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Digitalisierung im Breitensport
Wie Sportvereine sich digitaler aufstellen

Mitgliedsanträge auf dem Zettel, Teilnehmerlisten auf Papier: Bei der Digitalisierung hinken viele Sportvereine noch hinterher. Dabei stecken in der digitalen Transformation viele Chancen.

Von Michael Watzke |
Eine virtuelle Pressekonferenz übertragen auf einem Smartphone
Die Digitalisierung bietet für die Sportvereine viele Chancen, doch noch nicht alle Vereine nutzen die Möglichkeiten. (dpa / picture alliance / Philipp Szyza)
„So wie man früher vielleicht eine Vereinszeitung gemacht und im Dorf verteilt hat, ist das jetzt sozusagen die neue Vereinszeitung, wo man die Inhalte einfach auch online ausspielen muss, um die Menschen zu erreichen.“
Mit „das“ meint Sven Laumann, Professor für Wirtschaftsinformatik, die digitalen Medien und ihre Möglichkeiten und Gefahren. Der Wissenschaftler von der Friedrich-Alexander-Universität Nürnberg plädiert dafür:
„… dass wir im organisierten Amateursport tatsächlich die Chancen der Digitalisierung sehen. Aber auch verstehen, dass da die Gefahr lauert, dass uns das irgendwo überflüssig machen könnte und wir den Weg zusammen gestalten müssen, damit der Sport am Ende analog bleiben kann, weil er verstanden hat, dass er digitaler werden muss.“

Digitalisierung im Breitensport hat viele Facetten

Digitalisierung im Breitensport hat viele Facetten: es ist die Fußball-Tabelle, die die Kreisligamannschaft schon kurz nach Spielende im Internet abrufen kann – inclusive Spielbericht und Torschützenliste. Es ist die Teilnehmerliste, in die sich Leichtathleten übers Handy eintragen können statt auf Papier. Vor allem aber ist es eine Frage der Kommunikation – vereinsintern und nach außen, sagt Jörg Amon, Präsident des Bayerischen Landessport-Verbandes (BLSV).
„Wenn man sich die Veränderung der Kommunikation gerade in den letzten zehn, fünfzehn Jahren durch die sozialen Medien anschaut, die tagtäglich, stündlich, minütlich, also dauerhaft zur Verfügung stehen mit Bildern, kurzen Texten, Musik und Videos, dann spürt man, dass da ein enormer Umbruch war.“

Digitale Mitgliedsausweise

Ein Umbruch, den längst noch nicht alle der 11.700 Sportvereine in Bayern realisiert haben. Dabei ist der Freistaat in Sachen Digitalisierung vorne dabei, findet Amon.
„Wir versuchen, die Digitalisierung in die Hand zu nehmen und die Menschen zu entlasten. Der bayerische Landessport-Verband hat deswegen vor einigen Jahren eine eigene Digitaltochter gegründet.“
Die bietet zum Beispiel "Verein 360 Manager" an, eine kostenlose Software, die den Sportvereinen im BLSV die Verwaltung ihrer Klubdaten erleichtern und digitale Mitgliedsausweise ermöglichen soll.
„Das kann man dann gerne nutzen. Für die Bestandserhebung nutzt man 'Verein360' sowieso schon. Und mit dem 'Manager' kann jetzt Stück für Stück auch die eigenen Abteilungen verwalten und Unfallschäden – weil es ja doch auch Sportunfälle gibt – unserem Versicherungspartner melden. So versuchen wir die Mitglieder zu entlasten, und die fühlen sich damit auch ganz gut entlastet.“

Mitgliedsanträge auf Papierzetteln

Aber nicht alle Angebote sind kostenlos. Wer ein weiteres Softwarepaket des BLSV bucht, um Mitgliedsbeiträge digital zu verwalten und die Vereinskommunikation zu verbessern – der muss zahlen. In vielen Vereinen gibt es durchaus noch Widerstände. Vor allem ältere Funktionäre sehen in zu viel Digitalisierung eine Gefahr für den Sport. Der sei und bleibe schließlich analog – ob auf dem Tennisplatz, in der Sporthalle oder dem Schwimmbecken. Aber das eine schließe das andere nicht aus, findet der Wirtschaftsinformatiker Sven Laumer, dem Mitgliedsanträge auf Papierzetteln ein Graus sind. Sowas gehöre im Jahr 2023 zum Download ins Netz.
„Diejenigen, die da nicht präsent sind, tun sich schwer, Menschen zu erreichen. Deshalb darf auch der organisierte Sport, die Sportvereine nicht vor dem Thema zurückschrecken. Sondern muss das als Chance sehen, Menschen zu binden und zu gewinnen. Weil es inzwischen eben auch Plattformen von kommerziellen Anbietern gibt, die Sport organisieren. Und dadurch eine Konkurrenz durch private Anbieter entsteht, deren erstes Interesse eine Kommerzialisierung ist.  Die stehen dann in Konkurrenz zu den Sportvereinen und –Verbänden.“
Und diese kommerziellen Anbieter – von der „Münchner Fußball-Schule“ bis zur „Boulder-Welt“ – sind digitaltechnisch bestens organisiert. Umso wichtiger sei es, die meistens ehrenamtlich tätigen „Vereins-Meier“ mit den richtigen Instrumenten auszustatten. Von Anfang an.

"Coden und kicken"

„Und da bietet dann beispielsweise der Bayerische Fußballverband und das bayerische Digitalministerium zusammen ein Programm 'Coden und kicken' an. Um schon den Kleinsten zu sagen: wir kicken, aber wir coden auch. Also wir machen Sport und bauen dann zusammen die Website für den Sport. Um die beiden Themen zu verbinden und zu zeigen, wie wichtig Digitalkompetenzen heute sind. Auch wenn man nicht Professor für Wirtschaftsinformatik werden will", sagt Sven Laumer, Professor für Wirtschaftsinformatik.
Der Druck, der auf den deutschen Sportvereinen lastet, ist immens. In der Corona-Zeit kämpften sie gegen Mitgliederschwund, fehlende Sportstätten und abgesagte Veranstaltungen. Jörg Amon, Präsident des Bayerischen Landessport-Verbandes, gibt sich trotzdem zuversichtlich.
"Wir haben bisher ein Drittel der bayerischen Bevölkerung in Sportvereinen. Wir wollen auch noch in Richtung zweites Drittel, die so Sport machen. Weil der Sportverein einfach die coolste Einrichtung schlechthin ist."