Ein sonniger Abend in der lauschigen Kleinstadt Werder. Keine 20 Kilometer sind es zum Landtag in Potsdam. Probleme mit dem Internet wird es hier ja wohl nicht geben - denkt man. Martin Westphal lacht erbittert. Mit einem Glas Mineralwasser in der Hand steht er beim Digitalen Stammtisch im Digitalwerk im sanierten Bahnhof von Werder. Es wurde im Januar 2019 eröffnet und ist ein von der EU und vom Land gefördertes Zentrum für die Digitalisierung speziell kleiner und mittlerer Firmen. Wie die von Martin Westphal.
"Wir betreiben hier eine Golfanlage, haben 34 Mitarbeiter und sind angewiesen auf eine schnelle Verbindung zu unseren Servern, die nicht mehr bei uns auf der Anlage sind."
Schließlich melden sich die 55.000 Besucher im Jahr inzwischen zu 84 Prozent online an, erklärt Westphal. Doch weil das Internet so langsam ist, gibt es immer wieder Schwierigkeiten bei der Terminvergabe. Außerdem steuert die Software auch die Zugänge zum Golfplatz, überall drohen Verzögerungen. Und der Golfplatz ist ja nicht der einzige Nutzer der Internetleitung.
"Die Übertragungsgeschwindigkeiten sind zu niedrig, wir können das auch gar nicht belasten und wenn dann in der Umgebung die Dörfer dann noch Kapazitäten abschöpfen, dann haben wir einen totalen Ausfall bei uns. Wir haben eine IT-Firma, die uns berät, die fallen um, die sagen: Oh Gott, das geht gar nicht."
Eine halbe Milliarde soll investiert werden
Er als Unternehmer verlasse sich in Sachen Breitbandausbau nicht mehr auf die Landesregierung, sagt Westphal. Die reagiere viel zu langsam.
"Brutal langsam. Es ist auch demoralisierend ."
Thomas Kralinski, der Digitalkoordinator des Landes, zieht in seinem Büro in der Staatskanzlei bekümmert die Stirn kraus, wenn er so etwas hört. Er soll die Verbitterung mindern und den Aufbruch in die digitale Zukunft des Landes steuern. Die Industrie- und Handelskammern warnen: Unternehmen trügen sich mit Abwanderungsgedanken, weil sie wegen schneckenlangsamen Internets von Kunden, Lieferanten und Partnern als rückständig wahrgenommen werden. SPD-Politiker Thomas Kralinski weiß das. Die Politik wolle ja handeln, für Investitionen ins schnelle Netz sei eine halbe Milliarde eingeplant. Aber es gebe neue Probleme:
"Es ist keine Frage mehr des Geldes, sondern es ist jetzt eine Frage der Unternehmen, die Tiefbauarbeiten machen und Leitungen verlegen. Und da im Moment die Konjunktur so gut ist, wie sie ist, haben wir ein bisschen Schwierigkeiten, die Firmen zu finden, die das möglichst schnell tun. Deswegen dauert es noch im Schnitt ein, zwei, drei Jahre, bis die Löcher geschlossen werden."
Geplagt von maroder Infrastruktur
Auch die oppositionelle CDU im Potsdamer Landtag schimpft, dass die rot-rote Landesregierung den Breitbandausbau nicht schnell genug vorantreibe. Am 1. September sind Landtagswahlen, die CDU will den Machtwechsel schaffen, die seit der Wende regierende SPD ablösen. CDU-Landeschef und Spitzenkandidat Ingo Senftleben ist derzeit auf Wahlkampftour. Im Interview mit einem regionalen Fernsehsender regte er sich auf, dass SPD und Linke auch beim Mobilfunk auf der Bremse stünden:
"Ich möchte auch mal zeigen, dass wir Vorreiter sein können, nicht dass wir immer nur hinterherhinken. Wenn zum Beispiel wir sagen: Wir wollen, dass jeder Mensch in Brandenburg mit dem Handy telefonieren kann. Wer 100 Prozent Tarifvertrag bezahlt, der muss auch 100 Prozent Empfang haben. Und wenn wir als Land sagen, wir bauen Mobilfunkmasten auf mit den Kommunen zusammen und die Anbieter können diese Masten nutzen, mieten für ihre entsprechenden Signalpunkte, dann kann man auch dadurch einen besseren Funkempfang in Brandenburg realisieren. Also mit kreativen Ideen mal einfach vorangehen und nicht einfach nur sagen: Das geht alles nicht."
In der Lausitz im tiefen Süden Brandenburgs zum Beispiel: Heimat stolzer Bergleute, zweitgrößtes Braunkohlerevier in Deutschland. Aber auch geplagt von teils arg maroder Infrastruktur. Schon vor Jahren hätte die rot-rote Landesregierung im fernen Potsdam einen Masterplan für die Lausitz entwerfen müssen, sagen die Kohle-Gegner Sybille und Alexander Tetsch in Proschim.
"Wir gehen jetzt zum aktuellen Tagebau Welzow Süd."
Schnelle Anbindung fehlt
Bis 500 Meter an den Rand von Proschim hat sich der Tagebau vorgearbeitet. Wird die 95 Quadratkilometer große Grube noch erweitert, wie ursprünglich vom Betreiber geplant, muss das Dorf umgesiedelt werden.
Tief unten dröhnt die große Förderbrücke F 60. Der Ausstieg aus der klimaschädlichen Traditionsindustrie könnte eigentlich eine Modernisierungschance für die Lausitz sein, sinniert Alexander Tetsch später in seinem gemütlichen Restaurant "Schmeckerlein" in Proschim. Doch es fehle die schnelle Anbindung nach Berlin, Leipzig und Dresden ebenso wie das schnelle Internet.
"Wir haben hier im Moment 0,6 Megabit pro Sekunde – also hier Deutschlandradio übers Internet zu empfangen, ist wirklich ein Abenteuer. Wir haben keinen Handyempfang. Wenn ich ein Gespräch entgegennehmen will, muss ich auf den Dachboden gehen, weil dort der einzige Punkt ist, an dem ich ein Handysignal bekomme."
Internet ist zentraler Teil der Infrastruktur
Unhaltbare Zustände, findet Grünen-Chefin Annalena Baerbock, die ihren Wahlkreis in Brandenburg hat. Gerade in der Lausitz, die wegen des Kohleausstiegs vor der Riesenherausforderung des Strukturwandels steht.
"Wenn wir über eine Entwicklung der Region der Lausitz sprechen und zeitgleich die Situation haben, dass auch dort in der Region Ärzte sagen, wir können hier keine Arztpraxis aufmachen, weil das Internet nicht stark genug ist, dann haben wir ein Problem. Und deswegen muss in die digitale Infrastruktur massiv investiert werden. Auch hier hat die Landesregierung einiges versäumt. Es gab Mittel des Bundes, die hätten abgerufen werden können, wurden sie auch in Brandenburg nicht. Und deswegen muss wohl die Landesregierung, aber auch die Bundesregierung dafür sorgen, dass gerade die ländlichen Regionen endlich angeschlossen werden."
Schlimme Einzelbeispiele, aber insgesamt stehe Brandenburg doch gar nicht so schlecht da, sagt Digitalkoordinator Thomas Kralinski - und nennt Zahlen von 2018:
"Knapp unter 70 Prozent mit über 50-Mbit-Versorgung im Land. Das ist wirklich nicht so schlecht. Wir sind dabei auch Spitzenreiter im Osten. Die Bundesregierung hat bis 2025 das Gigabit-Ziel ausgegeben und das hoffen wir natürlich, dass wir das auch hinkriegen bis dahin."
Das hoffen auch tausende Unternehmer und mit ihnen viele Bürgermeister und Ortsvorsteher: Für sie steht fest, dass schnelles Internet heute ein ebenso zentraler Teil der Infrastruktur ist, wie Strom oder fließendes Wasser.