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Digitalpakt
"Die Schulen werden alleine gelassen"

Mit Blick auf den Digitalpakt für Schulen hat die FDP-Politikerin Katja Suding mehr Qualität in der Bildung gefordert. Dass die Bundesregierung die Leistungen für die Kommunen  auf Infrastrukturmaßnahmen beschränken wolle, sei zu wenig, sagte sie im Dlf.

Katja Suding im Gespräch mit Kate Maleike |
    Die Partei- und Fraktionsvorsitzende der Hamburger FDP, Katja Suding.
    Katja Suding (FDP) hofft auf einen Kompromiss mit der Großen Koalition. (picture alliance / dpa / Daniel Reinhardt)
    Kate Maleike: Deutschlands Schulen sollen ab Anfang 2019 internetfähig werden. Wir machen jetzt Nägel mit Köpfen – so hat es Bundesbildungsministerin Anja Karliczek noch vor ein paar Wochen formuliert und Hoffnung darauf gemacht, dass sich Bund und Länder endlich auf den Start eines Digitalpaktes für Schulen einigen. Ab nächstem Jahr sollen dafür fünf Milliarden Euro in fünf Jahren fließen, und die Bundesländer sollen die digitale Bildung inhaltlich ausgestalten und auch die Lehrerbildung. Für diese Pläne muss allerdings das Grundgesetz verändert werden, und es muss das sogenannte Kooperationsverbot für den Schulbereich gelockert oder abgeschafft werden. Im Moment wird darüber genau wieder gestritten. Die Parteien werfen sich gegenseitig Blockadehaltung vor. Katja Suding ist stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende und zuständig für weltbeste Bildung für jeden, so steht es zumindest auf ihrer Fraktionsseite. Guten Tag, Frau Suding!
    Katja Suding: Guten Tag, Frau Maleike!
    Maleike: Worüber wird denn jetzt wieder gestritten?
    Suding: Es geht tatsächlich um die Grundgesetzänderung, von der die Union zusammen mit der SPD ja überzeugt ist, dass sie Voraussetzung ist dafür, dass der Digitalpakt in Kraft treten kann. Die Große Koalition weiß ganz genau, dass sie für eine verfassungsändernde Mehrheit nicht die eigenen nötigen Stimmen mitbringt. Wir haben deshalb zusammen mit den Grünen sehr frühzeitig schon unsere Vorstellungen kundgetan, was wir uns wünschen bei einer Grundgesetzänderung, und da hat es leider sehr, sehr lange gedauert, bis die Große Koalition überhaupt mit Gesprächen auf uns zugekommen ist, obwohl wir das immer wieder angemahnt haben. Jetzt drängt ein bisschen die Zeit, und das ist natürlich schade. Wir hoffen aber, dass wir jetzt schnell zu einer Einigung kommen, damit es dann auch losgehen kann.
    "Mehr für Qualität in der Bildung tun"
    Maleike: Also damit es losgehen kann, müsste sich für Sie was verändern. Wo liegen Sie denn auseinander?
    Suding: Die Große Koalition hat eigentlich nur eines vor: Sie möchte, dass die Unterstützungsleistungen des Bundes nicht nur für die finanzschwachen Kommunen möglich ist, sondern für alle Kommunen. Sie will das aber beschränken rein auf Infrastrukturmaßnahmen. Für uns ist das Ziel zu wenig. Wir beklagen ja immer wieder, und das lesen wir in jedem Bildungsbericht, dass viel mehr passieren muss in Deutschlands Schulen, dass es nicht mehr weiter sein darf, dass der Bildungserfolg so eng mit der sozialen Herkunft verknüpft ist, und deswegen wollen wir viel mehr noch für die Qualität in der Bildung tun. Wir wollen, dass der Bund, wenn er sich schon weiter engagiert und stärker engagiert, dass er dann auch gemeinsam mit den Ländern nationale, sehr hochwertige Bildungsstandards festlegt und auch dafür sorgen kann, dass diese umgesetzt werden. Das brauchen wir, damit endlich mehr für die Qualität der Bildung getan wird, und da sträubt sich insbesondere die Union.
    Maleike: Jetzt gucke ich mal auf den Kalender, und wir haben jetzt heute den 22. November. Der Digitalpakt soll im Januar 2019 starten. Kriegen Sie das noch hin?
    Suding: An uns soll es sicherlich nicht scheitern. Wir haben unsere Vorschläge, wie gesagt, schon im Sommer auf den Tisch gelegt. Wir haben schon davor immer wieder drauf hingewiesen, lasst uns ins Gespräch kommen, lasst uns gucken, wie wir das hinbekommen, aber man ist dann erst im Oktober auf uns zugekommen und hat erste Gespräche geführt, und jetzt wird die Zeit natürlich eng, aber wir hoffen weiterhin, und wir sind gesprächs- und kompromissbereit und hoffen, dass da etwas passieren wird. Mit der SPD liegen wir da gar nicht so weit auseinander. Wir hoffen jetzt aber, dass Ministerin Karliczek, die ja jetzt auch aufs Tempo drückt, dann ihre Kollegen aus der Union noch mal davon überzeugt, dass wir nur dann zustimmen können und werden, wenn mit der Grundgesetzänderung auch die Möglichkeit verbunden ist, wirklich und substanziell mehr für die Qualität in der Bildung zu tun.
    "Bildungserfolg und soziale Herkunft entkoppeln"
    Maleike: Was hören Sie denn? Wovor hat die Union denn Angst?
    Suding: Das ist mir, ehrlich gesagt, auch nicht ganz klar. Wir haben auch in den Gesprächen immer wieder festgestellt, und wir waren uns einig, dass wir mehr tun müssen, damit Bildungserfolg und soziale Herkunft entkoppelt werden. Wir müssen mehr tun, damit es für Familien mit Kindern leichter wird, von einem Bundesland ins nächste umzuziehen, ohne dass das eine wirkliche Zumutung ist. Da sind wir uns einig, nur verstehe ich nicht, warum die Union sich dann nicht den Ruck gibt und sagt, so, nachdem wir über Jahre versucht haben, diese Probleme über die KMK, die Kultusministerkonferenz, anzugehen, dass wir jetzt einen anderen Weg gehen und der Bund sich in dem Zuge, wo er die Länder mehr unterstützen will, dann auch in die inhaltliche Debatte und in die Qualitätsdebatte einschaltet. Ich verstehe nicht, warum das so schwierig ist.
    "Der Bund hat sich aus der Verantwortung gestohlen"
    Maleike: Ich gucke noch mal zurück in den Kalender und blätter noch weiter ins Jahr 2016. Da wurde nämlich der Digitalpakt angekündigt von der damaligen Bildungs- und Forschungsministerin Wanka. So lange wird schon darüber verhandelt, und jeden Tag wird gesprochen über Zukunftsforderung, Digitalisierung, künstliche Intelligenz, und die Schulen werden alleingelassen.
    Suding: Ja, Sie haben vollkommen recht, die Schulen werden alleine gelassen, und es ist richtig, dass der Digitalpakt schon vor über zwei Jahren angekündigt wurde. Er lag auch bereits unterschriftsreif vor. Wer sich da aus der Verantwortung gestohlen hat, war der Bund. Es war Frau Wanka, die nicht zum Termin erschienen ist, und seitdem liegt der Digitalpakt da, und unser Interesse ist es tatsächlich, dass wir ihn jetzt schnell umsetzen können. Dafür brauchen wir aber die Grundgesetzänderung, und dafür muss sich die Union bewegen.
    "Wir warten auf einen Vorschlag aus der Großen Koalition"
    Maleike: Frau Suding, wie kann es denn jetzt weitergehen? Streiten und sich gegenseitig Blockadehaltung vorwerfen ist ja auch nicht der richtige Weg.
    Suding: Nein, deswegen tun wir das auch nicht. Wir sind in den Gesprächen ja konstruktiv. Wir haben auch unsererseits immer wieder gesagt, dass wir kompromissbereit sind. Wir haben auch Vorschläge gemacht, und wir warten jetzt auf einen Vorschlag aus der Großen Koalition, der uns auch auf dem Weg wieder entgegenkommt.
    Maleike: Gibt es da Signale, wann da was in Bewegung kommen könnte?
    Suding: Ja, die Gespräche laufen. Auch in dieser Woche wird noch gesprochen, und ich denke, auch in der nächsten Woche noch. Ich kann es immer nur wieder sagen: Wir haben alle dasselbe Ziel. Wir wollen mehr Qualität in der Bildung, und dann muss man sich auch mal einen Ruck geben und etwas tun, und da bitte ich auch Frau Karliczek als Ministerin, die sich bisher am Verhandlungstisch noch überhaupt nicht hat blicken lassen, dass die jetzt auch mal ihren Einfluss geltend macht und ihre Kollegen aus der Union, die Bildungsfachpolitiker, davon zu überzeugen, dass hier etwas passieren muss. Es geht tatsächlich um unsere Schülerinnen und Schüler und um die Qualität in den Schulen.
    Maleike: Katja Suding war das in "Campus und Karriere", die stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende, und wir haben gesprochen über das Hin und Her beim Digitalpakt für Schulen, der hoffentlich dann Anfang nächsten Jahres starten kann. Danke schön, Frau Suding!
    Suding: Danke, Frau Maleike!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.