Prof. Gerd Hasenfuß, der 1. Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin, ist sich absolut sicher: "Digitale Medizin ist ein ganz wichtiges Thema, ein ganz großes Thema, das ein breites Spektrum von Facetten umspannt." Vieles davon ist noch Zukunftsmusik, anderes unausgereift und unkontrolliert. Aber es gibt auch positive Entwicklungen, beschreibt Prof. Gerd Hasenfuß: "Die Telemedizin, zur Überwachung von Diagnose oder in erster Linie Therapie und da sind in den letzten Jahren große Fortschritte erzielt worden, insbesondere auf dem Gebiet der Kardiologie."
Ein Beispiel: Ein Drucksensor, der über einen Katheter in die Lunge eingesetzt wird, dort den Druck misst und diese Werte an ein telemedizinisches System außerhalb des Körpers sendet. So erhält der Arzt wichtige Informationen über das Herz. Gerd Hasenfuß erläutert, wieso ein Drucksensor in der Lunge Auskunft über das Herz gibt: "Die Lungengefäße kommen ja aus dem rechten Herzen und gehen ins linke Herz und wenn ein Rückstau aus dem linken Herz entsteht, steigt der Druck in den Lungengefäßen an. Und das kann der Sensor messen."
Bisher wird der Drucksensor nur im Rahmen von Studien eingesetzt – aber mit Erfolg: "Es konnte gezeigt werden, dass unter Zuhilfenahme dieser Druckdaten die Behandlung dieser Patienten verbessert werden kann und die Wahrscheinlichkeit einer Notwendigkeit einer Krankenhausbehandlung deutlich reduziert werden konnte."
Frühwarnsystem: Patientenüberwachung von zu Hause
Ein anderes Beispiel für Telemedizin setzt Professor Friedrich Köhler, Kardiologe an der Charité Berlin, ein. Er lässt Patienten, die wegen einer Wassereinlagerung in der Lunge im Krankenhaus behandelt wurden, nach ihrer Entlassung zu Hause telemedizinisch betreuen.
"Die Patienten haben zu Hause quasi ein Frühwarnsystem, bestehend aus einfach zu bedienenden Messgeräten: eine Hochpräzisionswaage für die Flüssigkeitseinlagerung oder ein Tele-EKG. Und die Patienten stehen morgens auf, putzen ihre Zähne, machen dann diesen kleinen Mess-Zyklus durch, das sind etwa acht Minuten, und dann werden diese Daten über eine gesicherte Datenleitung an ein Telemedizin-Zentrum geschickt, und dort erfolgt die Interpretation auch im Vergleich zu den Vordaten."
Aufgrund dieser Interpretation wird dann entschieden: Ist alles in Ordnung oder ist ein Hausbesuch notwendig oder sogar ein Notarzt-Einsatz? Wichtig dabei: Die Telemedizin ersetzt nicht den persönlichen Kontakt zum Arzt, betont Friedrich Köhler: "Sondern ganz im Gegenteil: Wir brauchen den Partner auch vor Ort. Und auch das ist ein wichtiges Merkmal für die Akzeptanz bei den Patienten: Der Arzt ist eben der Arzt im Telemedizin-Zentrum, der sich nur mit diesem Patienten beschäftigt und der aber wiederum engsten Kontakt hat, auch zum betreuenden Hausarzt und Facharzt, sodass also ein Dreieck entsteht. Alle wissen voneinander, haben einen Datenaustausch. Der Hausarzt macht da seine Sprechstunde und der Kardiologe seine Sprechstunde und das was der Telemedizinarzt macht, als wirklich ärztliche Tätigkeit, wird dann mit beiden geteilt und die Maßnahmen werden gemeinsam umgesetzt."
Betreuung von Risikopatienten nach Krankenhausaufenthalt
Die telemedizinische Betreuung soll Risikopatienten in den ersten Monaten, nachdem sie aus dem Krankenhaus entlassen wurden, zusätzliche Sicherheit geben. Und das scheint zu wirken: "Für die gibt es eine umfangreiche Studienlage. Und für diese Patienten ist es tatsächlich so, dass die länger leben und weniger im Krankenhaus sind."
Deswegen ist Friedrich Köhler auch davon überzeugt, dass es früher oder später auch Telemedizin auf Rezept geben wird:
"Davon bin ich überzeugt, dafür arbeite ich seit zehn Jahren."