Upload-Filter, Zensurmaschinen und eine "Link"-Steuer: Wenn es nach den Worten der Netzgemeinde geht, steht bei der Abstimmung über die Urheberrechtsreform im digitalen Binnenmarkt für das freie Internet viel auf dem Spiel.
Kulturschaffende, Verlage, Rechtevertreter pochen dagegen darauf, die Richtlinie zügig zu beschließen. Sie beklagen sich vor allem über eine "Value Gap", eine Wertschöpfungslücke, wonach sie bei online verwerteten Inhalten nicht angemessen vergütet werden, während die Plattformen damit das Geld verdienten.
Abgeordneter berichtet von Bedrohungen
Mit außergewöhnlich harter Lobbyarbeit sollen bei dieser Reform die Seiten versucht haben, auf die Abgeordneten Einfluss zu nehmen. Von massenhaften Emails ist die Rede. Udo Bullmann, Fraktionschef der Sozialdemokraten sprach davon, dass Parlamentarier ernsthaft bedroht worden seien.
Aber worum geht es in diesem hart ausgefochtenen Streit überhaupt? Mit der Reform soll die Position von Urhebern gegenüber kommerziellen Internetplattformen zunächst einmal gestärkt werden. Wenn eine Plattform, also eine Suchmaschine zum Beispiel Ausschnitte von Zeitungsartikeln abbildet, dann soll dieser Inhalt unter das "Leistungsschutzrecht" fallen, also lizenziert werden müssen.
Kritiker dieses Leistungsschutzrechtes argumentieren allerdings, man habe damit schon in Deutschland schlechte Erfahrungen gemacht. Zu ihnen zählt Julia Reda, Europa-Abgeordnete der Piratenpartei: "In der Praxis hat sich herausgestellt, dass diese Plattformen überhaupt kein Interesse haben und einfach aufgehört haben, kostenpflichtige Snippets zu verwenden für ihre Links und in der Konsequenzen hat Google von den Verlagen eine Gratis-Lizenz bekommen. Also ein Gesetz, das in Deutschland dazu dienen sollte, Google zur Kasse zu bitten, hat Google einfach nur auf dem Markt gestärkt."
Darüber hinaus sollen Plattformen für urheberrechtlich geschützte Inhalte, zum Beispiel Videos oder Musik, die ihre Nutzer hochladen, haftbar gemacht werden.
Tiemo Wölken, SPD-Europaabgeordneter fürchtet, dass Plattformen mithilfe von Erkennungssoftware zu viele Inhalte blocken. Das könnte dann sog. "Memes" betreffen, also Video oder Tonschnipsel, die verfremdet und neu zusammengesetzt werden: "Da der Text sagt, alle urheberrechtlich geschützten Inhalten müssen im Zweifel herausgefiltert werden, könnte das auch bedeuten, dass Memes tatsächlich nicht mehr zulässig sind oder nicht mehr gepostet werden können, wenn ein Upload-Filter nicht erkennt, dass es sich um eine erlaubte Urheberrechtsausnahme handelt."
Rechtzeitige Einigung vor der Europawahl?
Axel Voss, CDU, ist Parlaments-Berichterstatter für die Reform und dafür zuständig, einen Konsens unter den Abgeordneten zu finden. Er hält viele der Bedenken für haltlos und argumentiert unter anderem, dass die Mitgliedsstaaten für die konkrete Ausgestaltung der Richtlinie zuständig seien: "Das wird einem permanent vorgegaukelt. Aber der Einzelne kann weiterhin seine Dinge hochladen. Es könnte passieren, dass wenn er ein urheberrechtlich geschütztes Werk nutzt und dort eben seine Dinge hinzufügt, die er gerne hätte, dass das nicht ohne Weiteres so durchgeht."
Ebenso unklar ist, welche der inzwischen mehr als 200 Änderungsanträge im Plenum durchgehen werden. Nach dem Votum soll jedenfalls klar sein, ob sich das Parlament auf eine einheitliche Position einigen konnte, mit der es in die weiteren Verhandlungen mit EU-Kommission und dem Rat, also den Mitgliedsstaaten, geht.
Sollte sich das Parlament auf keinen Kompromiss einigen, wird die Reform des Urheberrechts im digitalen Binnenmarkt voraussichtlich nicht mehr bis zu den Europawahlen im Mai 2019 fertig.