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Digitalpakt
Laptops und WLAN in der Warteschleife

Mit dem Digitalpakt will der Bund die Nutzung von digitalen Geräten und Lernprogrammen im Unterricht fördern. Doch viele Schulen sind noch nicht bereit für den nächsten Schritt. Es mangelt an qualifiziertem Personal und leistungsstarken Datenleitungen.

Von Claudia van Laak |
In einem Unterrichtsraum mit einer digitalen Tafel stehen Tischreihen mit Laptops
Schulen sollen eine bessere digitale Ausstattung erhalten (imago/archideaphoto)
"Wir haben hier ein Blatt Ergebnisse, auf das können alle Schüler drauf zugreifen. Und auf diesem Blatt werden die Ergebnisse einzeln eingetragen. Und mit so einer Unterrichtszentrale kann ich auf die Rechner drauf zugreifen."
Jonathan Griem aus der 10d zeigt an der elektronischen Tafel, genannt Smartboard, wie mehrere Schülerinnen und Schüler gleichzeitig auf eine digitale Lernplattform zugreifen können, auch wenn einer vielleicht mit einem Beinbruch zuhause liegt und nicht den Unterricht besuchen kann. Das Droste-Hülshoff-Gymnasium in Berlin-Zehlendorf hatte sich Bildungssenatorin Sandra Scheeres für ihren Besuch zum Digitalpakt ausgesucht. Eine digitale Vorzeigeschule, zudem im Pilotversuch W-LAN-Vernetzung. 257 Millionen Euro fließen vom Bund nach Berlin, das Land selber legt noch einmal knapp 26 Millionen Euro drauf. Wir sind gut aufgestellt, meint Sandra Scheeres, SPD.
Konzepte für die Umsetzung gefragt
"Das Land Berlin hat vorgearbeitet, zum einen haben wir eine wichtige Grundvoraussetzung geschaffen, um die Bundesgelder zu erhalten, dass wir nämlich IT-Beauftragte bzw. Techniker für die Schulen installiert haben, hier über 8 Millionen Euro in die Hand genommen haben. Aber auch Lehrkräfte, die pädagogisch und inhaltlich für dieses Thema zur Verfügung stehen, um entsprechende Medienkonzepte zu erarbeiten. Dass wir direkt loslegen können, wenn uns die Bezirke entsprechende Konzepte vorlegen."
Die 12 Bezirke haben in Berlin die Aufgaben, die in Flächenländern die Kommunen übernehmen - ihnen gehören die Schulen. Und hier fängt das Problem an: Während einige Bezirke schon genau wissen, welche ihrer Schulen was benötigen – WLAN, Schulserver, Laptops, Smartboards – hinken andere hinterher, haben überhaupt keinen Überblick. Das kritisiert die SPD-Bildungssenatorin, aber auch die Opposition. Paul Fresdorf, bildungspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion:
"Die Antworten von den Schulträgern, aus den Bezirken, die waren sehr mau. Man hat gar keine Schätzung, welche Schule welche Investitionen benötigt, da muss jetzt dringend nachgesteuert werden. Ich erwarte von einem Senat, dass er da auch koordiniert eingreift und auch koordinierend zur Verfügung steht als Serviceeinrichtung für die Bezirke, um diese auf solche Großwetterlagen vorzubereiten."
Das tut der Senat. Die Bildungsverwaltung baut gerade eine Servicestelle für Bezirke und Schulen auf, damit das Geld vom Bund schnell abfließen kann. Dass dieses Geld dringend nötig ist, zeigt das Nachbargymnasium der digitalen Vorzeigeschule – das Schadowgymnasium. Schulleiter Andreas Krenz:
"Also wir haben einen Computerraum mit 32 Computerarbeitsplätzen für 1150 Schüler. Wir improvisieren so ein bisschen in einem alten Computerraum der ehemaligen Realschule, es reicht aber vorne und hinten nicht."
Auch Schulgebäude brauchen finanzielle Förderung
Berlin-Weißensee: Die Proteste an den Schulen weiten sich aus. Nach dem geplanten Lehrerstreik am 12. April 2000 wollen die Schüler zu einem großen Sternmarsch im Mai aufrufen. Andere hoffen, dass ihre marode Schule wenigstens teilweise saniert wird.
Schulen brauchen nicht nur Investitionen für Digitales - zahlreiche Schulgebäude müssen saniert werden. (picture alliance / dpa / Berlin Picture Gate)
Das Schadowgymnasium gilt als "Großschadensfall", die anstehende Sanierung wird mehr als 20 Millionen Euro kosten. Solange diese Sanierung nicht vorangeht, hilft Schulleiter Krenz auch der Digitalpakt nicht. Denn die Elektrik stammt aus den 60er Jahren, jedes weitere angeschlossene elektrische Gerät könnte zum Zusammenbruch der Stromversorgung führen. Schulleiter Krenz hätte sogar Geld für Laptops und Notebooks – allein, er darf sie nicht anschließen.
"Das scheitert im Augenblick daran, obwohl ich Rücklagen geschaffen habe, dass die Elektrik nicht ausreicht. Das lässt sich nicht herstellen. Und das ist natürlich dramatisch."
Jedem Schüler, jeder Schülerin ein Laptop oder Tablet – diese Vorstellung verbinden viele mit dem Digitalpakt. Jetzt, wo es ans Geldausgeben geht, zeigt sich allerdings - es müssen zunächst die Voraussetzungen geschaffen werden, um diese Geräte überhaupt sinnvoll nutzen zu können. Da ist zum einen die Lehrerfortbildung – viele sind nicht fit für‘s Digitale – sagen die Schüler vom Droste-Hülshoff-Gymnasium.
"Wir haben zwar alles, aber die Schüler haben das noch nicht so wirklich benutzt. Und das würde ich mir wünschen, dass wir das mehr nutzen. Wir arbeiten eben sehr viel mit Arbeitsblättern, wenig mit Smartboards. Der Lehrer schreibt vorne etwas an die Tafel, wir dürfen das nicht benutzen."
Das Thema Digitalisierung wurde lange vernachlässigt
Neben der dringend nötigen Lehrerfortbildung – hier sind die Länder zuständig, das Geld dafür kommt nicht aus dem Digitalpakt – müssen Schulserver aufgebaut und es muss überall WLAN installiert werden. Häufig fehlt eine leistungsstarke Datenleitung. Paul Fresdorf von der oppositionellen FDP kritisiert:
"Das Thema Digitalisierung ist ja nicht wie eine Schlechtwetterfront mal schnell über die Alpen gezogen, und komplett unerwartet, und zieht auch wieder ab. Nein, das ist ein Thema, das uns seit Jahren beschäftigt, und da muss man doch klar vorausschauend planen. Und da wären die Bezirke, aber auch der Senat aufgefordert gewesen, in den letzten Jahren alles zu tun, um für den Tag X bereit zu sein. Das wäre meine Erwartung an Menschen, die verantwortungsvoll Politik machen."
Bildungssenatorin Scheeres weist diesen Vorwurf zurück. Noch in diesem Jahr würden die ersten Gelder aus dem Digitalpakt fließen, davon geht die SPD-Politikerin aus. Das größte Problem in Berlin: bislang ist keine einzige Schule mit einer Glasfaserleitung ausgestattet. Dafür ist der Digitalpakt allerdings nicht gedacht – das Geld für die Datenleitung muss aus dem Landeshaushalt kommen oder aus einem anderen Bundesprogramm.