Nicht zuletzt die Coronapandemie hat gezeigt, dass die Technik stimmen muss, damit Schülerinnen und Schüler auch zu Hause lernen können. Um den Digitalunterricht voranzutreiben, haben Bund und Länder schon vor gut einem Jahr den Digitalpakt verabschiedet: fünf Milliarden Euro vom Bund plus rund 500 Millionen von den Ländern.
Die ersten Schulen haben auch schon Mittel aus dem Topf bewilligt bekommen. Doch angeschafft wird vor allen Dingen für die Schülerinnen und Schüler - Lehrkräfte nutzen in der Mehrheit noch immer ihre privaten Endgeräte für den Unterricht. Das zeigt eine Umfrage der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft. Sie hat ihre Mitglieder kurz vor der Coronapandemie befragt. Ansgar Klinger von der GEW erläutert die Ergebnisse der Studie.
Stephanie Gebert: Die Zahlen sind ja recht deutlich. Rund 18.000 Mitglieder Ihrer Gewerkschaft haben mitgemacht und neun von zehn Lehrkräften sagen: Ich nutze meine eigene Technik für den Unterricht. Warum ist das ein Problem?
Klinger: Das ist insofern ein Problem, als in mehr als 90 Prozent aller Fälle die Lehrkräfte für dienstliche Zwecke, also auch für die Kommunikation mit den Kolleginnen, mit der Schulleitung, für administrative Aufgaben ihre privaten Endgeräte nutzen. In vielen privaten Unternehmen und auch in vielen Zweigen des öffentlichen Dienstes wäre das kaum vorstellbar.
Probleme mit Datenschutz
Gebert: Aus Datenschutzgründen zum Beispiel?
Klinger: Nur jede vierte Lehrkraft sieht sich durch den Arbeitgeber, also durch die Länder, zum Datenschutz und zum Umgang mit dem Datenschutz ausreichend unterstützt. Das ist ein ganz zentrales Problem schon vor der Coronakrise, aber auch während der Coronakrise durch die Nutzung von Apps und von Plattformen ja auch noch mal gesteigert.
Gebert: Welche ganz praktischen Probleme ergeben sich denn dann für den Lehreralltag daraus?
Klinger: Dem Grunde nach verstoßen sie ja gegen Dienstvorschriften, wenn sie beispielsweise bestimmte Geräte und Apps nutzen, gleichzeitig aber auch keine Alternative haben, kein dienstliches Gerät, das beispielsweise mit den Vorschriften zur Datenschutzsicherheit konform geht.
Digitalisierung erfordert staatliche Kontrolle
Gebert: Jetzt haben Sie gerade schon die Apps und Tools erwähnt, die zum Beispiel jetzt während der Coronapandemie von den Herstellern auch ordentlich auf den Markt gespült wurden. Die wollen natürlich eins: ihre Produkte verkaufen. Und es herrscht so eine gewisse Unsicherheit der Lehrkräfte: Was bietet sich denn jetzt an und was nicht? Das hieße auch, es bräuchte eine staatliche Kontrolle, was diese Apps angeht, oder Hinweise zumindest der Länder, wie Lehrer mit welchen Tools ordentlich vorankommen?
Klinger: Ganz genau. Und hier sind auch die Kultusbehörden gefragt, um Hinweise, Orientierungen, Empfehlungen zu geben. Man könnte beispielsweise auch einmal über eine Bund-Länder-Arbeitsstelle nachdenken, die solche Apps prüft und entsprechend zulässt.
Gebert: Es gibt ja viele Schulen, die schon lange vor der Coronapandemie auf Digitalunterricht gesetzt haben und deshalb schon so eine Art Wissensvorsprung haben. Warum vernetzen sich Schulen, warum vernetzen sich Lehrer nicht besser untereinander, um sich da flächendeckend auch auszutauschen, anstatt immer nur auf den Staat zu hoffen? So eine Gewerkschaft wie Sie könnte das ja zum Beispiel organisieren.
Klinger: Der Gedanke ist ja nicht neu und unsere Lehrkräfte erweisen sich ja auch sehr aufgeschlossen gegenüber der Nutzung von digitalen Medien und Möglichkeiten, auch von Lernplattformen. Aber wir müssen beachten, dass das Ganze natürlich im Rahmen einer demokratischen Kontrolle stattfindet und nicht durch Privatunternehmen organisiert werden sollte. Hier ist der Staat gefragt.
"Die Achillesferse ist die dauerhafte Sicherung der Administration"
Gebert: Jetzt münden ja alle Ihre Erkenntnisse in der Forderung: Der Staat muss mehr in die Ausstattung der Schulen investieren. Im Moment wird sehr viel Geld ausgeschüttet während der Coronapandemie, um unterschiedlichste Unternehmen und Menschen zu retten oder dafür zu sorgen, dass sie weiter vorankommen. Sie haben auch ganz klare Vorstellungen davon, wie viel Geld jetzt in die Schulen investiert werden muss, wie viel Geld da gebraucht wird?
Klinger: Wir haben das schon einmal ausführlich kalkuliert, sowohl für unsere beruflichen Schulen als auch für die allgemeinbildenden Schulen, was eine auskömmliche Mindestausstattung im Rahmen des Digitalpakts bedeutet. Unser Ergebnis ist: Wir brauchen eine Vervierfachung der Mittel, also statt 5,5 Milliarden bezogen auf vier Jahre brauchen wir gut 20 Milliarden, um eine Mindestausstattung hinzubekommen. Als Achillesferse erweist sich nicht die Ausstattung mit Endgeräten, die Achillesferse ist die dauerhafte Sicherung der Administration, also der Hard- und Software.
Gebert: Auch da müssen Techniker, Administratoren eingestellt werden an den Schulen?
Klinger: Ganz genau. Und das ist auch eine Aufgabe der Schulträger: Die Kommunen brauchen hier eine Unterstützung. Wenn der Digitalpakt kein Leuchtfeuer sein soll, sondern dauerhaft greifen soll, brauchen wir eine Verstetigung, und wir brauchen übrigens auch eine Erweiterung, denn wir haben bisher immer nur über die allgemeinen und berufsbildenden Schulen gesprochen, was ist aber mit den Volkshochschulen als Orte der Erwachsenenbildung, was ist mit den Musikschulen beispielsweise? Eine Vervierfachung der Mittel des Digitalpaktes von 5,5 auf 22 Milliarden Euro ist gemessen an den hohen Aufwendungen, die infolge der Coronapandemie zu leisten sind, gut zu schultern.
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