Daniel ist 16. Er wuchs in Polen auf, wo seine Eltern herkommen. Vor kurzem hat er seine Mutter überredet, ihm und seinen beiden kleineren Geschwistern einen PC für 1500 Euro zu spendieren, den er mit großer Grafikkarte und gigantischem Arbeitsspeicher ausgestattet hat. Lieber hätte er ihn selbst zusammengebaut.
"Ich interessiere mich sehr für PCs, will einmal Spieledesigner werden, ein virtuelles Spiel, dass man eigene Entscheidungen besser kontrollieren kann."
Das Computerspiel, was Daniel programmieren will, soll, mit künstlicher Intelligenz augestattet, auf frei formulierte Eingaben frei erdachte Antworten geben, statt wie heute üblich, mit Baukästensätzen zu antworten. Daniel hat heute in der Schule eine Eins bei einer Mathematik-Arbeit bekommen und strahlt. Hilft ihm das Internet beim Mathe-Lernen?
"Manchmal ja, wenn ich irgendetwas nicht weiß. Dann gehe ich ins Internet, finde viele Erklärungen, suche mir die einfachste heraus und lerne die so, dass ich sie auch im Matheunterricht anwenden kann."
Nutzt Daniel die Wikipedia?
"Ja. Für Referate und für Fotos für meine Mappengestaltung. Wir machen in der Schule gerade etwas über Hitler, da habe ich Fotos für meine Mappengestaltung herausgesucht und von dieser Seite gestaltet."
Bildbearbeitung ist sein zentrales Thema, wenn er am PC arbeitet.
"Ich arbeite gern mit Bildern. Ich bearbeite die mit Photoshop oder Gimp. Bei Hunden mache ich den Hintergrund ganz schwarz, die Beine waren weg."
Wir gehen auf die Suche nach dem Pitbull auf Schwarz, aber finden ihn nicht auf der Festplatte. Also besuchen wir seine Webseite. Dort steht der Hund ganz oben, bedrohlich, mit blau unterlaufenen Augen. Daniel hat das Foto selbst aufgenommen und bearbeitet; die grüne Wiese im Hintergrund schien ihm nicht bedrohlich genug.
Er ist weder im SchülerVZ noch in Facebook unterwegs, obwohl er dort angemeldet ist. Sein soziales Netz im Internet ist Jappy. Wer ist gerade online?
"Meine Klassenkameraden, meine Freundin aus Hohlweide. Bei der zeigt er, dass sie in jemanden verliebt ist. Mein alter Klassenkamerad, ein riesiger Musikfan. Er bearbeitet am PC Musik - wie ein DJ."
... und nennt sich M16 Housemusic.
"Hier werden alle Mädchen angezeigt, die jetzt on sind. Ich musste einstellen, von wie viel bis wie viel Jahren: 15 bis 22."
Hat er sich schon mit Mädchen über dieses Portal verabredet?
"Nö. Denn die sagen sowieso nichts von sich. Und wenn, dann sagen sie meistens nicht die Wahrheit. Die haben lange Haare, nicht kurze, oder sie sind schlank, sind dann aber nicht schlank. Wenn man dann auf ihr Galeriebild geht, sieht man, wie sie wirklich aussehen."
E-Mail spielt bei ihm eine größere Rolle als bei vielen in seiner Klasse. Wie viele Mailaccounts hat er?
"Drei. Ich checke eins für die Schule, meine private, um mit den Freunden zu chatten, und noch eine, die ich nur eingerichtet habe, um mich irgendwo anzumelden. Denn die Leute müssen nicht unbedingt wissen, wer ich bin."
Bei der Diskussion um Digital Natives fällt immer wieder der alte Computerbegriff Multitasking. Jugendliche von heute hätten andere Gehirne, sie könnten mit vielen Dingen gleichzeitig umgehen.
"Ja, manchmal mache ich bei Youtube Musik an und höre ein bisschen. Aber sonst nichts. Ich kann nur drei Sachen auf einmal, zum Beispiel chatten, meine Emails kontrollieren und Musik hören. Aber ich kann nicht mit zwei Leuten gleichzeitig chatten, das verwirrt einfach."
Daniel kennt seine eigene Handynummer nicht auswendig. Er nutzt das Telefongespräch, nicht SMS oder Internet, um sich zu verabreden. Sein Zeitmanagement ist strikt. Es prangt eine große Uhr auf dem Bildschirm. Wie lange sitzt er täglich am PC?
"Wenn es knapp ist mit der Zeit, nur eine halbe Stunde. Aber wenn ich mehr Zeit habe, zwei bis zweieinhalb Stunden. Dann geht mein Bruder dran, oder meine Schwester."
Können die jüngeren Geschwister seine Accounts lesen, also zum Beispiel an seiner Stelle mit anderen bei Jappy chatten?
"Nein, die sind alle mit Passwort gesichert, und jedes endet anders."
Und wie ist das umgekehrt? Kann Daniel sehen, was die Geschwister am PC treiben?
"Das kann ich, ja. Ich kann alles sehen. Ich weiß alle Passwörter."
Er könnte sogar herausfinden, auf welchen Webseiten sie herumsurfen. Schaut er das nach?
"Ja, manchmal. Eher bei meinem Bruder. Bei meiner Schwester nicht. Die zickt, wenn man auf ihre Accounts geht."
Digital Natives unterstellt man, sie seien der Inbegriff der web 2.0-Nutzung, also des kollaborativen Arbeitens im Internet. Daniel lässt allenfalls einmal im halben Jahr einen Kommentar in einem Forum ab, das ihm beim Lösen von Computerproblemen geholfen hat, einen Kommentar der Art: war hilfreich, danke.
Wenn man ihm ein halbes Jahr den Ball zum Fußballspielen oder den PC wegnehmen würde, was wäre das kleinere Übel?
"Ich weiß nicht. Ich kann auch in Büchern lesen und Antworten finden, ohne immer ins Internet reinzugehen. Ich kann auch in die Bücherei gehen oder im Lexikon nachsehen. Denn Sport ist eigentlich wichtiger, als die ganze Zeit am PC zu sitzen."
Seine Mutter hält das für gemunkelt. Daniel pflegt seine Webseite wöchentlich. Seine neueste Grafik zeigt das Wort "Luxus-Pole" in roten Flammen. Seine Klassenkameraden nennen ihn so; er meint, das geht vorüber. Der Bildschirmhintergrund seines PCs zeigt eine Kirche:
"Das ist die Kirche, wo mein Opa gelebt hat. Da wurde meine Mutter, mein Opa, mein Uropa und fast die ganze Familie getauft, ich selber auch. Und darum habe ich die einfach als Hintergrund gewählt."
In Daniels Klasse gibt es einige, die den ganzen Nachmittag chatten und nichts Kreatives mit dem PC machen.
"Ich durfte letzte Woche in meiner Klasse den Informatikunterricht führen. Da hab ich denen gezeigt, wie so eine Homepage erstellt wird. Sie wussten gar nicht, was man da alles machen muss, und ich musste ihnen alles erklären."
Haben alle es verstanden?
"Teilweise ja. Darum machen wir morgen noch eine Unterrichtsstunde damit. Und nach den Ferien darf ich Fotobearbeitung erklären."
"Ich interessiere mich sehr für PCs, will einmal Spieledesigner werden, ein virtuelles Spiel, dass man eigene Entscheidungen besser kontrollieren kann."
Das Computerspiel, was Daniel programmieren will, soll, mit künstlicher Intelligenz augestattet, auf frei formulierte Eingaben frei erdachte Antworten geben, statt wie heute üblich, mit Baukästensätzen zu antworten. Daniel hat heute in der Schule eine Eins bei einer Mathematik-Arbeit bekommen und strahlt. Hilft ihm das Internet beim Mathe-Lernen?
"Manchmal ja, wenn ich irgendetwas nicht weiß. Dann gehe ich ins Internet, finde viele Erklärungen, suche mir die einfachste heraus und lerne die so, dass ich sie auch im Matheunterricht anwenden kann."
Nutzt Daniel die Wikipedia?
"Ja. Für Referate und für Fotos für meine Mappengestaltung. Wir machen in der Schule gerade etwas über Hitler, da habe ich Fotos für meine Mappengestaltung herausgesucht und von dieser Seite gestaltet."
Bildbearbeitung ist sein zentrales Thema, wenn er am PC arbeitet.
"Ich arbeite gern mit Bildern. Ich bearbeite die mit Photoshop oder Gimp. Bei Hunden mache ich den Hintergrund ganz schwarz, die Beine waren weg."
Wir gehen auf die Suche nach dem Pitbull auf Schwarz, aber finden ihn nicht auf der Festplatte. Also besuchen wir seine Webseite. Dort steht der Hund ganz oben, bedrohlich, mit blau unterlaufenen Augen. Daniel hat das Foto selbst aufgenommen und bearbeitet; die grüne Wiese im Hintergrund schien ihm nicht bedrohlich genug.
Er ist weder im SchülerVZ noch in Facebook unterwegs, obwohl er dort angemeldet ist. Sein soziales Netz im Internet ist Jappy. Wer ist gerade online?
"Meine Klassenkameraden, meine Freundin aus Hohlweide. Bei der zeigt er, dass sie in jemanden verliebt ist. Mein alter Klassenkamerad, ein riesiger Musikfan. Er bearbeitet am PC Musik - wie ein DJ."
... und nennt sich M16 Housemusic.
"Hier werden alle Mädchen angezeigt, die jetzt on sind. Ich musste einstellen, von wie viel bis wie viel Jahren: 15 bis 22."
Hat er sich schon mit Mädchen über dieses Portal verabredet?
"Nö. Denn die sagen sowieso nichts von sich. Und wenn, dann sagen sie meistens nicht die Wahrheit. Die haben lange Haare, nicht kurze, oder sie sind schlank, sind dann aber nicht schlank. Wenn man dann auf ihr Galeriebild geht, sieht man, wie sie wirklich aussehen."
E-Mail spielt bei ihm eine größere Rolle als bei vielen in seiner Klasse. Wie viele Mailaccounts hat er?
"Drei. Ich checke eins für die Schule, meine private, um mit den Freunden zu chatten, und noch eine, die ich nur eingerichtet habe, um mich irgendwo anzumelden. Denn die Leute müssen nicht unbedingt wissen, wer ich bin."
Bei der Diskussion um Digital Natives fällt immer wieder der alte Computerbegriff Multitasking. Jugendliche von heute hätten andere Gehirne, sie könnten mit vielen Dingen gleichzeitig umgehen.
"Ja, manchmal mache ich bei Youtube Musik an und höre ein bisschen. Aber sonst nichts. Ich kann nur drei Sachen auf einmal, zum Beispiel chatten, meine Emails kontrollieren und Musik hören. Aber ich kann nicht mit zwei Leuten gleichzeitig chatten, das verwirrt einfach."
Daniel kennt seine eigene Handynummer nicht auswendig. Er nutzt das Telefongespräch, nicht SMS oder Internet, um sich zu verabreden. Sein Zeitmanagement ist strikt. Es prangt eine große Uhr auf dem Bildschirm. Wie lange sitzt er täglich am PC?
"Wenn es knapp ist mit der Zeit, nur eine halbe Stunde. Aber wenn ich mehr Zeit habe, zwei bis zweieinhalb Stunden. Dann geht mein Bruder dran, oder meine Schwester."
Können die jüngeren Geschwister seine Accounts lesen, also zum Beispiel an seiner Stelle mit anderen bei Jappy chatten?
"Nein, die sind alle mit Passwort gesichert, und jedes endet anders."
Und wie ist das umgekehrt? Kann Daniel sehen, was die Geschwister am PC treiben?
"Das kann ich, ja. Ich kann alles sehen. Ich weiß alle Passwörter."
Er könnte sogar herausfinden, auf welchen Webseiten sie herumsurfen. Schaut er das nach?
"Ja, manchmal. Eher bei meinem Bruder. Bei meiner Schwester nicht. Die zickt, wenn man auf ihre Accounts geht."
Digital Natives unterstellt man, sie seien der Inbegriff der web 2.0-Nutzung, also des kollaborativen Arbeitens im Internet. Daniel lässt allenfalls einmal im halben Jahr einen Kommentar in einem Forum ab, das ihm beim Lösen von Computerproblemen geholfen hat, einen Kommentar der Art: war hilfreich, danke.
Wenn man ihm ein halbes Jahr den Ball zum Fußballspielen oder den PC wegnehmen würde, was wäre das kleinere Übel?
"Ich weiß nicht. Ich kann auch in Büchern lesen und Antworten finden, ohne immer ins Internet reinzugehen. Ich kann auch in die Bücherei gehen oder im Lexikon nachsehen. Denn Sport ist eigentlich wichtiger, als die ganze Zeit am PC zu sitzen."
Seine Mutter hält das für gemunkelt. Daniel pflegt seine Webseite wöchentlich. Seine neueste Grafik zeigt das Wort "Luxus-Pole" in roten Flammen. Seine Klassenkameraden nennen ihn so; er meint, das geht vorüber. Der Bildschirmhintergrund seines PCs zeigt eine Kirche:
"Das ist die Kirche, wo mein Opa gelebt hat. Da wurde meine Mutter, mein Opa, mein Uropa und fast die ganze Familie getauft, ich selber auch. Und darum habe ich die einfach als Hintergrund gewählt."
In Daniels Klasse gibt es einige, die den ganzen Nachmittag chatten und nichts Kreatives mit dem PC machen.
"Ich durfte letzte Woche in meiner Klasse den Informatikunterricht führen. Da hab ich denen gezeigt, wie so eine Homepage erstellt wird. Sie wussten gar nicht, was man da alles machen muss, und ich musste ihnen alles erklären."
Haben alle es verstanden?
"Teilweise ja. Darum machen wir morgen noch eine Unterrichtsstunde damit. Und nach den Ferien darf ich Fotobearbeitung erklären."