht zu allererst auf mein Smartphone schauen konnte. "Da muss ich jetzt durch", dachte ich und begann den Tag.
Inszenierung des Privatlebens für soziale Medien
Doch schon bei der Zubereitung des Frühstücks machte ich eine erschreckende Beobachtung: Selenruhig richtete ich mein Frühstücks stilvoll an: Ich drapierte die Bananenscheibchen im perfekten Bogen der Schüssel um das Müsli und vollendete diesen ästhetischen Anblick mit einer Honigspur in Herzform – alles nur, um mich im nächsten Moment zu entsinnen, dass ich gar kein Foto davon aufnehmen und dieses erst recht nicht im sozialen Netzwerk teilen konnte. Mir wurde schlagartig bewusst, dass ich normalerweise mein Privatleben absichtlich inszeniere und ein wenig hübscher darstelle, nur um damit online zu prahlen. Und nicht nur das – Ich habe bemerkt, wie normalerweise meine ganze Wahrnehmung der Umwelt direkt daran gekoppelt ist, die Tauglichkeit für soziale Netzwerke zu überprüfen. Wenn ich etwa an einem sonnigen Frühlingstag einen blühenden Baum bestaune, spielt sich gleichzeitig ein Bewertungssystem in meinem Kopf ab mit der Frage, ob es sich wohl lohnen würde, ein Foto davon online zu posten. So tief in mein natürliches Denken sind Soziale Medien also bereits eingedrungen. Nachdenklich über diese Erkenntnis war ich umso neugieriger, was ich noch beobachten würde. Und schon vom ersten Abend an war ich frustriert: Ich konnte keine Serien oder Filme streamen und ganz entscheidend: Ich hatte keine Möglichkeit mehr, meine geliebte Musik zu hören und so kehrte vorübergehend Stille in mein Leben ein.
Praktischer Nutzen von Smartphones
Ich bekam zu spüren, dass online alles schneller geht: Meine Rechnungen kamen zwar per Brief, sie per Überweisungsträger in der Bankfiliale zu bezahlen, dauerte allerdings erheblich länger als per Online Banking. Um mich zu orientieren, versuchte ich erfolglos in der nächsten Buchhandlung einen Stadtplan zu kaufen und so musste ich, statt wie gewohnt per GPS zu navigieren, Passanten nach dem Weg fragen, was offenbar nicht oft vorkommt:
"Also jemand in Ihrem Alter sowieso nicht. Wenn, dann fragt eher jemand älteres, aber ich glaube, von jemandem jüngeren bin ich noch nie gefragt worden nach dem Weg."
Zum Ziel kam ich dank seiner Beschreibung.
Analoge Einsamkeit
Zugegebenermaßen tat mir der Kontakt zu anderen Menschen ohnehin gut, denn das traurigste an meinem Selbsttest war wohl die Einsamkeit. Vor dem Experiment habe ich meinen knapp tausend Followern auf Instagram angekündigt, dass ich in der nächsten Zeit offline sein würde und auf Anfrage meine Festnetztelefonnummer herausgebe. Doch nur eine Person fragte danach. Eine traurige Bilanz, die mir gezeigt hat, dass ich für meine Online Kontakte scheinbar nur eine von vielen bin. Mich riefen während des Selbsttests nur drei Personen an, zwei davon Familienmitglieder. Eine ziemliche Umstellung – wo ich doch normalerweise online mit täglich über 20 Kontakten und in etwa 15 Gruppen kommuniziere. Könnte man sich heutzutage in endgültiger Digital-Abstinenz überhaupt um die Bindung zu den Liebsten kümmern? Meine Freundin ist skeptisch:
"Um eine Freundschaft zu pflegen, wäre es in meinen Augen schwierig, weil man sich ja nicht wirklich viel zwischendurch schreiben kann, keine Bilder und Videos schicken kann, aber es wäre ja ihre eigene Entscheidung und dann würde sie sich ja dafür entscheiden, die Freundschaft nicht pflegen zu wollen."
Zeit für mich
Ich habe mich durchaus abgeschottet und einsam gefühlt. Andererseits war ich niemandem eine Antwort auf eine Nachricht schuldig und nicht unter dem ständigen Kommunikationsdruck, der mir normalerweise merklich Stress bereitet. Vielmehr konnte ich mich während meines Digitalentzugs auf mich selbst konzentrieren. So hatte ich auffällig viel Zeit für Bücher, Schlaf und die Natur. Am Ende meines analogen Experiments kehre ich schließlich mit der Beantwortung von 93 Whatsapp-Nachrichten, 34 Emails, und 47 Benachrichtigungen aus sozialen Medien zurück in mein digitales Leben.