Regina Brinkmann: Die Länder stehen in den Startlöchern. Das klingt jetzt so, als sei es nur noch ein Klacks für die Schulen, von den Mitteln aus dem Digitalpakt zu profitieren. Heinz-Peter Meidinger [*], Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, ist da eher skeptisch. Ich habe ihn vor dieser Sendung auf der didacta in Köln erreicht und gefragt, wie die Schulen überhaupt an die Mittel herankommen und wie lange das aus seiner Sicht noch dauern wird.
Heinz-Peter Meidinger: Ja, ich hoffe natürlich, dass die Frau Schwesig recht hat und tatsächlich die Länder und Kommunen in den Startlöchern sitzen. Ich habe das Gefühl, dass nicht alle Länder in ihren Vorbereitungen gleich weit sind. Es gibt tatsächlich Bundesländer und dann entsprechend auch die Kommunen, wo schon lange der Bedarf abgefragt worden ist, wo schon Konzepte da sind, wo auch schon vollkommen klar ist, was für welche Schule beschafft wird. Die können natürlich tatsächlich sofort morgen loslegen, wobei loslegen heißt, dass man dann mal an die Ausschreibungen geht, auch das wird ja noch eine Zeit dauern. Manche Dinge müssen ja sogar europaweit ausgeschrieben werden.
Also auch da glaube ich, dass man vor dem nächsten Schuljahr nicht mit tatsächlichen Verbesserungen an den Schulen rechnen kann. Die Länder, die ihre Hausaufgaben noch nicht gemacht haben, da fürchte ich, da wird es im nächsten Schuljahr nichts mehr werden.
Brinkmann: Das heißt, wenn ich Sie richtig verstanden habe, ich kann jetzt als Schule gar nicht an den nächsten größten Tablet-Händler herantreten und mich nach meinem Bedarf oder Vorstellungen eindecken?
Meidinger: Nein, eigentlich nicht. Also es ist so, wir haben ja in Deutschland dieses System der Sachaufwandsträger.
Brinkmann: Oh, das klingt sehr bürokratisch.
Meidinger: Also die Schule selber hat sozusagen keine eigene Mittelbewirtschaftung, sondern das machen die Kommunen. Also die Städte, Landkreise, teilweise auch Kommunalverbände machen das stellvertretend oder fürsorglich für die Schulen, und die - ich meine, es geht ja auch darum, die Mittel dann gerechter in einem Landkreis zu verteilen-, und über das Land zu verteilen, das passiert dann tatsächlich auf der politischen Ebene, und die das dann natürlich vorher abfragen müssen bei den Schulen und dann für die Schulen in Auftrag geben.
Medienpädagogische Konzepte sind notwendig
Brinkmann: Abfragen ist das eine. Wie müssen denn die Schulen gewissermaßen vielleicht auch in Vorleistung gehen und vielleicht pädagogische Konzepte vorstellen oder Ähnliches, um überhaupt an das Geld zu kommen?
Meidinger: Na ja, also das wäre jetzt natürlich zu spät, also wenn man jetzt sagt, macht erst mal ein pädagogisches Konzept und dann überlegen wir uns, was ihr dann kriegt, sondern das muss Hand in Hand gehen. Also jetzt, wo die Schulen wissen, hoffentlich bald wissen, was genau an Ausstattung sie bekommen, egal, ob das jetzt Infrastruktur ist, WLAN, Glasfaser, oder ob das dann auch Endgeräte sind, heißt natürlich, dass jetzt schon auch an Fortbildungskonzepten oder auch an pädagogischen Medienkonzepten gearbeitet werden kann, damit dann die digitalen Geräte auch entsprechend begleitet werden.
Brinkmann: Also seit 2016 ist ja dieser Digitalpakt oder sagen wir besser, war der Digitalpakt in der Pipeline.
Meidinger: Ja.
Brinkmann: Und kann man dann daraus schließen, so, wie Sie es gerade gesagt haben, dass die Schulen diese Zwischenzeit gut genutzt haben, um sich auch pädagogisch auf die digitale Zeitenwende einzustellen?
Meidinger: Also ich glaube, die Schulen tun eine ganze Menge, um tatsächlich sich auf die neuen Medien und die Chancen und Möglichkeiten der neuen Medien einzustellen. Aber natürlich macht eine Fortbildung, jetzt auch mal eine technische Fortbildung oder eine pädagogische Fortbildung, nur dann Sinn, wenn die Lehrer dann auch wissen, sie haben die entsprechenden Geräte zur Verfügung.
Und da sind sie leider auf eine lange sozusagen Probe, Geduldsprobe gestellt worden. Es war ja teilweise dann vor ein paar Monaten nicht mal klar, ob der Digitalpakt überhaupt kommt. Das heißt, so richtig der Startschuss, der ist jetzt erst gegeben worden.
"Es mangelt an Fortbildungskapazitäten"
Brinkmann: Ja, Sie haben es schon angesprochen, die Lehrerfortbildungen, die jetzt auch von politischer Seite immer wieder gefordert werden. Wenn man jetzt aber in den Alltag der Schulen reinschaut, wie sehr kollidieren die mit anderen Problemlagen, die es dort ja auch noch gibt, ich sage nur mal Stichwort Lehrermangel?
Meidinger: Gerade bei Fortbildungen sind wir eigentlich auf eine gute Unterrichtsreserve angewiesen, damit also dann auch kein Unterricht ausfällt, und daran mangelt es. Also es mangelt auch an Fortbildungskapazitäten, vielfach reichen die Angebote in diesen Bereichen nicht aus. Also da müssen auch dann noch die Bildungsministerien, die entsprechenden Lehrerbildungsakademien ihre Hausaufgaben machen.
"Wir brauchen professionelle Betreuung dieser IT-Systeme"
Brinkmann: Technische Geräte müssen eingerichtet und gewartet werden. Wer kümmert sich darum in Zukunft an den Schulen?
Meidinger: Ja, das ist eine ganz große Baustelle. Wir haben ja vielfach noch die Situation, dass das Lehrkräfte sozusagen neben dem Unterricht machen, teilweise in ihrer Freizeit da an den IT-Systemen rumbasteln. Angesichts der Komplexität und insbesondere natürlich jetzt auch der Modernisierung der IT-Ausstattung ist das natürlich nicht mehr realistisch, das zu leisten. Das heißt, wir brauchen professionelle Betreuung dieser IT-Systeme, so wie es in jedem mittleren und großen Unternehmen ist, wie es auch in vielen staatlichen Institutionen ist. Und diese Mittel können ja auch sozusagen durch den Digitalpakt, also diese benötigten Mittel, mit finanziert werden.
Brinkmann: Sie brauchen professionelle Kräfte.
Meidinger: So ist es.
Brinkmann: Ja, genau, aber bereitet Ihnen das jetzt nicht auch schon wieder Probleme, weil selbst in Unternehmen ist es schwierig mittlerweile, IT-Stellen zu besetzen, wie wollen Sie da als Schule um die IT-Kräfte buhlen?
Meidinger: Ja, das ist natürlich ein Problem auch wieder der Kommunen, die die Sachaufwandsträger sind. Also ich habe Glück gehabt an meiner eigenen Schule, da hat der Landkreis also dann ins Portemonnaie tief reingegriffen und hier entsprechende Fachkräfte eingestellt. Das ist aber leider nicht überall so. Ohne diese professionelle Betreuung laufen wir halt Gefahr, dass wieder ein beträchtlicher Teil der Geräte dann auch gar nicht einsatzfähig ist, dass Lehrer nicht wissen, wenn sie in den Computerraum gehen, ob tatsächlich das System funktioniert. Und das wäre natürlich ein Bärendienst an dem Ziel nämlich, Digitalisierung in den Unterricht zu integrieren.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
[*] Der Vorname unseres Interviewpartners wurde im vorliegenden Manuskript korrigiert.