Die Warteschleifenmusik am Beginn der täglich um 19.30 Uhr startenden halbstündigen Episoden, sowie der vorproduzierte Trailer von "zeitfüreinander", machen ja alles andere als neugierig. Aber dann!
"Wieso? No risk, no fun! Probieren wir es halt mal aus."
"Ja, klar, ist ja lustig, oder?"
"Für dich das erste Mal auch?"
"Ja, klar, ist ja lustig, oder?"
"Für dich das erste Mal auch?"
Die Video-Schalte ist Medium und Botschaft
Der Stream, aus dem Bühnen-Lockdown versendet von Theatern aus Berlin, Düsseldorf, Hannover, München und Nürnberg, ist formal eine Collage aus Chats per Zoom-Konferenz. Keine Mühe darauf verwendet, irgendeine Theaterbühne zu inszenieren: die Video-Schalte ist das Medium und die Botschaft. Man ist direkt drin und dabei, auch wenn es oft zum Fremdschämen schlimm klingt:
"Ich gehe gern wandern."
"Oh."
"Reisen."
"Okay."
"Koche gerne, ich bastel'."
"Und wo kommt eigentlich das Geld, also wie verdienst du dein Geld?"
"Ach so, ja, ich bin Beziehungs- und Persönlichkeits-Coach."
"Wow, ja, so Psycho. Super."
"Oh."
"Reisen."
"Okay."
"Koche gerne, ich bastel'."
"Und wo kommt eigentlich das Geld, also wie verdienst du dein Geld?"
"Ach so, ja, ich bin Beziehungs- und Persönlichkeits-Coach."
"Wow, ja, so Psycho. Super."
Eine fiktive Dating-Agentur bringt zehn Singles um die 30 zusammen. Fünf Minuten haben sie Zeit, sich kennenzulernen, ehe sich die Konferenzen jeweils automatisch abschalten. Soweit der Plot von "zeitfüreinander".
"Prost! Wie heißt du?"
"Ich heiße Toro, Toro ist mein Kampfname eigentlich. Wie heißt du denn?"
"Emma."
"Emma, schön!"
"Emma ist mein Kampfname"
"Ist dein Kampfname?"
"Ich heiße Toro, Toro ist mein Kampfname eigentlich. Wie heißt du denn?"
"Emma."
"Emma, schön!"
"Emma ist mein Kampfname"
"Ist dein Kampfname?"
Kein Selbstbezug und kein Lamento
Die Dialoge sind geskriptet - das merkt man daran, weil die Schauspieler jeden Tag in andere Rollen schlüpfen, aber die Texte wirken wie mitten aus dem Leben mitgeschnitten: entweder sehr gut gespielt oder sehr gut geschrieben. Kein Selbstbezug und kein Lamento von Theatern in der Corona-Krise. Stattdessen geht es bei diesem Portfolio "Deutschland um die 30" beruflich querbeet durch die Milieus, von den Bürgerlichen, über die Links-Liberalen und Sozial-Ökologischen bis zu den Performer-Typinnen und -Typen, Hedonistinnen und Hedonisten. Wobei: Der Mann schlägt sein Pfauenrad, die Frau lacht über seine Witze. Das ist auch in dieser Serie ein Klischee - in Serie. Und dann die Klischeebrecher:
"Ja, ich bin Single! Aber ich denke, ich muss noch was anderes sagen. Weil ich..."
"Macht neugierig auf jeden Fall."
"Ich stehe nicht auf Sex."
"Du stehst nicht auf was?"
"Ich stehe nicht auf Sex."
"Okay! Weißt du, wir machen hier, das sind jetzt hier fünf Minuten, deswegen nimm es mir nicht böse, ich bin ein ehrlicher Mensch, sage alles gerade heraus: Vielleicht hattest du noch nicht so guten Sex?"
"Ehrlich gesagt, zählt das für mich unter Vergewohltätigung. Ich glaube, ich weiß, was ich will. Zum Beispiel keinen Sex."
"Macht neugierig auf jeden Fall."
"Ich stehe nicht auf Sex."
"Du stehst nicht auf was?"
"Ich stehe nicht auf Sex."
"Okay! Weißt du, wir machen hier, das sind jetzt hier fünf Minuten, deswegen nimm es mir nicht böse, ich bin ein ehrlicher Mensch, sage alles gerade heraus: Vielleicht hattest du noch nicht so guten Sex?"
"Ehrlich gesagt, zählt das für mich unter Vergewohltätigung. Ich glaube, ich weiß, was ich will. Zum Beispiel keinen Sex."
Die Serie arbeitet mit Cliffhangern und überraschenden Wendungen: Tobias und Mascha zum Beispiel finden sich nachher doch spannend. Er ist fiktiver Kultur-Promi, ein Filmregisseur, und sie hat zufällig die Untertitel für seinen Film gemacht.
Tabulos, lebensecht, konsequent digital
Ein anderer der insgesamt dreißig Fünf-Minuten-Chats vernetzt Miro und Karsten. Er ist spröder Arzt, der den Chat minutengenau in eine Lücke in seine Corona-Sprechstunden eingeplant hat, sie ist der Typ verschwurbelte Esoterikerin. Doch die Kategorien "Rational" versus "Gefühlsbetont", sowie "Dominant" versus "Devot", geraten mächtig durcheinander.
"Problem mit der Praxis?"
"Ist ein Problem mit der Praxis, in Coronazeiten vor allem ein Problem, weil: Ich mache täglich Videosprechstunden, ich bin völlig, äh..."
"Aber man könnte sich ja auch mal zum Masturbieren vor der Kamera treffen."
"Äh, was? Mas...?"
"...turbation!"
"Ach so! Ich mach es lieber echt."
"Mit dem Sprinter wär's ja nicht so weit. Ich suche jemand für eine körperliche Beziehung."
"Ja, ja, also ich ehrlich gesagt auch."
"Passt doch."
"Ist ein Problem mit der Praxis, in Coronazeiten vor allem ein Problem, weil: Ich mache täglich Videosprechstunden, ich bin völlig, äh..."
"Aber man könnte sich ja auch mal zum Masturbieren vor der Kamera treffen."
"Äh, was? Mas...?"
"...turbation!"
"Ach so! Ich mach es lieber echt."
"Mit dem Sprinter wär's ja nicht so weit. Ich suche jemand für eine körperliche Beziehung."
"Ja, ja, also ich ehrlich gesagt auch."
"Passt doch."
Fazit: Es ist eine Form von Theater. Tabulos, lebensecht, konsequent digital. Über "digitales Theater" ist bereits viel gelästert worden. Vor Corona: Das Physische würde fehlen, ein unnötiges Experiment! Und während Corona: Derlei Streams taugten doch nur als Notnagel bei geschlossenen Bühnen. Dagegen überzeugt "zeitfüreinander" ohne Abstriche: Davon bitte auch nach Corona noch viel mehr!