Big Data, künstliche Intelligenz oder das Internet der Dinge sind Teil unseres Berufs- und Alltagslebens geworden. Dabei geht es um Unmengen von Daten. Wer nicht weiß, wie sie gesammelt, wozu sie genau verwendet werden, wer ihren Einsatz nicht bewerten und mündig mit Daten umgehen kann, könnte über kurz oder lang in abgehängt sein.
Grundvoraussetzung und Grundkompetenz für Teilhabe
Deshalb hat der Stifterverband am Monatg (01.02.20) eine Data-Literacy-Charta veröffentlicht. Die Charta will dazu beitragen, dass alle Menschen Datenkompetenz erwerben, lebenslang. Volker Meyer-Guckel, stellvertretender Generalsekretär des Stifterverbandes, erläuterte die Ziele der Charta im Dlf.
Thekla Jahn: Weshalb braucht es die Data-Literacy-Charta des Stifterverbandes? Bewusstsein für die Bedeutung von Datenkompetenz ist ja, vermute ich mal, bereits überall vorhanden.
Volker Meyer-Guckel: Das Bewusstsein sicherlich, aber die Frage, wie man das dann vermittelt, und zwar die Grundkompetenz, die in dem Wort Literacy steckt, also das Lesen, Schreiben und Anwenden, das bedeutet ja dieses Wort Literacy. Und genauso wie Lesen, Schreiben und Rechnen Grundkompetenzen sind, die einfach zur Bildung gehören, damit man gesellschaftliche Teilhabe betreiben kann, so gehört in einer digital und datengetriebenen Welt der Umgang mit Daten und das Wissen darüber, was und wie man damit umgehen soll. Das ist – und da sehen Sie die Parallelität zu diesen Grundkompetenzen Lesen, Schreiben, Rechnen – eigentlich eine Kompetenz, für die es ja kein Fach gibt im eigentlichen Sinne. Abgesehen von der Grundschule, wo es noch das Lesen und Schreiben als Fach gibt, ist das etwas, was in jeder Disziplin irgendwie vermittelt wird, aber man braucht auch ein gemeinsames Verständnis darüber, was eigentlich die Grundvoraussetzungen und Grundkompetenzen sind, die man braucht, um in dieser Gesellschaft teilhaben zu können.
Schule, Hochschule, Volkshochschule, Unternehmen
Jahn: Und weshalb setzt sich nun der Stifterverband drauf mit dieser Data-Literacy-Charta?
Meyer-Guckel: Weil wir glauben, dass es für die einzelnen Bildungsinstitutionen und natürlich auch in den nonformalen Bildungsprozessen ein gemeinsames Verständnis darüber geben muss, was will ich eigentlich in meiner Organisation vermitteln, also in Schule, in Hochschule, in Volkshochschulen und anderen Bildungsorten, auch in Unternehmen: Was brauchen die Menschen, um mit Daten umzugehen, um zu wissen, was ich mit den Daten machen kann, wie ich mit den Daten Welt abbilden kann, was ich damit darf und was ich damit soll. Das sind die verschiedenen Dimensionen, die wir auch in unserer Charta abbilden.
Jahn: Was folgt nun aus der Charta – also schöne Worte, die sind das eine, aber wo sind die Taten, also was folgt daraus?
Meyer-Guckel: Was wir bislang erleben, ist, glaube ich, dass in einzelnen Disziplinen natürlich der Umgang mit Daten vermittelt wird, das ist ja klar – in den Ingenieurwissenschaften, in der Mathematik, in der Statistik, in der Informatik und natürlich auch in geistes- und sozialwissenschaftlichen Fächern. Die Frage ist, wie verteilt man diese Schlüsselkompetenzen eigentlich auf die verschiedenen Disziplinen, sodass sie am Ende eine Grundkompetenz ergeben. Ich glaube, diesen Diskurs innerhalb von Bildungsinstitutionen hat es bisher noch nicht gegeben zwischen den Fächern, jedenfalls nicht so, wie man sich das eigentlich vorstellen müsste. Deshalb tun sich beispielsweise auch die Hochschulen noch schwer, zu überlegen, ist das jetzt eigentlich eine Sache, die wir in den Disziplinen mit Lernmodulen verankern oder zwischen den Disziplinen, also ist das etwas Trans- und Interdisziplinäres und wie verhält sich das zu dem, was in den einzelnen Disziplinen vermittelt wird. Ich glaube, dazu bedarf des einer Klärung zwischen den Disziplinen, aber auch einer pädagogisch-didaktischen Klärung.
"Data Literacy muss allen Menschen zugänglich sein"
Jahn: Sie sprechen jetzt die Hochschulen an, das ist ja nicht der erste Ort, wo man vermutlich mit der Datenkompetenz beginnen muss. Ich vermute, es muss eigentlich schon in der Kita damit begonnen werden.
Meyer-Guckel: Das ist gewissermaßen der Paragraf 1 unserer Charta, der besagt, Data Literacy muss allen Menschen zugänglich sein. Sie haben völlig recht, das ist keine Sache, die den Akademikern vorbehalten ist, jeder Mensch muss diesen Umgang damit lernen – nicht in einzelnen Vertiefungsgraden, das müssen die Bildungsinstitutionen selber voneinander abgrenzen, aber die Grundkompetenz muss von allen erworben werden. Und das ist, glaube ich, ganz wichtig, dass man das noch mal betont. Es darf kein Privileg von wenigen sein, die sich irgendwie mit Programmieren oder mit der Anwendung von Daten im Beruf auskennen, sondern es muss ein Grundverständnis bei allen Menschen vorhanden sein.
Jahn: Was ist Ihr Ziel, wann wären Sie zufrieden, wenn was erreicht ist?
Meyer-Guckel: Na ja, zunächst, glaube ich, hilft es, dieses Papier, das im Grunde genommen ja auch nicht abgeschlossen ist, als Grundlage für Diskussionen zu nehmen, innerhalb der Bildungseinrichtungen. Der Volkshochschulverband hat es beispielsweise unterschrieben, einige Hochschulen, Leibniz-Institut ist dabei, also die einzelnen Institutionen gehören zu den ersten Unterzeichnern – übrigens auch der Bund katholischer Unternehmer, das heißt, auch Unternehmen machen sich Gedanken darüber, wie können wir das in unseren Unternehmen und Verbänden vermitteln, in unseren Weiterbildungsaktivitäten beispielsweise, und was brauchen wir als Grundkompetenzen, die jeder Arbeitnehmer auch mitbringen sollte. Wenn diese Charta ein erster Anstoß ist zu einem organisationsübergreifenden Verständnis darüber, dann haben wir, glaube ich, ein Ziel erreicht.
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