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Digitales Forum Romanum
Neue Einsichten in das Zentrum der antiken Welt

Das Forum Romanum war die Machtzentrale des Römischen Reiches. Eine Projektgruppe an der Humboldt-Universität Berlin hat nun eine neue 3D-Rekonstruktion erstellt, die öffentlich im Internet zugänglich ist. Das Modell stellt sechs Bauphasen des Forums in ihrem historischen Kontext dar, erläutert die Leiterin des Projekts, Susanne Muth.

Susanne Muth im Gespräch mit Christoph Schmitz |
    Christoph Schmitz: Damals, vor 2000 Jahren, über tausend Jahre lang, war das Zentrum der Macht des Römischen Reiches das Forum Romanum. Hier waren die Götter, die Kaiser, das Volk, hier kamen sie zusammen, um ihr Gemeinwesen durch die Jahrhunderte zu gestalten, umzubauen, abzubauen. In jedem Reiseführer gibt es eine Grafik des Forums, um bei den zahllosen halben Säulen, eingestürzten Fassaden und labyrinthischen Fundamenten einigermaßen den Überblick zu bekommen. Eine vage Vorstellung dessen, was dort einmal war, stellt sich dennoch nur schwer ein. Viel zu komplex ist das, was dort an Geschichte in Trümmern liegt. Die Humboldt-Universität in Berlin schafft jetzt Abhilfe. Ab heute steht eine 3D-Rekonstruktion im Netz, interaktiv samt zahlreichen Texten. Leiterin des Lehrenden- und Studierenden-Projekts im Rahmen des Exzellenz-Clusters "Topoi" ist die Archäologin Susanne Muth, Professorin an der Humboldt-Universität. Unter anderem interessant ist ja, dass Sie nicht einen einzigen Bauzustand des antiken Forum Romanum zeigen, sondern sechs Phasen. Welche, habe ich Susanne Muth gefragt?
    Susanne Muth: Die sechs Bauphasen, die wir uns jetzt vorgenommen haben, haben eigentlich einen Abstand von etwa 100 Jahren. Sie beginnen in der Zeit um 200 vor Christus, also in der späten Republik, und enden dann in der Spätantike, also um 310 nach Christus, als Konstantin der Große sich anschickt, die Macht im Römischen Reich einzunehmen. Warum wir diesen Zeitraum gewählt haben und in diesen sechs Schritten versuchen, den dynamischen Wandel des Forum Romanum nachzuzeichnen, hängt damit zusammen, dass dies nun gerade eine Zeitspanne ist, in der es zu sehr aufsehenerregenden Umwandlungen, Veränderungen dieses politischen Platzes kommt. Der Platz wird immer wieder neu erfunden, neu gestaltet, was man natürlich auch immer wieder mit der historischen Situation in Rom in Verbindung bringen kann, und nur wenn wir die Geschichte und den Wandel dieses antiken Platzes uns vergegenwärtigen, können wir auch die heutige Ausgrabungsstätte einigermaßen wieder verstehen.
    Platz wurde immer wieder umgestaltet
    Schmitz: Man kann bei Ihnen gewissermaßen die Veränderung durch die Jahrhunderte durchsurfen und Sie stellen diese Veränderungen auch in einen historischen Kontext. Wir lesen die Geschichte über die Bauveränderungen?
    Muth: Ganz genau. Das Forum Romanum war ja das öffentlich-politische Zentrum des antiken Roms. Das heißt, hier mussten Möglichkeiten geschaffen werden, dass die politische Kommunikation zwischen den Politikern, den Mächtigen und der Bürgerschaft einigermaßen optimal funktionierte. Zugleich wird dies als Bühne natürlich genutzt von den Mächtigen, um sich entsprechend zu repräsentieren, ihre jeweilige Herrschaftsideologie nach außen zu tragen.
    Wenn wir bedenken, was alles in der Zeit von der späten Republik, der Übergang zur Kaiserzeit, also der Einrichtung des Prinzipals durch Augustus, geschieht, wie dann in der folgenden Kaiserzeit immer wieder neue Dynastien auf den Kaiserthron kommen, dann kann man sich gut vorstellen, wie immer wieder dieser öffentliche Platz umgestaltet wird. Ein ganz spannender Moment ist natürlich die Wende von der späten Republik zur Kaiserzeit unter Augustus. Cäsar und Augustus sind diejenigen, die dem Forum Romanum ein ganz neues Gesicht eröffnen. Und sich das in diesem Wandel anzusehen am Forum Romanum, lässt verstehen, warum ein solcher Platz in dieser Zeit verändert werden muss, wenn die politischen Rahmenbedingungen sich auch verändert haben.
    Keine hundertprozentige Rekonstruktion möglich
    Schmitz: Sehr farbig und ausgeschmückt sind Ihre 3D-Rekonstruktionen ja nicht. Warum wollten Sie keine zweite Wirklichkeit suggerieren, aus Kostengründen?
    Muth: Nein! Ihre Frage ist absolut berechtigt. Auch wir haben das in dem Team, im Team der Studierenden, der Mitarbeiter, mehrfach diskutiert. Möglich ist heutzutage mit digitalen Rekonstruktionen natürlich alles, aber weshalb wir diese etwas sperrige oder, sagen wir, künstliche Ästhetik gewählt haben, ist, um deutlich zu machen, dass wir natürlich nicht mit einem hundertprozentigen Wissen das Aussehen des Forum Romanum in allen Epochen rekonstruieren können. Wir wollen nicht vergessen lassen, dass es eine Rekonstruktion ist, bei der wir der historischen Realität teilweise sehr nahe kommen, aber sie natürlich nie eins zu eins abbilden können und wollen. Das Problem bei solchen Rekonstruktionen, die versuchen, die historische Realität eins zu eins zu treffen: Diese Rekonstruktionen haben eine ungeheure Suggestionskraft, tun dann so, als ob so das Forum Romanum ausgesehen hat, und genau das wollen wir natürlich nicht tun. Wir wollen signalisieren, dass hier unterschiedliche Grade von Wissensdichte vorhanden sind.
    Schmitz: Eine letzte Frage mit Bitte um kurze Antwort: Für wen ist diese digitale Seite gedacht?
    Muth: Sie ist für alle gedacht, die sich für das Forum Romanum interessieren, für die breite Öffentlichkeit, auch Rom-Besucher gleichermaßen, dann aber natürlich auch für die Lehre, für Studierende, gleichermaßen für Wissenschaftler. Es ist auch geplant als eine Plattform, in der das ganze Wissen zum Forum Romanum zusammengetragen werden soll.
    Schmitz: Susanne Muth, Projektleiterin von digitales-forum-romanum.de im Netz. Um weitere zwölf zeitliche Schnitte wird die Rekonstruktion noch erweitert.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.