Die Corona-Pandemie hat die Arbeitswelt verändert – nicht nur für Millionen von Büro-Angestellten, die im Homeoffice bleiben und sich in Video-Konferenzen einwählen, sondern auch für Richterinnen und Richter. Denn was an den meisten Zivilgerichten noch vor zwei Jahren eine absolute Ausnahme war, ist vielerorts mittlerweile selbstverständlich: Videoverhandlungen. Richter sitzen in weitgehend leeren Gerichtssälen vor ihren Bildschirmen, Anwältinnen und Anwälte sowie andere am Verfahren Beteiligte werden zugeschaltet. Nach Angaben des deutschen Richterbundes hat sich die Zahl jener Kollegen, die in geeigneten Fällen auf Online-Verhandlungen zurückgreift, im Lauf des Jahres 2020 verfünffacht: Vor der Corona-Krise nutzten nur acht Prozent der Befragten Videotechnik für ihre Verfahren, inzwischen ist es fast jeder zweite.
„So, das ist jetzt einer der typischen Sitzungssäle. Ich zeige Ihnen einfach mal meinen Sitzungssaal, da kenne ich mich am besten aus, weil ich ja hier selber meine Sitzungen habe."
Bernhard Brückmann ist Vizepräsident am Amtsgericht Charlottenburg in Berlin. Sein Gericht sei eines der ersten in Berlin gewesen, das während der Pandemie mit der Einrichtung von Videotechnik begonnen habe:
„Im ersten Lockdown war hier noch gar nichts. Also im März 2020 waren das hier noch ganz klassische Sitzungssäle und wir haben die Gelegenheit des ersten Lockdowns genutzt, um die Ausstattung mit elektronischem Equipment vorzuziehen. Das hat uns dann in die Lage versetzt, relativ schnell Videoverhandlungen anzubieten, wobei wir die am Anfang ziemlich stark improvisieren mussten, also das sind so eher selbergestrickte Lösungen, aber das hat sich eigentlich ganz gut bewährt."
Bernhard Brückmann ist Vizepräsident am Amtsgericht Charlottenburg in Berlin. Sein Gericht sei eines der ersten in Berlin gewesen, das während der Pandemie mit der Einrichtung von Videotechnik begonnen habe:
„Im ersten Lockdown war hier noch gar nichts. Also im März 2020 waren das hier noch ganz klassische Sitzungssäle und wir haben die Gelegenheit des ersten Lockdowns genutzt, um die Ausstattung mit elektronischem Equipment vorzuziehen. Das hat uns dann in die Lage versetzt, relativ schnell Videoverhandlungen anzubieten, wobei wir die am Anfang ziemlich stark improvisieren mussten, also das sind so eher selbergestrickte Lösungen, aber das hat sich eigentlich ganz gut bewährt."
Mittlerweile habe sich das eingespielt. Rechtsanwälte nutzten die Möglichkeiten gerne, erzählt Brückmann. Und auch bei vielen Richtern seien die anfänglichen Vorbehalte verschwunden. Totalverweigerern sei er im Kollegenkreis noch nicht begegnet.
„Aber es gibt natürlich wie überall Technikskeptiker. Die lieber persönlich verhandeln möchten, denen es auch ein bisschen zu viel wird, wenn sie gleichzeitig über die Spracherkennung das Protokoll führen müssen, dann die Verhandlungen leiten und mit den Leuten noch reden. Aber ich habe den Eindruck, wer das ein oder zweimal gemacht hat, sieht die Vorteile und die Akzeptanz wächst."
„Die Leute lassen sich mehr ausreden“
Vorteile von Video-Verhandlungen sieht er durchaus – auch was die Art der Kommunikation betrifft:
„Was ich auch persönlich festgestellt habe, die Leute lassen sich mehr ausreden. Weil die Technik ja so ein bisschen mehr Disziplin erzwingt, führt das auch tatsächlich zu einer größeren Sprechdisziplin. Also es geht höflicher und gesitteter zu, als im Sitzungssaal, wenn alle anwesend sind, wo ja dann doch manchmal die Emotionen ein bisschen hochkochen und dann auch entsprechend man sich auch leichter ins Wort fällt. Das passiert bei Videoverhandlungen sogar eher weniger. Positiver Nebeneffekt."
Gerichtsverhandlungen per Videokonferenz schon seit 2002 gestattet
Tatsächlich ist die Möglichkeit, Gerichtsverhandlungen auch per Videokonferenz abzuhalten, nicht neu. Schon seit 2002 können Gerichte den an einem Zivilprozess Beteiligten gestatten, an einer mündlichen Verhandlung von einem anderen Ort aus per Bild- und Tonübertragung teilzunehmen. Weil in Strafverfahren der Grundsatz der Unmittelbarkeit gilt, das heißt Angeklagte und Zeugen in der Regel physisch im Gerichtssaal anwesend sein müssen, kommt die Videotechnik hier nur in sehr seltenen Ausnahmefällen zum Einsatz.
Aber auch in Zivilverfahren wurden vor Beginn der Corona-Pandemie Videoverhandlungen kaum genutzt, auch weil die meisten Gerichte gar nicht über die technische Ausstattung dafür verfügten. Das hat sich während der Pandemie verändert. Allerdings sind die technischen Voraussetzungen von Bundesland zu Bundesland und selbst von Gericht zu Gericht nach wie vor sehr unterschiedlich. Für Bernhard Brückmann in Berlin ist jedenfalls klar: Videoverhandlungen sollten auch langfristig genutzt werden – auch dann noch, wenn die Pandemie vorbei ist.
„Der Druck, der jetzt durch Corona entstanden ist, und auch der Veränderungswille und die Veränderungsbereitschaft, diese Dynamik sollten auf jeden Fall mitgenommen werden."
„Der Druck, der jetzt durch Corona entstanden ist, und auch der Veränderungswille und die Veränderungsbereitschaft, diese Dynamik sollten auf jeden Fall mitgenommen werden."
Papierakte: An vielen deutschen Gerichten noch immer der Standard
Gerichtsverhandlungen per Videokonferenz: Das ist nur ein Teilaspekt, wenn es um die Digitalisierung der Justiz geht. Was das betrifft, hat Deutschland ziemlichen Aufholbedarf. So ist die Papierakte an vielen deutschen Gerichten nach wie vor das Maß der Dinge. Auf die elektronische Akte – die sogenannte E-Akte - müssen Richterinnen und Richter vielerorts noch warten. Und auch die Kommunikation mit der Anwaltschaft läuft noch nicht überall elektronisch. Zwar müssen ab Anfang nächsten Jahres alle Gerichte über ein elektronisches Justizpostfach erreichbar sein. Die Möglichkeit, selbst weiterhin Briefe oder Faxe zu verschicken, bleibt aber bestehen.
Das im Juli veröffentlichte EU-Justizbarometer 2021 verzeichnet Deutschland bei der Justizdigitalisierung nur im Mittelfeld.
Was etwa den Online-Zugang zu Gerichten betrifft und damit verbunden die Möglichkeit, Verfahren digital einzuleiten und zu verfolgen, liegt die Bundesrepublik gerade mal auf Platz 12. Der Jurist Martin Fries von der Ludwig-Maximilians-Universität München befasst sich mit der Digitalisierung des Rechts und beobachtet die Entwicklung seit Jahren.
„Die ersten Projekte sind frühzeitig angestoßen worden, Stichwort elektronischer Rechtsverkehr. Und jetzt sind wir seit doch vielen Jahren damit beschäftigt, diesen Fahrplan zum elektronischen Rechtsverkehr umzusetzen und das geht nicht besonders einfach, sondern es hapert an allen Ecken und Enden und gleichzeitig merken wir, es reicht noch nicht. Wir brauchen mehr und die Digitalisierung bietet auch mehr."
„Die ersten Projekte sind frühzeitig angestoßen worden, Stichwort elektronischer Rechtsverkehr. Und jetzt sind wir seit doch vielen Jahren damit beschäftigt, diesen Fahrplan zum elektronischen Rechtsverkehr umzusetzen und das geht nicht besonders einfach, sondern es hapert an allen Ecken und Enden und gleichzeitig merken wir, es reicht noch nicht. Wir brauchen mehr und die Digitalisierung bietet auch mehr."
Föderalismus blockiert effektive Digitalisierung der Justiz
Tatsächlich hatte die deutsche Justiz schon in den 1990er-Jahren begonnen, digitale Programme etwa für die Verwaltung von Verfahren zu entwickeln. Doch weil die Justiz weitgehend Ländersache ist, machte sich jedes Bundesland zunächst alleine auf den Weg. Zwar gibt es verschiedene Gremien, in denen sich die Länder versuchen abzustimmen, und einige von ihnen haben sich auch zusammengeschlossen, um Ressourcen zu bündeln. Aber dennoch gibt es eine Vielzahl digitaler Systeme und Programme, mit denen die Justiz heute arbeitet. Der Föderalismus verhindere die schnelle und effektive Digitalisierung der Justiz, sagt Martin Fries von der Universität München.
„Ja, definitiv ist der Föderalismus ein Hemmschuh. Wenn die Justizministerinnen und Justizminister in ihrer Konferenz zusammensitzen, dann geht es nicht immer nur darum, wie können wir gemeinsam unsere Projekte voranbringen, sondern dann gibt es schon auch Befindlichkeiten in den einzelnen Bundesländern und auch parteipolitische Überlegungen und die führen häufig zu Blockaden."
2017 haben die Justizministerinnen und -minister daher beschlossen, für alle 16 Bundesländer eine einheitliche Justizsoftware zu entwickeln.
„Eine tolle Idee“, sagt Bernhard Brückmann vom Amtsgericht Charlottenburg in Berlin.
„Ich finde es auch richtig, aber es ist leider nur bei diesem ersten Beschluss geblieben."
Und der betreffe auch nur einen Teil der Software, die bei Gericht benötigt werde.
„Es gibt weiterhin verschiedene Textsysteme, die landesspezifisch genutzt werden, es gibt weiterhin verschiedene E-Akten-Systeme, drei verschiedene E-Akten-Systeme die genutzt werden, zwei verschiedene Kommunikationsplattformen und es gibt verschieden Hardware-Umgebungen. So dass ich dieses eine Fachverfahren für verschiedene Umgebungen vorbereiten muss sowohl software- als auch hardwareseitig, und das macht die Sache unglaublich langwierig und kompliziert."
Brückmann hat daher auch gewisse Sympathie für den manchmal geäußerten Vorschlag, das IT-System der Justiz von Grund auf nochmal neu aufzusetzen – bundeseinheitlich. Das aber wäre politisch kaum durchzusetzen, vermutet er.
„Wenn Sie eine Entwicklung im öffentlichen Dienst beenden, weil Sie sagen, ich bin auf dem Holzweg, da komm ich nicht weiter, dann kommen Sie sofort im parlamentarischen Bereich in einen Rechtfertigungszwang. Sie müssen erläutern, ja warum wird da nicht weitergemacht. Dann müsste man ja zugeben, dass man Fehler gemacht hat. Und es ist für Politiker viel einfacher, auf dem falschen Weg weiterzugehen, als den erkannten falschen Weg schnell zu beenden und den neuen richtigen Weg zu beschreiten, was für den Steuerzahler auch viel billiger wäre und effektiver, aber parlamentarisch eben unheimlich schwierig zu erkennen ist."
„Ja, definitiv ist der Föderalismus ein Hemmschuh. Wenn die Justizministerinnen und Justizminister in ihrer Konferenz zusammensitzen, dann geht es nicht immer nur darum, wie können wir gemeinsam unsere Projekte voranbringen, sondern dann gibt es schon auch Befindlichkeiten in den einzelnen Bundesländern und auch parteipolitische Überlegungen und die führen häufig zu Blockaden."
2017 haben die Justizministerinnen und -minister daher beschlossen, für alle 16 Bundesländer eine einheitliche Justizsoftware zu entwickeln.
„Eine tolle Idee“, sagt Bernhard Brückmann vom Amtsgericht Charlottenburg in Berlin.
„Ich finde es auch richtig, aber es ist leider nur bei diesem ersten Beschluss geblieben."
Und der betreffe auch nur einen Teil der Software, die bei Gericht benötigt werde.
„Es gibt weiterhin verschiedene Textsysteme, die landesspezifisch genutzt werden, es gibt weiterhin verschiedene E-Akten-Systeme, drei verschiedene E-Akten-Systeme die genutzt werden, zwei verschiedene Kommunikationsplattformen und es gibt verschieden Hardware-Umgebungen. So dass ich dieses eine Fachverfahren für verschiedene Umgebungen vorbereiten muss sowohl software- als auch hardwareseitig, und das macht die Sache unglaublich langwierig und kompliziert."
Brückmann hat daher auch gewisse Sympathie für den manchmal geäußerten Vorschlag, das IT-System der Justiz von Grund auf nochmal neu aufzusetzen – bundeseinheitlich. Das aber wäre politisch kaum durchzusetzen, vermutet er.
„Wenn Sie eine Entwicklung im öffentlichen Dienst beenden, weil Sie sagen, ich bin auf dem Holzweg, da komm ich nicht weiter, dann kommen Sie sofort im parlamentarischen Bereich in einen Rechtfertigungszwang. Sie müssen erläutern, ja warum wird da nicht weitergemacht. Dann müsste man ja zugeben, dass man Fehler gemacht hat. Und es ist für Politiker viel einfacher, auf dem falschen Weg weiterzugehen, als den erkannten falschen Weg schnell zu beenden und den neuen richtigen Weg zu beschreiten, was für den Steuerzahler auch viel billiger wäre und effektiver, aber parlamentarisch eben unheimlich schwierig zu erkennen ist."
Arbeitsgruppe soll Digitalisierung vorantreiben
Wie die Digitalisierung der Justiz jenseits technischer Umstände prozessrechtlich vorangetrieben werden kann, dazu hat Anfang dieses Jahres eine Arbeitsgruppe der Präsidentinnen und Präsidenten der Oberlandesgerichte und des Bundesgerichtshofs ein umfangreiches Papier vorgelegt. Der Präsident des Oberlandesgerichtes Nürnberg, Thomas Dickert, hat die 2019 eingesetzte Arbeitsgruppe geleitet:
„Es geht um zwei Ansätze, das eine ist, mit den Mitteln der Digitalisierung den Zivilprozess noch effizienter zu gestalten und damit auch die Richterinnen und Richter aber auch die Servicekräfte zu entlasten und damit auch insgesamt schneller zu werden. Der andere Ansatz ist die Sicht des rechtssuchenden Bürgers und da geht es um das Anliegen, mit digitalen Tools den Zugang zum Recht zu verbessern."
Einer der Vorschläge: Bei der bis 2026 flächendeckend einzuführenden E-Akte sollen die wichtigsten Daten bereits automatisch übernommen werden. Bisher müssen die Angaben zu den Klageanträgen oder zu den angebotenen Beweisen mit großem Aufwand per Hand in die elektronische Akte eingegeben werden.
„Also auch da nutzen wir die Potenziale noch nicht, da könnte man sich zum Beispiel eine künstliche Intelligenz vorstellen, die solche Strukturdaten aus den Dokumenten ausliest."
„Es geht um zwei Ansätze, das eine ist, mit den Mitteln der Digitalisierung den Zivilprozess noch effizienter zu gestalten und damit auch die Richterinnen und Richter aber auch die Servicekräfte zu entlasten und damit auch insgesamt schneller zu werden. Der andere Ansatz ist die Sicht des rechtssuchenden Bürgers und da geht es um das Anliegen, mit digitalen Tools den Zugang zum Recht zu verbessern."
Einer der Vorschläge: Bei der bis 2026 flächendeckend einzuführenden E-Akte sollen die wichtigsten Daten bereits automatisch übernommen werden. Bisher müssen die Angaben zu den Klageanträgen oder zu den angebotenen Beweisen mit großem Aufwand per Hand in die elektronische Akte eingegeben werden.
„Also auch da nutzen wir die Potenziale noch nicht, da könnte man sich zum Beispiel eine künstliche Intelligenz vorstellen, die solche Strukturdaten aus den Dokumenten ausliest."
Idee eines Online-Portals zur Justiz für die Bürger
Für die Bürger soll es, so schlägt es die Arbeitsgruppe weiter vor, ein Justizportal geben, das einen umfassenden Zugang zur Justiz eröffnen soll. Zahlreiche digitale Angebote könnten hier bereitgestellt werden: ein Online-Mahnverfahren zum Beispiel, ein beschleunigtes Online-Verfahren für geringe Streitwerte und etwa eine virtuelle Rechtsantragstelle. Durch Erläuterungen und intelligente Eingabehilfen sollen die Nutzer Unterstützung bei der Auswahl des geeigneten Rechtsbehelfs und der Fassung von Anträgen erhalten, heißt es in dem Papier der Arbeitsgruppe. Einen ersten Schritt zur Umsetzung eines solchen Justizportals hat das Bundesjustizministerium bereits unternommen. Im Rahmen der unter der Schirmherrschaft des Bundeskanzleramtes gestarteten Initiative tech4germany haben sich fünf junge sogenannte Fellows in den vergangenen Monaten mit der Frage befasst, wie ein möglichst niedrigschwelliger Zugang zur Justiz für Bürgerinnen und Bürger ermöglicht werden kann.
„Unser Projekt ist ursprünglich unter dem Titel Digitales Klagetool gestartet und wir haben es dann irgendwann umgemünzt in digitale Klagewege“, erzählt Eileen Einwächter. Vor einigen Monaten hat sie ihr Technologie-Management-Studium in München beendet und ist dann nach Berlin gekommen, um an dem zwölfwöchigen Projekt mitzuarbeiten. Die Ergebnisse der Arbeit kann man sich seit Anfang November anschauen. Im Internet findet man den von der Projektgruppe konzipierten und dann auch programmierten Prototypen für ein Internetportal, das Bürgerinnen und Bürger über ihre Rechte aufklärt und sie bei deren Durchsetzung unterstützt. Zur Vorbereitung haben die Fellows „mit ganz vielen Bürger:innen gesprochen, um einfach zu verstehen, o.k., was sind denn die Probleme, was sind denn die Hürden im Zugang zur Justiz, zum Recht."
Die Schwierigkeiten fangen weit vor Einreichung einer Klage an, so die Erkenntnis. Bürgerinnen und Bürger wüssten häufig gar nicht, ob und welche gesetzlichen Regelungen es für ihr Problem gibt. Nicht zuletzt, weil verlässliche und verständliche Informationen in der Regel nicht kostenfrei verfügbar sind, erklärt Wirtschaftsinformatiker Marcus Novotny.
„Sagen Sie mal, Sie haben wirklich einen Schimmelfleck in der Wohnung und Sie fragen sich, wer ist denn jetzt dafür verantwortlich, was muss ich jetzt da machen. Und Sie gehen ins Internet und Sie suchen "Schimmel in der Wohnung beseitigen" oder "Rechte bei Schimmel". Dann finden Sie seitenlange Blogartikel von unterschiedlichsten Quellen und die meisten wollen Ihnen etwas verkaufen. Und Sie wissen eigentlich nicht, können Sie denen vertrauen. Sie müssen sich da erstmal durchwälzen und wissen gar nicht, was trifft eigentlich auf mich zu."
Im Projekt wurde deshalb eine Art Wegweiser entwickelt, „der Ihnen dabei helfen soll, erstmal Ihr Problem einordnen zu können, um dann auch mögliche rechtliche Ansprüche – erstmal zu erfahren, ob Sie die überhaupt haben – und dann auch Tipps zu bekommen, wie man diese Ansprüche dann einfordern könnte."
In einem Dialog dieses Wegweisers wird zunächst einmal der Sachverhalt abgefragt, erklärt Marcus Novotny:
„Mit diesem Frage-Antwort-Spiel, was wir hier machen, filtern wir effektiv die Informationen, die für Sie in ihrem Fall relevant sind. Das heißt, wir versuchen rauszufinden, was für ein Problem haben Sie und dann versuchen wir herauszufinden, in welchem Punkt sind Sie denn gerade in ihrem Problemprozess. Besteht der Schimmel noch, oder haben Sie den schon beseitigt, hatten Sie schon Kontakt mit Ihrer Vermieterin? Weil, das hat einen Einfluss darauf, was Sie als nächstes machen müssen. Ob Sie zum Beispiel eine Mängelanzeige schreiben müssen oder ob Sie vielleicht Schadensersatz fordern können oder im letzten Schritt, wenn alles nicht mehr hilft, ob Sie vielleicht an einem Punkt sind, wo Sie tatsächlich eine Klage einreichen müssten. Und auch das wäre dann über das Portal möglich."
Die Ergebnisse des Projekts sollen dem Ausbau digitaler Zugänge zur Justiz zugrunde gelegt werden, heißt es aus dem Bundesjustizministerium. Man prüfe derzeit die rechtlichen Voraussetzungen und Gestaltungsmöglichkeiten zur Einführung eines zivilgerichtlichen Online-Verfahrens und stehe in diesem Zusammenhang bereits in einem engen Austausch mit den Justizverwaltungen der Länder und der Anwaltschaft. Wie der digitale Zugang zur Justiz funktionieren kann, zeigt das Beispiel Dänemark. Dort gibt es seit 2017 das Internetportal minretssag – übersetzt etwa "Mein Rechtsfall". Das dahinterstehende IT-System habe zwei Funktionen, erzählt Henrik Rhod, Direktor des Stadtgerichts Bornholm.
„Es gibt ein Case Management System, mit dem das Gericht den Fall bearbeiten kann. Darüber hinaus haben wir ein elektronisches Portal, über das die Öffentlichkeit oder die Anwaltschaft mit dem Gericht in Kontakt treten kann.“
„Unser Projekt ist ursprünglich unter dem Titel Digitales Klagetool gestartet und wir haben es dann irgendwann umgemünzt in digitale Klagewege“, erzählt Eileen Einwächter. Vor einigen Monaten hat sie ihr Technologie-Management-Studium in München beendet und ist dann nach Berlin gekommen, um an dem zwölfwöchigen Projekt mitzuarbeiten. Die Ergebnisse der Arbeit kann man sich seit Anfang November anschauen. Im Internet findet man den von der Projektgruppe konzipierten und dann auch programmierten Prototypen für ein Internetportal, das Bürgerinnen und Bürger über ihre Rechte aufklärt und sie bei deren Durchsetzung unterstützt. Zur Vorbereitung haben die Fellows „mit ganz vielen Bürger:innen gesprochen, um einfach zu verstehen, o.k., was sind denn die Probleme, was sind denn die Hürden im Zugang zur Justiz, zum Recht."
Die Schwierigkeiten fangen weit vor Einreichung einer Klage an, so die Erkenntnis. Bürgerinnen und Bürger wüssten häufig gar nicht, ob und welche gesetzlichen Regelungen es für ihr Problem gibt. Nicht zuletzt, weil verlässliche und verständliche Informationen in der Regel nicht kostenfrei verfügbar sind, erklärt Wirtschaftsinformatiker Marcus Novotny.
„Sagen Sie mal, Sie haben wirklich einen Schimmelfleck in der Wohnung und Sie fragen sich, wer ist denn jetzt dafür verantwortlich, was muss ich jetzt da machen. Und Sie gehen ins Internet und Sie suchen "Schimmel in der Wohnung beseitigen" oder "Rechte bei Schimmel". Dann finden Sie seitenlange Blogartikel von unterschiedlichsten Quellen und die meisten wollen Ihnen etwas verkaufen. Und Sie wissen eigentlich nicht, können Sie denen vertrauen. Sie müssen sich da erstmal durchwälzen und wissen gar nicht, was trifft eigentlich auf mich zu."
Im Projekt wurde deshalb eine Art Wegweiser entwickelt, „der Ihnen dabei helfen soll, erstmal Ihr Problem einordnen zu können, um dann auch mögliche rechtliche Ansprüche – erstmal zu erfahren, ob Sie die überhaupt haben – und dann auch Tipps zu bekommen, wie man diese Ansprüche dann einfordern könnte."
In einem Dialog dieses Wegweisers wird zunächst einmal der Sachverhalt abgefragt, erklärt Marcus Novotny:
„Mit diesem Frage-Antwort-Spiel, was wir hier machen, filtern wir effektiv die Informationen, die für Sie in ihrem Fall relevant sind. Das heißt, wir versuchen rauszufinden, was für ein Problem haben Sie und dann versuchen wir herauszufinden, in welchem Punkt sind Sie denn gerade in ihrem Problemprozess. Besteht der Schimmel noch, oder haben Sie den schon beseitigt, hatten Sie schon Kontakt mit Ihrer Vermieterin? Weil, das hat einen Einfluss darauf, was Sie als nächstes machen müssen. Ob Sie zum Beispiel eine Mängelanzeige schreiben müssen oder ob Sie vielleicht Schadensersatz fordern können oder im letzten Schritt, wenn alles nicht mehr hilft, ob Sie vielleicht an einem Punkt sind, wo Sie tatsächlich eine Klage einreichen müssten. Und auch das wäre dann über das Portal möglich."
Die Ergebnisse des Projekts sollen dem Ausbau digitaler Zugänge zur Justiz zugrunde gelegt werden, heißt es aus dem Bundesjustizministerium. Man prüfe derzeit die rechtlichen Voraussetzungen und Gestaltungsmöglichkeiten zur Einführung eines zivilgerichtlichen Online-Verfahrens und stehe in diesem Zusammenhang bereits in einem engen Austausch mit den Justizverwaltungen der Länder und der Anwaltschaft. Wie der digitale Zugang zur Justiz funktionieren kann, zeigt das Beispiel Dänemark. Dort gibt es seit 2017 das Internetportal minretssag – übersetzt etwa "Mein Rechtsfall". Das dahinterstehende IT-System habe zwei Funktionen, erzählt Henrik Rhod, Direktor des Stadtgerichts Bornholm.
„Es gibt ein Case Management System, mit dem das Gericht den Fall bearbeiten kann. Darüber hinaus haben wir ein elektronisches Portal, über das die Öffentlichkeit oder die Anwaltschaft mit dem Gericht in Kontakt treten kann.“
Beispiel Dänemark: Alle Bürger, die älter als 15 Jahre sind, besitzen eine digitale Identität
Über dieses Portal können nicht nur Klagen eingereicht werden, sie müssen es sogar. Die Nutzung von minretssag ist obligatorisch in allen Zivilprozessen und Familienangelegenheiten. Für Strafverfahren ist das System nicht vorgesehen. Der Zugang zum Portal erfolgt über die digitale Identität, die alle Bürger Dänemarks, die älter als 15 Jahre alt sind, besitzen und mit der sie unter anderem auf eine Vielzahl digitaler öffentlicher Serviceleistungen zugreifen können. Die Kommunikation läuft über den damit verbunden digitalen Briefkasten. Von Beginn an geht alles digital, Papier ist gar nicht mehr vorgesehen: Eine Klage wird beispielsweise elektronisch eingereicht. Wenn sie beim Gericht eintrifft, wird die Gegenseite – natürlich ebenfalls elektronisch – informiert.
„Wann immer es Neuigkeiten zum Fall gibt, bekommen die Parteien eine Meldung per E-Mail und dann können sie sich am Portal einloggen, um zu sehen, was es Neues gibt. Egal ob es nur ein kleiner Hinweis ist oder ein neues Dokument, das hochgeladen wurde."
Und natürlich ist schließlich auch das Urteil online abrufbar. Vom Richter nicht mehr handschriftlich, sondern digital signiert. Lediglich bei der mündlichen Verhandlung findet in der Regel nach wie vor ein echtes Treffen der Beteiligten statt, erzählt Richter Henrik Rhod.
„Es hat ja doch einiges für sich, wenn die Parteien im Gerichtssaal präsent sind. Nicht zuletzt, um sie zu einer gütlichen Einigung zu bringen. Die Wahrscheinlichkeit ist hier viel größer, wenn die Parteien physisch im Gerichtssaal sind, als bei einer Videoverhandlung."
Und in Familiensachen gebe es ohnehin viele Fälle, die sich grundsätzlich nicht für eine Videoverhandlung eigneten. Dass aber die ganze Arbeit drum herum digital erledigt werden kann, davon ist Henrik Rhod begeistert. Und die meisten seiner Kollegen seien es auch.
„Es ist flexibler. Ich kann von zu Hause aus arbeiten, ich kann vom Hotel aus arbeiten oder wenn ich unterwegs bin. Überall, wo es Internet und eine sichere Netzwerkverbindung gibt, habe ich Zugriff auf das System. Und es ist auch leichter, ein Urteil zu schreiben, weil man aus den Schriftsätzen der Parteien herauskopieren kann. "
„Wann immer es Neuigkeiten zum Fall gibt, bekommen die Parteien eine Meldung per E-Mail und dann können sie sich am Portal einloggen, um zu sehen, was es Neues gibt. Egal ob es nur ein kleiner Hinweis ist oder ein neues Dokument, das hochgeladen wurde."
Und natürlich ist schließlich auch das Urteil online abrufbar. Vom Richter nicht mehr handschriftlich, sondern digital signiert. Lediglich bei der mündlichen Verhandlung findet in der Regel nach wie vor ein echtes Treffen der Beteiligten statt, erzählt Richter Henrik Rhod.
„Es hat ja doch einiges für sich, wenn die Parteien im Gerichtssaal präsent sind. Nicht zuletzt, um sie zu einer gütlichen Einigung zu bringen. Die Wahrscheinlichkeit ist hier viel größer, wenn die Parteien physisch im Gerichtssaal sind, als bei einer Videoverhandlung."
Und in Familiensachen gebe es ohnehin viele Fälle, die sich grundsätzlich nicht für eine Videoverhandlung eigneten. Dass aber die ganze Arbeit drum herum digital erledigt werden kann, davon ist Henrik Rhod begeistert. Und die meisten seiner Kollegen seien es auch.
„Es ist flexibler. Ich kann von zu Hause aus arbeiten, ich kann vom Hotel aus arbeiten oder wenn ich unterwegs bin. Überall, wo es Internet und eine sichere Netzwerkverbindung gibt, habe ich Zugriff auf das System. Und es ist auch leichter, ein Urteil zu schreiben, weil man aus den Schriftsätzen der Parteien herauskopieren kann. "
Mit der Digitalisierung der Verfahren ergibt sich noch eine weitere Möglichkeit: So will Dänemark in einigen Monaten eine umfangreiche Urteilsdatenbank veröffentlichen, in der sämtliche, zunächst zivilgerichtliche Entscheidungen kostenlos zugänglich gemacht werden. Weil die Urteile ja bereits in digitaler Form gespeichert sind, sei das nur folgerichtig, meint Henrik Rhod. Sie müssten ja nur noch pseudonymisiert werden. Dann werden alle Bürgerinnen und Bürger jederzeit Zugriff auf sämtliche Urteile von Zivilgerichtsverfahren des Landes haben.
„Und ich glaube, dass es wichtig ist für die Reputation der Gerichte, dass sie und ihre Arbeit transparent sind."
Von diesem Stand der Digitalisierung sind deutsche Gerichte noch weit entfernt. Die Hoffnungen liegen jetzt auch auf der neuen Bundesregierung. SPD, Grüne und FDP haben sich im Koalitionsvertrag eine umfassende Digitalisierung vorgenommen – für die Justiz ist ein Digitalpakt vorgesehen. Noch einmal der Rechtswissenschaftler Martin Fries:
„Von der neuen Regierung wünsche ich mir, dass sie sieht, dass es in der Justiz Nachholbedarf gibt. Dass sie gleichzeitig auch sieht, dass die Digitalisierung da viele Chancen gibt. Und wenn wir die nutzen, glaube ich, dann sind wir gut aufgestellt für die Justiz der Zukunft.“