Sandra Schulz: Bildung ist Ländersache und weil Bund und Länder ihre Finanzen fein säuberlich getrennt halten müssen, nach dem sogenannten Kooperationsverbot des Grundgesetzes, kann der Bund den Ländern im Bildungsbereich nicht einfach Geld überweisen, wenn ihm etwas wichtig ist. Darum will die Große Koalition unter anderem im Bildungsbereich eine nicht ganz so strenge Trennung der Finanzen. Mit dem Geld des sogenannten Digitalpaktes soll die Digitalisierung in Schulen vorangetrieben werden. In der vergangenen Woche hat der Bundestag sich mit großer Mehrheit dafür ausgesprochen. Für die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit waren auch FDP und Grüne an Bord. Aus immer mehr Bundesländern kommt jetzt aber Widerstand. Ob die Pläne auch im Bundesrat die nötige Mehrheit bekommen, das ist im Moment offen.
Am Telefon ist Armin Laschet (CDU), Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen. Schönen guten Morgen!
"Immer größere Ausgaben" für Schulen notwendig
Armin Laschet: Guten Morgen.
Schulz: Geht es den Schulen in Nordrhein-Westfalen zu gut?
Laschet: Nein!
Schulz: Okay. Und trotzdem brauchen Sie das Geld nicht?
Laschet: Nein! Wir brauchen dringend das Geld zum Digitalpakt. Es ist eine etwas simple Frage. Natürlich ist das Geld erforderlich. Die Ausstattung der Länder in der Bildungspolitik erfordert immer größere Ausgaben bei der Inklusion, bei Ganztagsangeboten und auch natürlich in der Digitalisierung der Schule, und es gibt im Grundgesetz einen Weg, wie sehr schnell das Geld in den Schulen landen kann. Dazu muss man nicht den gesamten deutschen Föderalismus aus den Angeln heben.
Schulz: Der Weg, den Sie gehen wollen, ist über eine andere Verteilung der Mehrwertsteuer.
Laschet: Ja! Das ist ja relativ einfach. Es gibt im Grundgesetz klare Aufgaben, für die der Bund zuständig ist. Es gibt klare Aufgaben, für die Länder und Kommunen zuständig sind. Wenn man glaubt, dass bestimmte Themen in den Ländern bearbeitet werden müssen, weil sie ein gesamtgesellschaftlicher Konsens sind, dann muss man den Ländern im Steueraufkommen auch die Mittel dafür zur Verfügung stellen. Es gibt eine Aufgabe und die Regel, wie Steuern verteilt werden, folgt dann dieser Aufgabe. Das ist ganz schnell möglich und insofern …
Schulz: Da haben wir aber das Argument – Herr Laschet, lassen Sie mich das kurz vortragen – aus dem Bund, von vielen Bundespolitikern, aus der Perspektive, die sagen, das haben wir schon oft gemacht, dass wir den Ländern das einfach so überwiesen haben, sage ich jetzt ein bisschen flapsig. Es wurde dann leider nur anderes damit gemacht in den Ländern.
Laschet: Das stimmt begrenzt. Es mag solche Fälle geben. Dafür gibt es aber das Mittel, dass man einen Staatsvertrag macht zwischen Bund und Ländern. Da ist die Aufgabenzuweisung, wenn man es denn so vorgeben will, genau beschrieben. Aber man muss doch dafür nicht 70 Jahre bewährter Verfassungstradition nun aus den Angeln heben, nur weil man in dieser einen Frage sagt, wir wollen hier zielgerichtet Geld geben, und darüber hinaus einen zweiten Artikel einführen, wo der Bund bestimmt, welche Programme es für alle Zeiten gibt (das Grundgesetz gilt ja für immer, wird ja nicht nur für eine Aktion geändert), dazu auch noch sagt, wir geben vor, für was es Geld gibt, und ihr müsst es auch noch bezahlen, ihr Länder.
Qualität in der Bildung: "Bund nicht zuständig"
Schulz: Warum lesen Sie das denn überhaupt in diese neuen Bestimmungen so dezidiert rein? Es ist ja formuliert in diesem Artikel 104c eine Sicherstellung der Qualität im Bildungswesen. Was genau ist daran aus Ländersicht jetzt das Problem? Diese Qualität im Bildungswesen, die wollen Sie schlichtweg nicht zusagen?
Laschet: Für die ist der Bund nicht zuständig und meine Sorge ist, die Qualität geht nach unten. Hätten wir eine Bundesbildungspolitik gehabt in den 70er und 80er-Jahren, wäre die bestimmt nicht auf dem qualitativ hohen bayerischen Niveau gelandet, sondern auf dem Niveau der schlechtesten Länder. Jede ideologischen Debatten, die wir in den 70er und 80er-Jahren gehabt haben, würden dann auf die Bundesebene übertragen, und wir hatten immer im Föderalismus unterschiedliche Ansätze. In den Schulen Ostdeutschlands gab es andere Voraussetzungen als in Westdeutschland, in ländlichen Regionen andere Herausforderungen als in städtischen Brennpunkten. Das lässt sich föderal, ortsnah, nah bei den Menschen besser lösen als durch eine einheitliche Qualitätsvorgabe aus Berlin.
Schulz: Aber wir sprechen jetzt im Moment ja über die Qualitätszusicherung, die die Länder abgeben sollen. Welches Problem haben Sie denn zu garantieren, dass Sie sich für Qualität im Bildungswesen einsetzen wollen, als Land Nordrhein-Westfalen?
Laschet: Wir setzen uns für Qualität ein. Wir sind gerade dabei aufzuholen. Wir sind mit großen Investitionen mit unserer Schulministerin in Qualität in der Bildung in Nordrhein-Westfalen tätig, weil wir in den Kreis der Besten in Deutschland aufschließen wollen. Dieser Wettbewerb der Länder ist immer ein Ansporn, in jedem Land und nach jeder Pisa-Studie es besser zu machen, damit am Ende bessere Bildung für die Kinder herauskommt. Insofern ist gerade das Gegenteil der Fall. Unser Ansporn ist beste Bildung.
"Anstrengung ist Reiz des Föderalismus"
Schulz: Fairerweise muss man dazu jetzt sagen, dass im Moment das Land Nordrhein-Westfalen bei Bildungsmonitoren eher auf den letzten oder dem letzten Platz rangiert. Ich weiß schon: Sie sagen jetzt, wir haben auch zu lange in Nordrhein-Westfalen nicht regiert. Aber sagen Sie uns noch mal, warum dieser Föderalismus an dieser Stelle so ein Selbstzweck ist. Warum wollen Sie das zementieren, dass Schüler aus Nordrhein-Westfalen, wenn sie nach Bayern umziehen, auch künftig schulisch nicht mitkommen?
Laschet: Wissen Sie, es ist beste Bildung. Was Sie gerade zitiert haben, hätte ich gar nicht zitiert. Aber natürlich sind wir derzeit auf den hinteren Plätzen. Wir haben mit diesem Thema übrigens, mit dem Thema Bildung, auch diese Landtagswahl gewonnen. Das war eines der wichtigen Themen im Wahlkampf. Und jetzt sind wir dabei, das besser zu machen, aufzuschließen zu denen in Bayern und Baden-Württemberg und anderen Ländern, die ganz oben in diesem Bildungs-Monitoring sind, mehr Lehrer einzustellen. Diese Anstrengung ist ja gerade der Reiz des Föderalismus, dass man in einem Land sagen kann, wir wollen zu den Besten in Deutschland gehören, die Voraussetzungen schaffen, die Lehrer schaffen, das Bildungssystem so organisieren, dass jeder Aufstieg durch Bildung schaffen kann, und da ist es aus meiner Sicht nicht hilfreich, wenn der Bund sagt, ich setze jetzt Qualitätsstandards, ich als Bund übernehme jetzt eine Aufgabe, für die ich gar nicht zuständig bin. Und das nur, weil es jetzt um Geld für Digitalisierung geht.
"Schulpolitik möglichst ortsnah organisieren"
Schulz: Da gehen die Meinungen ja auseinander, ob das in diesen geplanten Änderungen überhaupt so drinsteht. – Jetzt geht ja offensichtlich auch ein Riss durch Ihre Koalition in Düsseldorf. Von der FDP kommt ganz deutliche Kritik. Erst vor wenigen Jahren hat die Schulministerin von der FDP, Frau Gebauer, die Ankündigung gemacht, dass die Schulen das Geld schon zu Jahresbeginn erwarten und einsetzen können. Soll die den Schulen jetzt sagen: Sorry, aber mein Chef und noch ein paar andere Ministerpräsidenten, die haben sich das anders überlegt, jetzt ist leider noch mal Warten angesagt?
Laschet: Erstens geht es ganz schnell, wenn der Bund nur will. Und wenn da fünf Milliarden in Berlin bereitliegen für die Schulen, erwarte ich von Berlin, dass sie mit der geltenden Verfassung dafür sorgen, dass dieses Geld in jeder Schule in Deutschland ankommt. Wir haben im Koalitionsvertrag uns darauf verständigt, dass wir in der Tat die gesamtgesellschaftliche Aufgabenstellung von Bund und Ländern umsetzen wollen, und wie das jetzt schnell geht, das wird sicher dann der Vermittlungsausschuss entscheiden.
Und nebenbei: Es sind neben den Ministerpräsidenten, die am Wochenende sich artikuliert haben aus Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen, inzwischen auch sozialdemokratische und grün regierte Länder und FDP-regierte Länder wie Schleswig-Holstein, wie Berlin, wie Thüringen, wie Mecklenburg-Vorpommern, die ebenfalls sagen: So wie das hier angelegt ist, kann das nicht funktionieren. Insofern ist das auch keine parteipolitische Frage, sondern eine Frage, wie kann man Schulpolitik möglichst ortsnah für beste Bildung im ganzen Land organisieren. Da sind einfach die Voraussetzungen in Mecklenburg andere als im Ruhrgebiet.
"Sich an die geltende Verfassung halten"
Schulz: Herr Laschet, der Vorschlag ist ja jetzt schon ein Kompromiss, zäh ausgehandelt auch mit den Grünen und der FDP. Wenn es jetzt keine Nachbesserung geben sollte, wäre das dann wirklich Ihre Haltung zu sagen, dann lassen wir das Geld sausen, der Föderalismus und am Bildungsföderalismus festzuhalten, das ist uns wichtiger? Ist das das Signal, das Sie heute Morgen an die Eltern in Nordrhein-Westfalen aussenden wollen?
Laschet: Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Bund Geld, das bereitliegt, auf das Eltern warten, wegen einer Verfassungsänderung riskiert, in die Kommunen zu geben. Ich gehe fest davon aus, dass die, die im Berliner Koalitionsvertrag verabredet haben, das Geld ist erforderlich für die Schulen, dass die auch bereit sind, sich an die geltende Verfassung zu halten, dieses Geld dort hinzubringen, wo es dringend benötigt wird. Das wird die Debatte der nächsten Tage sein und ich bin zuversichtlich, dass wir in 2019 recht bald dann diesen Schub bekommen. Der Bund kennt das Problem seit 2016! Es hat zweieinhalb Jahre gedauert, über eine Bundestagswahl hinweg, und es wäre an der Zeit gewesen, wenn man wirklich es ernst meint, Schulen zu helfen, dass man das mit den Ländern abspricht und dann das Geld möglichst schnell in die Länder bringt. Das Gegenteil war der Fall und insofern hoffe ich, dass wir im Vermittlungsausschuss zu sachlichen, guten Ergebnissen recht bald kommen.
Schulz: Der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Armin Laschet, heute Morgen im Gespräch mit dem Deutschlandfunk. – Wir können jetzt natürlich nicht vollständig verdrängen, dass die CDU ja in einer ausgesprochen spannenden Woche ist. Frage an den stellvertretenden CDU-Vorsitzenden Armin Laschet: Was macht der Parteitag am Freitag?
Laschet: Ja, das weiß ich auch nicht. Da würde ich heute keinen Tipp abgeben. Wir haben engagierte Wochen jetzt erlebt mit Diskussionen, mit zehntausenden Besuchern in den Regionalkonferenzen. Die 1001 Delegierten werden jetzt zusammenkommen und ich finde das mindestens so spannend, wie Sie das finden. Wie es ausgeht, würde ich heute nicht prognostizieren.
Schulz: Armin Laschet, der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, CDU-Vize, heute Morgen hier bei uns im Deutschlandfunk. Danke Ihnen ganz herzlich.
Laschet: Bitte schön!
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