Das Otto-Nagel-Gymnasium in Berlin. 750 Schüler, Glasfaser-Anschluss, jeder Schüler hat ein Notebook. Hausaufgaben und Unterrichtsmaterial seien oft digital, sagt die stellvertretende Schulleiterin Dana Wolfram. Sehr wichtig sei an ihrer Schule der Austausch von Dokumenten, von frei verwendbarem Unterrichtsmaterial, sogenannten Open Educational Resources: "Viele arbeiten hier bei uns dann privat mit der Dropbox oder die nutzen den Lernraum, der vom Senat gestellt wird."
Dropbox ist ein amerikanischer Anbieter mit Servern in den USA, der den Austausch von Dateien ermöglicht. Der "Lernraum Berlin" ist ein Gratis-Angebot auf Servern des Landes Berlin. Mit der Open-Source-Software Moodle können Lehrende und Lernende, aber auch Eltern dort Dokumente speichern, austauschen und miteinander kommunizieren – alles Funktionen, die auch sogenannte Schul-Clouds leisten sollen.
Clouds in NRW und Baden-Württemberg vor dem Aus
"Wenn man sich die Landschaft an Schul-Clouds in Deutschland anguckt, dann ist die sehr bunt und vielfältig", sagt Richard Heinen. Er war lange am "Learning Lab" der Uni Duisburg-Essen und ist jetzt zuständig für Bildung im Digitalen Wandel bei der Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft. Um Dateien zentral zu speichern, Kalender, Dokumente und Bilder zu tauschen, hätten sich Schulen in Deutschland viel einfallen lassen, sagt Heinen: Es gibt von Schüler gewartete Selbstbau-Server, oder auch Office-Angebote internationaler Hersteller, die auch Daten der Schüler ohne deren Wissen abziehen.
"Insgesamt eine sehr bunte und vielfältige Landschaft, die aus meiner Sicht vor allem daran krankt, dass sie untereinander schlecht vernetzt ist. Das heißt, es ist schwierig, einen Durchfluss von Dokumenten, gerade von OER, von einer Cloudlösung in die andere zu gestalten, das ist immer wieder ein händisches Hin- und Herschieben." Aus diesem Grund wollten mehrere Bundesländer eigene, landesweite Schul-Wolken entwickeln, um Unterrichtsmaterial leichter tauschen zu können, damit Schülerdaten besser geschützt sind. Doch die Schul-Clouds "Logineo" in NRW und "Ella" in Baden-Württemberg, deren Entwicklung bereits mehrere Millionen Euro gekostet hat, stehen vor dem Aus. Beide Landes-Clouds hatten erhebliche technische Mängel und Probleme mit dem Datenschutz.
Systeme von Schülern oft nicht akzeptiert
Von solchen Problemen der Länder profitiert ein anderes, umstrittenes Projekt: die Schul-Cloud des Potsdamer Hasso-Plattner-Instituts, das mit acht Millionen Euro Steuergeld vom Bundesforschungsministerium gefördert wird. Mit teuren Image-Filmen und dicken Hochglanz-Broschüren wirbt das private Forschungs-Institut für seine Geschmacksrichtung der Schul-Cloud. Sie wird aktuell an 60 Schulen erprobt. Jan Renz leitet das Schulcloud-Projekt beim HPI: "Wir haben nichts davon, wenn jedes Land einzeln losrennt und einzelne Lösungen baut. Sondern es ist natürlich auch betriebswirtschaftlich sinnvoll, dass man schaut, welche Aufgaben, welche Bedürfnisse sind denn gleich über Ländergrenzen hinweg? Und dann kann ich auch länderübergreifend Synergien nutzen."
Die Schul-Cloud des HPI sei Open Source, modular und offen für Drittanbieter. "Das kann sowas sein wie einzelne Tools zur Kooperation, Messenger zur Kommunikation, aber auch einzelne Werkzeuge zur Unterrichtsvorbereitung- und Durchführung." Dieses Konzept hat das Hasso-Plattner-Institut vergangene Woche auch der Kultusminister-Konferenz vorgestellt, also den Bundesländern. Das Echo war zurückhaltend, sagen Teilnehmer. Gründe für die Skepsis sind offene Fragen, etwa nach der Flexibilität einer solchen zentral entwickelten und zentral verwalteten Cloudlösung: Lassen sich wirklich notwendige externe Dienste integrieren? Und machen sich Schulen nicht abhängig von einem privaten Institut?
Darüber hinaus gibt es ein grundsätzliches Problem: Schul-Cloud-Systeme würden von Schülern oft nicht akzeptiert, sagt ein Schulleiter aus Berlin, weil WhatsApp und Co. als praktischer, schneller, besser empfunden würden. Wer Kinder fit machen wolle für eine digitale Welt, sagt Realschullehrer Dejan Mihajlovic aus Freiburg, müsse sie auch früh mit dieser Welt konfrontieren – und mit der Konsequenz: "Damit zu arbeiten, womit alle arbeiten, das heißt mit den Diensten, mit den Netzwerken, die einfach vorhanden sind, wo alle sich einfach aufhalten. So eine Cloud ist eine eigene Welt, die geschaffen wird. Und ich bin nicht so richtig sicher, inwieweit das funktioniert."