Jörg Biesler: Heute startet die Themenwoche "Campus im Netz" zur Digitalisierung der Hochschulen bei "Campus und Karriere". Gerade haben wir im Beitrag gehört, wie der Hochschulalltag aussehen könnte in 15 Jahren, jetzt fragen wir nach dem aktuellen Stand, und zwar Oliver Janoschka, den Leiter der Geschäftsstelle Hochschulforum Digitalisierung beim Stifterverband. Guten Tag, Herr Janoschka!
Oliver Janoschka: Ja, ich grüße Sie auch!
Biesler: Sie wenden sich in dieser Woche auch der Digitalisierung zu, Digital Turn heißt die Themenwoche bei Ihnen. Das klingt nach Epochenumbruch, als ob da was ganz Wichtiges im Gang ist!
Janoschka: Wir glauben tatsächlich, dass sich auf ganz vielen Ebenen so einiges bewegt, in den letzten Jahren noch mal ganz stark auch in der deutschen Hochschulszene. Und wir haben das mit dem Hochschulforum Digitalisierung aufgegriffen. Da ist jetzt die Halbzeitkonferenz von dem Gesamtprojekt und wir haben gesagt, das ist eben rein von der Idee des Forums nicht eine Sache, die nur aus uns heraus vorgestellt werden sollte, sondern dass es wichtig ist, mit Partnern in verschiedenen Veranstaltungen dieses Thema zu beleuchten. Und das ist uns jetzt mit dieser Digital-Turn-Woche gelungen, weil wir eben sehen, in den Hochschulen bewegt sich was, in den Unternehmen ist das ein Leitthema, in der Politik auch. Und hier kommen jetzt über 1.000 Leute zusammen in einer Woche, um in sechs Veranstaltungen das mal genau zu durchleuchten und auch zu zeigen, was passiert bereits, was funktioniert und wo sind eben auch die Baustellen, die noch angegangen werden müssen!
Biesler: Ja, wo sind sie, die Baustellen? Wir haben jetzt gerade im Beitrag gehört, virtuelle Vorlesungen gibt es, wird es womöglich vermehrt geben, Leistungs- und Potenzialbewertung durch Software nach Analyse sämtlicher Lerndaten, das war ein Thema. Heute sind das eher Einzelfälle, was passiert heute konkret an den Hochschulen, wo sind die Schauplätze der Digitalisierung?
Janoschka: Also, wir haben erst mal festgestellt, dass eine ganz zentrale Frage sich darum dreht, wie wird das eigentlich als ein Leitthema auch strategisch besetzt? Was kann die Hochschule eigentlich tun, um das auf allen Ebenen gut zu nutzen und auch weiterzuentwickeln? Insgesamt wird aus unserer Wahrnehmung die Lehre eindeutig aufgewertet und wichtiger, und dass sich eben auch durch die digitalen Medien ganz viele neue Chancen ergeben. Jetzt haben wir ja die Möglichkeit, durch das digitale Lernen noch mal in einer ganz anderen Weise zu schauen, wer macht eigentlich mit welcher Geschwindigkeit welchen Erfolg, an welchen Inhalten nimmt der teil? Und wie können wir diesen Prozess uns anschauen und daraus auch neue Erkenntnisse gewinnen für die Weiterentwicklung der Hochschuldidaktik?
Biesler: Um das noch mal so ein bisschen auseinanderzuklamüsern: Es gibt auf der einen Seite die technische Entwicklung, die Digitalisierung passiert einfach. Also, wir haben diese Geräte, wir haben die neuen Möglichkeiten, es gibt die Datenströme, die Leitungen sind leistungsfähiger, als das in der Vergangenheit war. Aber wenn ich Sie richtig verstanden habe, die Inhalte dafür haben wir noch nicht unbedingt. Aber die digitale Datensammelei kann uns dabei helfen, die Inhalte möglichst gut für die Personen, die lernen wollen, zu konditionieren?
Janoschka: Genau. Wir glauben einfach, dass in der Form der Zusammenarbeit ganz neue Dinge gemacht werden können. Wie können Hochschulen miteinander zusammenarbeiten, wie können die Studierenden mit den Professoren zusammenarbeiten und was heißt das beispielsweise auch für ein neues Verständnis der Curricula, auch für unterschiedliche Zielgruppen? Wenn Sie sich anschauen, wer studiert heute eigentlich mit welchen Hintergründen, Stichwort Integration mit beruflichen Anforderungen, Stichwort Familie, dann glauben wir, hier gibt es ganz neue Möglichkeiten das flexibler und individualisierter zu handhaben.
Physische Präsenz auch nach wie vor sehr wichtig
Biesler: Zwei wesentliche Kritikpunkte möchte ich noch ansprechen. Der eine ist natürlich der, dass es viele Leute geben wird, die sagen – und ich vermute mal, unter den Professoren wird der eine oder andere dabei sein, und Professorinnen –, die sagen, nein, also, alles online, das ist kompletter Blödsinn, wir brauchen eigentlich den unmittelbaren Kontakt, wir müssen uns in einem Raum versammeln! Wie wird das Verhältnis von Virtualität und Realität dann in Zukunft sein?
Janoschka: Wir glauben, dass die Zusammensetzung zwischen Präsenz und dem, was eben digital möglich ist, dass die noch mal neu gedacht und auch im wahrsten Sinne und im übertragenen Sinne gebaut werden muss. Also, nehmen Sie sich so einen Hörsaal, der ja auch in dem Beitrag vorkommt, da kann man sagen, das ist vielleicht nie die beste Lernform gewesen, aber jetzt haben wir eben noch mal eine andere Möglichkeit, das neu zu gestalten. Wie kann ein Lernraum aussehen, der optimal mit den digitalen Möglichkeiten die einzelnen Studierenden da voranbringt? Und insofern ist eben die Präsenz, glaube ich, nach wie vor sehr wichtig, aber sie muss eben noch mal in einer anderen Weise mit dem, was digital möglich ist, zusammengebracht werden. Und da ist wirklich noch viel Luft nach oben. Unterm Strich: Wir treffen uns ja jetzt auch hier in Berlin noch mal ganz physisch, face to face, weil wir eben sagen: Der Wert ist da, aber das, was eben vorher digital passiert, das, was danach verfügbar ist, das gibt ein ganz neues Zusammensetzungsspiel.
Biesler: Zweiter ganz wesentlicher Kritikpunkt: Datenschutzprobleme! Wir hatten schon den einen oder anderen Fall, wo an Hochschulen Prüfungsergebnisse oder Immatrikulationslisten öffentlich geworden sind, was eigentlich nicht passieren darf. Dafür gibt es noch keine Pauschallösungen, oder?
Janoschka: Da haben Sie ganz recht, das ist so auf einen Punkt nicht zu lösen. Wir glauben, dass es sehr wichtig ist, dass es Datenschutzgesetze und entsprechende Regelungen gibt, die das auch nach wie vor und insbesondere jetzt mit den Veränderungen weiter stark machen, dass es eben diese Schutzfunktion erfüllt. Aber wir sehen eben auf der anderen Seite, dass es durch die technologischen Veränderungen wichtig ist, dass das auch nicht von jemandem ehrenamtlich nebenbei gemacht wird. Also, wir haben das in der einen These genannt, es reicht eben nicht mehr, dass es einen Datenschutzbeauftragten gibt, auch da braucht es die Kompetenz in den Institutionen wie im Land, um eben damit umzugehen, was passiert jetzt gerade um uns herum und wie können wir das für uns greifen und weiterentwickeln.
Biesler: Darüber wird nachgedacht in dieser Woche beim Hochschulforum Digitalisierung des Stifterverbandes und hier im Radio bei "Campus und Karriere" im Deutschlandfunk. Oliver Janoschka ist Leiter der Geschäftsstelle Hochschulforum Digitalisierung beim Stifterverband, vielen Dank, Herr Janoschka!
Janoschka: Ich danke Ihnen, Herr Biesler!
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