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Digitales Logbuch: Schwamm drüber

Wenn smartphonebewaffnete Teilnehmer irgendwelcher Tagungen gemeinsam aus ihrem Konferenzhalbschlaf erwachen, um Powerpoint Projektionen abzulichten, denke ich an meine Lehrerin: "Lass das, oder ich vergesse mich", brüllte sie mich an, als sie mich beim Fotografieren erwischte.

Von Wolfgang Noelke |
    Mitten im Unterricht knipste ich mit der alten Leica meines Vaters gelegentlich die Wandtafel. Abschreiben war mir zu langweilig, aber das Filmentwickeln nachmittags hat Spaß gemacht. Außerdem waren die kleinen Negative ideale Spickzettel, die ich thematisch geordnet lagerte und vor Klausuren nur in die Kappe meines Füllfederhalters hineinfriemeln musste. Gebraucht habe ich sie selten, aber es war beruhigend, dass unser im Unterricht mühsam erarbeitetes, dann aber von der Tafel gewischtes Wissen nicht einfach futsch war, sondern dass ich es notfalls aus in der Kappe meines Füllers herauspusseln konnte.

    Als ich das erste Mal vom Digitalen Radiergummi hörte, fiel mir gleich ein passender Spruch ein: "Gib Bytes keine Chance – Machs mit Gummi".

    War wohl ein Missverständnis, denn ich dachte natürlich an die Vorratsdatenspeicherung und nicht daran, dass nur wir normalen User uns gefälligst einen Schwamm kaufen sollten, um unsere mühsam hochgeladenen Fotos und Texte aus Foren und Blogs zu löschen. Und falls wir Netzbürger uns nicht so richtig darüber freuen, ahne ich schon den nächsten Schritt der Politik, die irgendwann die Provider zum digitalen Tafelwischen verdonnert.

    "Achtung! Diese Nachricht zerstört sich in 10 Sekunden selbst!"

    Die Idee der automatischen Depublizierung, der Zwangslöschung, haben die Politiker sicher von den Hardwareherstellern abgekupfert. Da scheinen solche Selbstzerstörungsprogramme schon jahrelang hervorragend zu funktionieren: Jedenfalls gehen meine Geräte pünktlich erst dann kaputt, wenn die Garantie gerade mal drei Tage abgelaufen ist.