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Digital Services Act und Digital Markets Act
Die EU will die Internet-Konzerne in den Griff bekommen

Wie kann man von einem Messenger zu einem anderen umziehen? Nach welchen Regeln werden Internet-Postings gelöscht? Was wird Usern in ihren Social-Media-Feeds und Such-Ergebnissen angezeigt, was nicht? Beim Gesetzespaket der EU-Kommission geht es um Verbraucherschutz - vor allem aber um fairen Wettbewerb.

Von Achim Killer |
Die EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager spricht über die Milliardenstrafe gegen Google.
Bei den "Big Playern" der IT-Branche - den US-Firmen Google, Apple, Facebook, Amazon und Microsoft - gilt EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager als "Staatsfeind Nr. 1" (AFP / JOHN THYS)
Vorgestellt hat die EU-Kommission ihre Pläne zum "Digital Services Act" und "Digital Markets Act" bereits im Dezember 2020. Nun sind die Entwürfe so weit, dass sie im EU-Parlament beraten werden. Die Vision bei dem Regulierungsvorhaben: Mehr Transparenz und Interoperabilität von Software und Services. Und das bezieht sich auch auf so populäre "Digital Services" wie die Internet-Suche, Messenger-Dienste und App-Stores.
Dabei unterscheidet der Entwurf der Kommission zwischen kleinen Dienste-Anbietern und so genannten "Gatekeepern", wie Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager bei der Vorstellung des Gesetzespakets erläuterte:
"Während der Digital Services Act für alle gilt, unabhängig von ihrer Stellung im Markt, betrifft der Digital Markets Act besonders die, die wir Gatekeeper nennen. Sie werden durch die Rolle definiert, die sie im Markt spielen."
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Marktmacht verpflichtet

Gatekeeper vermitteln nach der Definition des Gesetzesentwurfs zwischen einer Vielzahl von Anbietern und einer noch größeren Zahl von Nutzern. Mindestens 45 Millionen müssen es sein, die den Dienst eines Gatekeepers mindestens einmal pro Monat aufrufen. Gatekeeper dürfen eigene Angebote nicht besser positionieren als die der Konkurrenz - beispielsweise bei der Anzeige von Suchergebnissen. Und für sie sollen spezielle Transparenzpflichten gelten. Margrethe Vestager:
"Plattformen müssen uns sagen, wie ihre Algorithmen arbeiten, nach welchen Kriterien ihre Empfehlungssysteme Inhalte auswählen, die uns angezeigt werden. Sie müssen ihre Algorithmen nicht offenlegen, aber uns eine bessere Vorstellung darüber geben, wer uns beeinflusst. Und wir müssen wählen können, ob wir dem vertrauen oder nicht."
Mehr Transparenz soll es auch geben, wenn soziale Netzwerke strafbare Posts löschen. Das regelt der Digital Services Act so: "Digitale Plattformen werden verpflichtet, illegale Inhalte schnell zu entfernen. Aber gleichzeitig müssen sie den Nutzern erklären, warum die Inhalte gelöscht wurden. Und ihm oder ihr eine Beschwerdemöglichkeit geben."
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Haftungsprivileg soll erhalten bleiben

Zufrieden ist die EU-Internet-Wirtschaft damit, dass ihr das Haftungsprivileg erhalten bleibt. Das erklärt Marie Anne Nietan vom deutschen Branchenverband Bitkom. Plattformen können auch künftig nicht wegen Inhalten zur Verantwortung gezogen werden, die ihre Nutzerinnen und Nutzer hochladen, den Betreibern der Plattform aber unbekannt sind:
"Das ist aus unserer Sicht ein sehr wichtiges Prinzip, weil es natürlich für Anbieter von Plattformen, von Diensten, nahezu unmöglich ist, alle Inhalte, die irgendwelche NutzerInnen bei ihnen hochladen, zu kontrollieren. Natürlich ist es klar, wenn sie darauf hingewiesen werden, müssen sie handeln, und zwar auch schnell und unverzüglich. Aber eben nicht eine pauschale Haftung, so dass sie alles im Blick haben müssten, was auf den Plattformen passiert, was eben schlicht nicht leistbar ist."

Fällt das "App Store"-Monopol?

Die Umsetzung des sogenannten Interoperabilitätsprinzips wiederum könnte bedeuten, dass Messenger-Dienste zusammenarbeiten müssten. Darauf drängt vor allem die deutsche Bundesregierung. Apple könnte außerdem verpflichtet werden, Sideloading auf dem iPhone zuzulassen. Dann wäre der herstellereigene "App Store" nicht mehr die exklusive Möglichkeit, Software für diese Geräte zu laden. Und Android-User hätten es leichter, vorinstallierte, aber unerwünschte Apps zu deinstallieren.
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Beim Branchenverband Bitkom freut man sich über neue Marktchancen für die Mitgliedsunternehmen - und sorgt sich gleichzeitig vor verstärkter Konkurrenz: "Grundsätzlich ist es ja so, dass der Innovationsanreiz für Unternehmen zur Entwicklung neuer Funktionen auch innerhalb ihrer Dienste selbstverständlich in erster Linie darin besteht, die Nutzer zu binden. Und wenn jetzt eben innovative Ideen, die entwickelt werden, für die eigenen Mitbewerber auch bereitgestellt werden müssten im Sinne von Interoperabilitätsanforderungen, entfallen diese Anreize natürlich."
Die Debatte im EU-Parlament und der weitere Gesetzgebungsprozess dürfte sich allerdings noch jahrelang hinziehen - nicht zuletzt aufgrund der intensiven Lobby-Bemühungen der großen IT-Konzerne. Der Druck auf die "Big Player" Google, Apple, Facebook, Amazon und Microsoft wächst jedenfalls global - und selbst in den USA laufen parteiübergreifende Gesetzesinitiativen, die sich von den Plänen der EU-Kommission nicht groß unterscheiden.