Digitalisierung bestimmt vor allem auch in Coronazeiten unsere Lebenswelt. Doch nicht nur in Arbeitszusammenhängen hat die Mediennutzung stark zugenommen, sondern auch im Alltag. Der ständige Blick aufs Handy ist für viele normal geworden. Die Medienforscherin Sabria David hält diesen reflexhaften Umgang jedoch für falsch. Dadurch verschwänden Momente des Leerlaufs im Alltag, sagte sie Dlf. Doch genau die seien physiologisch, also für das vegetative Nervensystem wichtig – gelegentliche Langeweile und Nichtstun dementsprechend etwas Gutes.
"Nicht immer verfügbar sein"
Das Verhältnis von Mensch und Technik habe sich im Laufe der Zeit verändert, so Sabria David. Während man früher die Technik erst mal zum Laufen bringen musste, funktioniere sie heute eher reibungslos und nun gehe es eher darum, sie auch mal auszuschalten, sich zu entziehen, zu bremsen und zu priorisieren. "Und das sind alles Kulturtechniken, die mit der Technik nicht direkt mitgeliefert werden. Die müssen wir erst erlernen und uns bewusst machen", sagte die Medienforscherin.
"Ein sozialer Suchimpuls, der uns ins Netz zieht"
Doch nicht immer verfügbar zu sein, widerspreche zunächst dem Urbedürfnis des Menschen, bei den anderen zu sein, um zu überleben. Der Mensch sei schon immer ein soziales Wesen gewesen: Auch der Höhlenmenschen hatte "diese Angst, morgens auf der Waldlichtung aufzuwachen, und schaut sich um und alle anderen sind weg".
Diese Angst entspreche ein bisschen dem heutigen Gefühl, in der digitalen Welt als einziger etwas zu verpassen und sozial nicht überleben zu können. Wir suchten Nähe, Kontakt und Bindungen - doch dieses Bedürfnis werde nicht wirklich befriedigt. Wenn wir nicht die Balance hätten, uns auch zu spüren, beziehungsweise unsere Existenz wahrnehmen könnten, ohne eine Bestätigung aus dem Netz, zeuge das von großer Verunsicherung. In der heutigen Gesellschaft fühlten sich sehr viele entfremdet und auch entkoppelt von größeren Zusammenhängen, wo man nach Bestätigung suche. Und gerade die sozialen Medien triggerten diese Bedürfnisse, beispielsweise mit dem Herzchensymbol.
Souveräne Mediennutzung üben
Für wichtig erachtet Sabria David, die Plattformen - die ja prinzipiell viel Gutes hätten – nicht über sich bestimmen zu lassen, sondern selbst souverän mit den Medien umzugehen. Wir sollten bewusst entscheiden, wann wir Verbindung zu anderen aufnehmen und wann wir uns auch wieder herausziehen wollten – und zwar ohne das Gefühl zu haben, etwas zu verpassen oder eine Empfindung von Zwang. Selbstbestimmt, nicht reflexhaft, sondern reflektiert – mit einem solchen Umgang könne man das Gute nutzen, ohne sich abhängig zu machen. Und das müsse man üben, indem man sich beispielsweise vornehme, jeden Tag ein paar Lücken zu lassen und der Versuchung zu widerstehen, bei jeder Gelegenheit zum Handy zu greifen.