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Digitalpakt
"Die Schulen warten schon so lange"

Die stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Katja Suding hat das Vorhaben des Bundes, das Grundgesetz für den sogenannten Digitalpakt zu ändern, verteidigt. Jeder einzelne Bildungsbericht bestätigten, dass Deutschland im Mittelfeld liege, sagte Suding im Dlf. Es werde Zeit, etwas dagegen zu tun.

Katja Suding im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann |
    Schüler arbeiten in einem Klassenraum einer Grundschule an Computern.
    Die digitale Ausstattung von Schulen soll deutlich verbessert werden. (dpa / Friso Gentsch)
    "Man sollte jetzt eigene Befindlichkeiten zurück stellen", sagte Suding im Dlf. "Seit 2016 ist der Digitalpakt angekündigt. Es geht um die Schüler und Schülerinnen, es geht um eine ganz wichtige Zukunftsinvestition."
    Der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat hatte sich am Mittwochabend nach seiner ersten Sitzung vertagt und eine Arbeitsgruppe eingesetzt. Der Bund will den Ländern fünf Milliarden Euro für die Digitalisierung der Schulen zur Verfügung stellen. Allerdings müsste dazu das im Grundgesetz festgelegte Kooperationsverbot gelockert werden. Das lehnen die Länder ab. Sie befürchten eine größere Einflussnahme des Bundes auf die Bildung.

    Die Partei- und Fraktionsvorsitzende der Hamburger FDP, Katja Suding.
    Die Partei- und Fraktionsvorsitzende der Hamburger FDP, Katja Suding. (picture alliance / dpa / Daniel Reinhardt)
    Es gehe darum, dass Bund und Länder gemeinsam an Standards arbeiten, sagte Suding. Vor allem wolle man, dass die Mittel des Bundes daran geknüpft werden, dass diese Standards durchgesetzt werden. Die Schulen sollen herbei möglichst viel Freiheit haben, um die passenden Konzepte zu erarbeiten, erklärte die FDP-Politikerin. "Wir wollen die Qualität steigern und das ist auch dringend notwendig, wenn man sich die Studien anschaut."


    Das Gespräch in voller Länge:
    Dirk-Oliver Heckmann: Am Telefon ist Katja Suding. Sie ist Stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, zuständig da für Bildungspolitik. Schönen guten Morgen, Frau Suding!
    Katja Suding: Guten Morgen, Herr Heckmann!
    Heckmann: Wir haben es gerade eben gehört, Frau Suding, Winfried Kretschmann, der grüne Ministerpräsident in Baden-Württemberg sagt, der Bund versucht, die Länder zu erpressen. Machen Sie sich der Erpressung also mitschuldig?
    Suding: Natürlich nicht. Es ist doch so, dass wirklich jeder einzelne Bildungsbericht, den wir hören, jede OECD-Studie uns bescheinigt, dass wir mit unserer Bildung uns im Mittelfeld befinden, und dass erhebliche Defizite in unserer Bildungspolitik seien. Damit muss jetzt endlich mal Schluss sein, und deswegen ist es gut, was der Bundestag beschlossen hat, nämlich den Ländern eine kräftige Unterstützung zu geben bei der Investition in mehr Qualität in Bildung. Ich denke, da sollte es endlich vorangehen.
    Die Schulen warten schon so lange, seit 2016 ist der Digitalpakt angekündigt, darauf, dass es endlich vorangeht. Und da sollte man ja schon eigene Befindlichkeiten zurückstellen. Es geht schließlich um die Schülerinnen und Schüler, es geht um eine ganz wichtige Zukunftsinvestition.
    "Wir wollen die Qualität steigern"
    Heckmann: Frau Suding, Sie sagen, das ist gut, dass der Bundestag das entschieden hat und beschlossen hat. Aber die Bundesländer sind unisono dagegen, und zwar strikt. Winfried Kretschmann, gerade eben, habe ich schon erwähnt, er ist strikt gegen eine Grundgesetzänderung und behauptet, der Bund wolle den Ländern hineinregieren.
    Und Bayerns Ministerpräsident von der CSU, der hat gestern noch mal gesagt, es kann nicht sein, dass am Ende aus Berlin Einheitsschulen geplant werden, auf Berliner Niveau für ganz Deutschland. Das wollen wir einfach nicht. Ist Ihnen von der FDP der Föderalismus also nichts mehr wert?
    Suding: Nein, wir wollen auch keine Einheitsschulen auf Berliner Niveau, ganz im Gegenteil. Es geht uns darum, dass Bund und Länder gemeinsam hochwertige Bildungsstandards festlegen, die sich wirklich an den Top-Schulen in unserem Land orientieren. Und wir wollen gemeinsam daran arbeiten, dass wir die umsetzten.
    Jede Studie zeigt, dass genau das zum Bildungserfolg führt, dass wir nämlich gemeinsame Standards haben, die wirklich ambitioniert sind und wo man dann den Schulen möglichst früh Freiraum gibt, Konzepte zu entwickeln, wie man dann diese gemeinsamen Standards auch erreicht.
    Heckmann: Das heißt, die Länderhoheit in dem Bereich, die wollen Sie abschaffen?
    Suding: Es geht darum, dass Bund und Länder gemeinsam an diesen Standards arbeiten. Das ist übrigens ja auch nicht neu. Die Länder haben ja selbst erkannt, dass das notwendig ist, und sind schon seit vielen Jahren in der Kultusministerkonferenz dabei, solche gemeinsamen Standards zu entwickeln. Da wollen wir vom Bund jetzt auch noch ein bisschen mehr Druck machen, und vor allen Dingen wollen wir die Mittel des Bundes daran knüpfen, dass diese Standards jetzt auch wirklich weiterentwickelt werden und dass sie vor allen Dingen auch durchgesetzt werden.
    Wir sind da mit den Ländern ja gar nicht über Kreuz, und wie gesagt, es geht nicht darum, eine Einheitsschule auf einem niedrigen Niveau in Deutschland aufzubauen. Sondern ganz im Gegenteil, wir wollen die Qualität steigern, und das ist auch dringend notwendig, wenn man sich die Studien anguckt.
    Die Hände eines Mädchens tippen auf einem Tablet, neben ihr liegt ein Mäppchen mit Stiften
    Digitaler Unterricht mit Tablets an einer Grundschule in Bayern (picture alliance/dpa/Armin Weigel)
    "Dass Geld muss eins zu eins in die Bildung gehen"
    Heckmann: Das heißt, Ihre kurze Antwort auf meine Frage lautet, ja, wenn ich noch mal frage, Sie wollen die Hoheit der Länder in der Bildungspolitik abschaffen?
    Suding: Ich habe es ja gerade erst erklärt. Das wollen wir eben nicht. Wir wollen gemeinsam mit den Ländern an den Standards arbeiten, die Länder also da nicht aus ihrer Verantwortung nehmen. Darum geht es nicht.
    Heckmann: Das heißt, Sie bestehen weiterhin auf einer Änderung des Grundgesetzes? Verstehe ich Sie da richtig?
    Suding: Es ist, wenn man sich das Grundgesetz anguckt, jetzt nicht möglich, dass der Bund die Länder finanziell unterstützt. Das Grundgesetz sieht vor, dass jeder für seinen Bereich selbst zuständig ist. Da gibt es auch keine Ausnahmen.
    Heckmann: Das wäre schon möglich, wenn man die Gelder anders fließen lassen würde, nämlich zum Beispiel bei einer Umverteilung der Steuern.
    Suding: Ja, aber wenn wir den Digitalpakt so finanzieren wollen, wie wir das vorgesehen haben, ist das nicht möglich, gegen eine Erhöhung der Mehrwertsteuerpunkte, die dann an die Länder gehen, wehre ich mich ganz strikt. Es kann nicht sein, dass der Bund finanziert, dann aber überhaupt keine Kontrolle darüber hat, was mit dem Geld passiert. Ich glaube, das sind wir als Haushaltsgesetzgeber den Menschen auch schuldig, dass wir dann auch schon gucken, was mit dem Geld passiert.
    Heckmann: Weshalb vertrauen Sie den Ländern in dem Punkt nicht?
    Suding: Sie haben es ja angesprochen in Ihrem Vorbericht. Es gibt da ja leider durchaus auch schlechte Erfahrungen, die wir in der Vergangenheit gemacht haben, beispielsweise die Unterstützung, die der Bund den Ländern im Bereich des BAföGs gegeben hat. Da war vereinbart worden, dass das, was die Länder sparen dadurch, dass der Bund die Kosten für das BAföG übernimmt, dass das eins zu eins in Schulen und Hochschulen geht. Das ist in vielen Ländern leider nicht passiert.
    Und daraus lernt man natürlich, und jetzt wollen wir uns einfach versichern, dass, wenn der Bund mehr Geld ausgibt an Steuergeldern, dass dann auch tatsächlich ein zusätzlicher gesellschaftlicher Nutzen da ist. Dass das Geld wirklich eins zu eins in die Bildung geht und die Länder dann nicht im gleichen Zug ihre eigenen Anstrengungen zurückfahren. Das, glaube ich, kann niemand und darf niemand wollen.
    Heckmann: Das heißt also, um das noch mal nachzufragen, es wird kein Geld fließen ohne Grundgesetzänderung? Verstehe ich Sie da richtig?
    Suding: Das ist richtig.
    "Es geht darum, dass die Länder 50 Prozent in ihrem Investitionsbereich Schule erbringen müssen"
    Heckmann: Und wenn die Länder dann sagen, nein, dann fließt auch kein Geld?
    Suding: Ich glaube nicht, dass es so weit kommen wird. Die grundsätzlichen Bedenken, die Herr Kretschmann äußert, die werden ja von den allermeisten Ministerpräsidenten nicht geäußert. Sehr vielen Ländern geht es ja vor allen Dingen um die von Ihnen schon angesprochene Zusätzlichkeit der Mittel. Da sind wir auch gern gesprächsbereit, wenn die Länder uns nachweisen können, dass dadurch Situationen entstehen, die für die Länder nicht zu tragen sind.
    Da sind wir an dieser Stelle gesprächsbereit. Aber noch mal, es muss sichergestellt werden, dass das Geld des Bundes tatsächlich für mehr Geld in der Bildung investiert wird und nicht irgendwo im Haushalt versickert.
    Heckmann: Sie haben es angesprochen, die Verteilung der Mittel sozusagen, dass die Länder eben auch 50 Prozent beisteuern müssen in Zukunft. Das gilt ja jetzt nicht für den Digitalpakt, aber für zukünftige Investitionen. Die armen Bundesländer befürchten allerdings, dass sie dann in Zukunft in die Röhre schauen werden, weil nur wohlhabende Länder diesen 50-Prozent-Anteil übernehmen können. Sie sagten jetzt gerade eben, Sie wären gesprächsbereit. Was heißt das? Würden Sie verzichten?
    Malen im Unterricht an einer digitalen interaktiven Tafel in Marktoberdorf, Deutschland am 08.03.2016
    Malen im Unterricht an einer digitalen interaktiven Tafel (imago / Action Pictures)
    Suding: Nein. Es geht darum, dass wir mit den Ländern ins Gespräch kommen und sie uns darlegen sollen und müssen, was diese 50-Prozent-Regelung für die Länder bedeutet, und wo es da unzumutbare Härten gibt. Es ist ja auch nicht so, wie das manchmal in der Diskussion beschrieben wird, dass die Länder 50 Prozent der Programme dazusteuern müssen. Es geht darum, dass die Länder 50 Prozent in ihrem eigenen, dem ganzen Investitionsbereich, also dem ganzen Investitionsbereich Schule erbringen müssen.
    Und natürlich wundert es da schon, wenn die Länder auf der einen Seite sagen, sie möchten die Hoheit über diesen Bereich behalten, den Bereich Bildung, dann aber offenbar nicht in der Lage sind, die Hälfte der Projekte in ihrem eigenen originären Zuständigkeitsbereich zu erbringen. Aber wie gesagt, daran soll es nicht scheitern. Wir sind da gesprächsbereit und können da sicherlich noch mal an verschiedenen Stellschrauben drehen.
    "Das sind wir unseren Schülerinnen und Schülern in unserem Land wirklich schuldig"
    Heckmann: Auf wie viel würden Sie da runtergehen?
    Suding: Das müssen wir aushandeln. Das ist, wie gesagt, das kann man nicht vorwegnehmen. Es gibt da verschiedene Modelle, die da denkbar sind. Aber wie gesagt, an dieser Stelle sind wir kompromissbereit, was die Qualität angeht und die Erhöhung der Qualität eben nicht.
    Heckmann: Jetzt also wurde gestern entschieden, eine Arbeitsgruppe einzurichten, sozusagen die Arbeitsgruppe der Arbeitsgruppe. Wie lange hat die aus Ihrer Sicht Zeit, und was erwarten Sie von dieser Arbeitsgruppe jetzt?
    Suding: Dass eine Arbeitsgruppe eingerichtet wurde, das ist ein ganz normales Verfahren, das ist also nichts Ungewöhnliches, das habe ich auch so erwartet. Und ich erwarte aber schon, dass man im Lauf des Februars zu einer Einigung kommt, sodass es dann im März auch wirklich losgehen kann.
    Wie gesagt, die Schulen warten schon sehr lange auf das Geld aus dem Digitalpakt. Das sollte ja jetzt spätestens im Januar dieses Jahres fließen. Das hat noch nicht geklappt durch das Veto der Bundesländer und die Anrufe des Vermittlungsausschusses. Aber wir sollten doch alle das Bestreben haben, jetzt möglichst schnell und zügig zu einer Einigung zu kommen, einen Kompromiss zu finden. Das sind wir unseren Schülerinnen und Schülern in unserem Land wirklich schuldig.
    Heckmann: Bund und Länder streiten also weiterhin über den Digitalpakt und die damit verbundene Grundgesetzänderung. Wir haben darüber gesprochen mit Katja Suding, Stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion. Frau Suding, ich danke Ihnen für das Gespräch, und Ihnen einen schönen Tag!
    Suding: Danke, für Sie auch, Herr Heckmann!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.