Ein Abend Ende März, fast ein halbes Jahr vor der Wahl. Der Generalsekretär der CDU lädt ins Konrad-Adenauer-Haus. Peter Tauber will Ideen sammeln. Die Aufgabe für die eingeladenen Fachleute in der Berliner Parteizentrale: Antworten auf die digitalen Herausforderungen finden, die zur CDU passen.
"Wir müssen, glaub ich, als Partei es eben schaffen, für die verschiedenen Lebenswelten von Menschen in den ländlichen Räumen, in der großen Stadt, jung oder alt, gesund oder krank, die entsprechenden Antworten zu geben, damit die Leute das Gefühl haben: Wir haben verstanden, dass sich die Welt verändert, aber wir nehmen ihnen die Angst, dass sie mit der Veränderung nicht klarkommen, weil wir als Politik die richtigen Leitplanken setzen, damit sie das selber schaffen."
Drei Minuten hat jeder der Teilnehmer, um seine Idee vorzutragen, ein Format, das an Start-up-Pitches erinnert. Also Veranstaltungen, bei denen junge Unternehmen Investoren von ihren Ideen überzeugen sollen. Doch hier geht es um Ideen für das Wahlprogramm der Unionsparteien – Versprechen, die idealerweise in der kommenden Legislaturperiode umgesetzt werden.
"Was in Zukunft die Essenz sein wird, ist, dass wir auf der gesellschaftlichen Eben es verschaffen zu verstehen, wie wir uns nicht durch Daten und Algorithmen total determinieren lassen. Das geht aber nur, wenn wir sie verstehen."
"Die Digitaldienstleister, orientiert durchaus an dem, was Obama 2014 im Weißen Haus angedockt hat. Nämlich ein Start-up innerhalb des Weißen Hauses."
"Es muss unser Anspruch sein, dass das, was an Innovation möglich ist, als allererstes bei uns um die Ecke erlebbar wird."
"Unser Ziel muss sein, 2025 ein Land von 80 Millionen digitalen Pionieren zu schaffen."
Die digitale Zukunft gestalten - aber wie?
20 Ideen werden vorgestellt, nicht alle davon passen gut zur CDU. Aber sie werden gehört: Peter Taubers Chefin kommt hinzu, die CDU-Vorsitzende und Bundeskanzlerin Angela Merkel. Sie sieht eine hohe Dringlichkeit für Fragen der Digitalisierung, denn, sie habe die Sorge, dass die klassische Industrie …
"… nicht verstanden hat, dass sich die Beziehung Mensch-Produkt und Mensch zu Produzent und auch die Beziehung Mensch-Mensch sich vollkommen ändert und damit noch über der Ebene der klassischen industriellen Fertigung einfach etwas entsteht, was noch nicht ausgemacht hat, ob der Produzent von etwas der Sieger ist oder ob der, der die Kunden besser kennt und ihre Bedürfnisse einfach abfragt."
Doch die Partei in die Zukunft mitzunehmen ist kein ganz leichtes Unterfangen. Ein Teilnehmer beim Wahlprogramm-Pitch im Adenauer-Haus spricht davon, dass Pferdebesitzer und Droschkenfahrer eben nicht jene waren, die dem Automobil zum Durchbruch verhalfen – sondern der automobilen Revolution sehr skeptisch, teils ablehnend gegenüberstanden. Weshalb man sie nicht zu ernst nehmen dürfe. Die Kanzlerin nimmt das süffisant auf:
"Wenn ich jetzt mitteile: Passen Sie mal auf, liebe Wählerinnen und Wähler, zu 95 Prozent handelt es sich bei Ihnen um Pferdebesitzer oder Droschkenfahrer. Und ich wollte Ihnen jetzt mitteilen, es ist hier jetzt was auf dem Vormarsch und da sind Sie erst mal mit ihrem gesamten Denkansatz etwas störend, und deshalb vertrauen Sie uns mal voll, wir können Ihnen zwar noch nicht ganz genau sagen, wie das Produkt der Zukunft aussieht, aber es ist in jedem Fall besser als das, was Sie heute tun. Also da erwartet man von uns natürlich etwas mehr."
Nämlich klar zu formulieren, wohin die digitale Reise geht – und wie man sie gestalten will.
Digitalpolitik spielt nur eine Nebenrolle
Anfang Juli ist es fertig, das gemeinsame Wahlprogramm von CDU und CSU – nach AfD, FDP, Linken, Grünen und SPD das letzte der Parteien mit realistischen Einzugschancen. Bei keiner Partei ist die Digitalpolitik das Hauptthema, bei allen spielt sie eine Nebenrolle. Während Union, Liberale und Grüne dem Thema eigenständige Kapitel gewidmet haben und zusätzlich an anderen Stellen digitalpolitische Aspekte berücksichtigen, finden sich die Ziele des Querschnittsthemas Digitalpolitik bei SPD, AfD und Linken ausschließlich im Programm verstreut.
"Ich sehe eigentlich die größte Herausforderung in der Vernetzung der verschiedenen Politikfelder. Weil mittlerweile die Digitalisierung in allen Politikfeldern ja angekommen ist. Wenn Sie mal schauen, der Gesundheitsminister oder die Bildungs- und Forschungsministerin oder der Verkehrsminister, die haben eigentlich digitale Projekte mittlerweile als die prioritären Projekte ausgeguckt und beschäftigen sich sehr intensiv damit. Das war zu Beginn dieser Wahlperiode glaube ich noch nicht so."
Sagt Martin Schallbruch von der European School of Management and Technology in Berlin. Er war von 1998 bis 2016 im Bundesinnenministerium tätig, zuletzt als IT-Direktor. Kaum jemand kennt die Irrungen und Wirrungen der Digitalpolitik so gut wie er, der seit seinem Ausscheiden aus dem Ministerium als Forscher und Berater Politik und Verwaltung berät:
"Was jetzt schwierig ist, ist, dass das natürlich alles zusammenhängt. Das heißt: Fragen der Infrastruktur, Fragen des Datenschutzes, Fragen der IT-Sicherheit, Fragen aber auch von Architektur und Interoperabilität stellen sich, glaube ich, übergreifend und da glaube ich, ist die größte Herausforderung für die Digitalpolitik, das zu organisieren."
Ein Staatsminister für Digitales oder ein Digitalministerium?
Ein Staatsminister im Kanzleramt soll die Koordination zwischen den Ressorts übernehmen, ein Kabinettsausschuss den fachlichen Austausch organisieren – so der Plan der Unionsparteien. Die bisherige Vorgehensweise gleich dreier federführend zuständiger Minister – Innen-, Wirtschaft- und Verkehr und Digitale Infrastruktur – hat sich offenbar nicht bewährt.
Der Plan von CDU und CSU könnte Wirklichkeit werden – selbst, wenn die Union nicht mitregiert. Denn: Die SPD hat dazu keine Position formuliert – genau wie Linke und AfD. Die Grünen fordern ebenfalls eine bessere Koordination unter einer Stelle, die am Kabinettstisch sitzen soll. Einzig die FDP geht deutlich über das vorgeschlagene hinaus: Sie möchte ein eigenständiges Digitalministerium.
In den Verbänden gibt es dazu ganz unterschiedliche Positionen. Die IT-Wirtschaftsverbände wollen mindestens einen koordinierenden Staatsminister, manche würden ein eigenständiges Digitalministerium bevorzugen. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen hält von all den Vorschlägen nichts. Dessen Vorstand Klaus Müller sagt:
"So was sorgt dafür, dass die nächsten anderthalb Jahre nichts passiert. Weil in dem Moment, in dem sie aus wahrscheinlich mindestens fünf Ressorts der Bundesregierung digitale Kompetenzen in welcher Art auch immer bündeln würden, am schlimmsten in einem neuen Ministerium, bedeutet, dass es die nächsten anderthalb Jahre keine digitale Politik in Deutschland geben würde."
Der IT-Politik-Experte Martin Schallbruch sieht sogar einen Staatsminister skeptisch. Er verweist auf Befindlichkeiten, auf Kompetenzverlustängste innerhalb der Ministerien, die eine gemeinsame Koordination schwierig machen würden.
Den Wandel in der Wirtschaft begleiten
Fakt ist: Die Digitalisierung stellt Deutschland vor große Herausforderungen – nicht zuletzt, wenn es darum geht, wie die deutsche Wirtschaft in die Zukunft geht. Und es gibt zum Beispiel die ökonomisch bedeutsame, aber skandalgebeutelte Autoindustrie.
Der Innsbrucker Wirtschaftswissenschaftler Leonhard Dobusch kennt die Digitalisierungsdebatten gut, hat lange in Deutschland gelebt und geforscht. Er fürchtet:
"Dass Deutschland sich auf den Exporterfolgen, die man derzeit noch feiert, ausruht. Denn was Deutschland derzeit sehr erfolgreich in die ganze Welt exportiert, im Maschinenbau und Ähnlichem, das sind im Kern eigentlich Technologien der 80er Jahre."
Der Wandel von Produkten "Made in Germany" hin zu Mischprodukten, verbunden mit digitalen Dienstleistungen und Fähigkeiten, ist etwas, das am Ende die Unternehmen stemmen müssen. Aber wie wollen die Parteien dies befördern und begleiten?
"Wir wollen Autoland Nr. 1 bleiben und die Innovationsführerschaft für autonomes Fahren und die Vernetzung des Verkehrs erlangen", heißt es im Wahlprogramm der Unionsparteien. Gemeinsam mit der Automobilindustrie wolle man diese Kraftanstrengung unternehmen. Die SPD setzt den Fokus stärker auf den Mittelstand: Die Vernetzung von Industrie, Mittelstand und Handwerk mit Start-ups werde über den Erfolg der Industrie 4.0 mitentscheiden, schreibt die Schulz-Partei.
Und die Alternative für Deutschland, die AfD? Außer der Feststellung, dass sie Hightech-Unternehmen in Deutschland erhalten und Start-ups mit geeigneten Maßnahmen fördern sowie Schlüsseltechnologien identifizieren und vorrangig fördern will, ist bei ihr nicht viel zu den digitalen Herausforderungen der Wirtschaft zu finden. Die FDP fokussiert sich mit ihren Wahlversprechen stark auf Start-ups, deren Gründung, Aufbau und Förderung. Für die Grünen stehen die ökologischen Chancen der Digitalisierung im Vordergrund, insbesondere in der Landwirtschaft.
Die Linke bleibt bei der digitalen Wirtschaftspolitik abstrakt, fürchtet stattdessen vor allem um die Beschäftigten, "Crowd- und Cloud-Arbeit" müssten reguliert werden – und greift damit eine bereits seit Jahren andauernde Debatte um ein neu entstehendes digitales Prekariat auf:
"Das hat das Potenzial, dass hier der Druck auf Arbeitnehmer, einerseits, was die Intensität der Arbeit betrifft, aber auch, was die Austauschbarkeit betrifft, in manchen Sektoren wahrscheinlich stark zunehmen wird", sagt Leonhard Dobusch.
Chancen und Bedrohung: Arbeiten 4.0.
Auf das politische Schlagwort "Industrie 4.0" folgte "Arbeiten 4.0". Für die Debatte um die zukünftige Rolle der Arbeiter, Angestellten und Selbstständigen in einer digitalisierten Umwelt haben Grüne, AfD und FDP keine Worte gefunden. SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz sagt:
"Gerade in industriellen Prozessen führt die Robotik dazu, dass menschliche Arbeit wegfällt. Da können wir ja nicht hingehen und sagen: Wir geben die Menschen auf, nur weil Arbeit wegfällt. Da müssen wir neue Arbeitsfelder schaffen."
Bei Sozialdemokraten und der Union sieht man aber auch Chancen – bei beiden stehen flexiblere, selbstbestimmte Arbeitszeitmodelle im Fokus. SPD und Linke sind nah beieinander, wenn es um die soziale Absicherung neuer Beschäftigungsverhältnisse geht.
Digitalisierung - eine europäische Aufgabe
Doch Deutschland steht diesen Veränderungen nicht allein gegenüber. Viele europäische Staaten haben ähnliche Herausforderungen zu meistern – sozial genauso wie wirtschaftlich. Viele Unternehmen sind europaweit tätig. Sind nationale Vorhaben da zu klein gedacht?
"Der digitale Airbus ist ja dafür letztendlich das Sinnbild. Das kann man ganz sicherlich nicht national machen, wenn, muss es im europäischen Rahmen angesiedelt werden. Wir reden ja hier auch um eine gewisse Unabhängigkeit im Bereich von Hard- und Softwareentwicklung, wo wir gänzlich letztendlich von Produkten aus China oder den USA abhängig sind."
Ist Annegret Bendiek von der Stiftung Wissenschaft und Politik, überzeugt. Für sie nur ein Beispiel, wo Digitalisierung europäisch angegangen werden müsse. Europäisch zu denken, das bietet auch einen anderen Vorteil. Viel wurde in den vergangenen Jahren über die Regulierung von Digitalkonzernen gestritten – und die EU-Kommission hat mit dem Wettbewerbsrecht ein passendes, scharfes Schwert in der Hand.
"Man kann beobachten, dass es durchaus Regulierungsmöglichkeiten auch größter Plattformen wie Google oder Facebook auf europäischer Ebene gibt."
Sagt der Innsbrucker Wirtschaftsprofessor Leonhard Dobusch. Aber der digitale Binnenmarkt sei nach wie vor unvollendet. Stattdessen würden die 28 Nationalstaaten mit ihren Spezialregelungen zu 28 Märkten führen. Verschenkt, findet Dobusch, und ärgert sich:
"Dass man aber nicht den anderen Schritt auch noch tut, nämlich einheitliche Rahmenbedingungen und einen einfachen Zugang zu europäischen Märkten für europäische Unternehmen zu ermöglichen."
Ein Problem für alle europäischen Firmen und ihre Geschäftsmodelle – adressiert wird es nur in den Wahlprogrammen von FDP und SPD.
Schnelles Netz, langsamer Ausbau
Sehr viel näher an den Menschen ist das Thema, dass in vielen Regionen Deutschlands, für Bürger aber auch für die Wirtschaft, ein Ärgernis ist: der Breitbandausbau. Bis Ende 2018 sollte eigentlich jeder Fleck der Bundesrepublik mit mindestens 50 Megabit Leitungsgeschwindigkeit angebunden sein, so das Ziel der scheidenden Bundesregierung. Ende 2016 war das für etwa 75 Prozent der Haushalte erreicht – doch die fehlenden Prozente sind teuer. Oft ist der Ausbau für Privatunternehmen nicht wirtschaftlich, weshalb der Staat unter die Arme greift.
Aber die Fördermittel aus dem Hause Dobrindt wirken bei den Bürgern noch nicht, der Prozess des Breitbandausbaus bleibt bürokratisch und langsam. Im vergangenen Jahr wurden von den 400 Millionen Euro, die für den Netzausbau im Bundeshaushalt zur Verfügung standen, gerade einmal fünf Millionen Euro abgerufen. Ein Grund, warum Angela Merkel am vergangenen Sonntag sagte:
"Im Augenblick haben wir das Problem, dass die Preise steigen, weil die Planungs- und Baukapazitäten knapp sind. Deshalb seh' ich den Hauptpunkt nicht in der Frage, muss es mehr Geld sein, das kann man dann und muss man dann machen, sondern erst einmal Planungen zu beschleunigen."
Schnelle Glasfasernetze, die fordern alle großen Parteien bis auf die AfD. Am deutlichsten legen sich die Grünen mit ihren Vorstellungen fest: Jedes Gebäude in Deutschland soll mit Glasfaseranschlüssen versorgt werden, der derzeit schnellsten verfügbaren Technologie. Die Kosten dafür betragen zwar über 50 Milliarden Euro – die ersten zehn davon wollen die Grünen aber durch den Verkauf der Telekom-Anteile des Bundes gegenfinanzieren. Dieses Finanzierungsmodell will auch die FDP – und zusätzlich auch die Anteile an der Deutschen Post verkaufen. Dies könnte acht Milliarden Euro einbringen.
Der Ökonom Leonhard Dobusch meint, dass es durchaus sinnvoll sein könne, wenn der Staat bei gewissen Vorhaben in Vorleistung gehe und den Breitbandausbau wie in diesem Fall unterstützt:
"Die privaten Investitionen profitieren auch von diesen öffentlichen Investitionen. Und da schließt sich dann auch der Kreis, denn das Ganze kann nur dann nachhaltig funktionieren, wenn diese Unternehmen dann auch wieder bereit sind, beziehungsweise vom Staat auch dazu herangezogen werden, Steuern zu bezahlen, um diese Investitionen zu finanzieren."
Die Union will vor allem die Einnahmen aus der Vergabe von neuen Mobilfunklizenzen für den Glasfaserausbau einsetzen und den Ausbau bis 2025 flächendeckend abschließen, die SPD spricht für das gleiche Jahr von 90 Prozent Verfügbarkeit. Die FDP will über Ausschreibungen dafür sorgen, dass, wer attraktive Standorte wie Städte ausbauen will, auch weniger lukrative, ländliche Gegenden mitausbauen muss. Die AfD fordert zwar auch den staatlich gestützten Breitband-Ausbau, der innerhalb von zwei Jahren allen die Möglichkeit zum schnellen Surfen geben soll – doch wie schnell die Anschlüsse nach AfD-Vorstellungen wirklich sein müssen, und wie das finanziert werden soll, verrät die Partei in ihrem Programm nicht.
Wenig Konkretes von der AfD
Und das ist keine Ausnahme: Wenig konkret sind die AfD-Vorschläge zur Digitalpolitik. Für die AfD wird das Thema vor allem dort relevant, wo sie ihre Anhänger als mögliche Opfer begreift. Das wird auch deutlich, als die Spitzenkandidaten der Partei im Juli einen "Gegenentwurf" zum Netzwerkdurchsetzungsgesetz präsentieren. Also zu dem umstrittenen Gesetz, mit dem Bundesjustizminister Heiko Maas, SPD, Anbieter Sozialer Netzwerke und Plattformen wie Facebook, Twitter oder YouTube dazu verpflichtet, als rechtswidrig gemeldete Inhalte zeitnah zu überprüfen – mit vielen Änderungen verabschiedet am letzten Sitzungstag des Bundestages.
Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz sei verfassungswidrig, sagt die AfD. Stattdessen solle es ein Meinungsfreiheitsgesetz geben, so Spitzenkandidatin Alice Weidel.
"Das Netzdurchsetzungsgesetz sagt: Facebook, du löschst jetzt, was wir jetzt in irgendeiner Form als Hate Speech kategorisieren. Die Kriterien sind noch nicht mal definiert. Wir haben aber ein Zivil- und ein Strafrecht, was ganz klar Kriterien, beispielsweise der Volksverhetzung, der Beleidigung, kategorisiert. Und dagegen können sie vorgehen. Das ist doch alles schon abgedeckt gesetzlich."
Mit dem, was tatsächlich im beschlossenen Netzwerkdurchsetzungsgesetz steht, hat diese Kritik nicht viel zu tun. Aber darum geht es der AfD-Politikerin vielleicht auch nicht. Ob sie das Gesetz gegen sich, gegen ihre Anhänger gerichtet sehe, wird Alice Weidel gefragt:
"Es ist doch ganz klar, dass das Netzwerkdurchsetzungsgesetz sich gegen uns richtet. Das ist klar. Darum gibt es das. Kurz vor den Bundestagswahlen. Ist doch klar."
Die Ablehnung eines möglichen Wechsels von Bargeld hin zu elektronischen Zahlungsmitteln ist der AfD wichtig – zu Themen wie Datenschutz, Netzneutralität, dem automatisierten Fahren, digitaler Medienkompetenz, Cyberkrieg, Nachrichtendiensten und der digitalen Verfügbarkeit von Verwaltungsangeboten schweigt sie sich in ihrem Wahlprogramm hingegen vollständig aus.
Krieg und Frieden im Cyberspace regulieren
Doch auch bei den anderen Parteien gibt es auffällige, programmatische Leerstellen. CDU, CSU und SPD – keiner der heutigen Koalitionäre hat eine klare Haltung zur Vorratsdatenspeicherung in seinem Programm festgeschrieben. Die, von dieser Koalition wiedereingeführt, steht juristisch längst wieder auf der Kippe, durchgeführt wird sie derzeit nicht. FDP, Linke, Grüne lehnen sie ab – die AfD hat hierzu kein Ziel niedergeschrieben.
Genau wie zu einem anderen, politisch heißen Eisen: der Frage von Krieg und Frieden im Cyberspace. Hier unterscheiden sich die Parteien klar: Die Unionsparteien stellen den Ausbau der Bundeswehrfähigkeiten in den Mittelpunkt, die SPD die Frage autonom agierender Waffensysteme. Die Linke sieht keine militärischen Zuständigkeiten im Digitalen, während den Grünen vor allem eine internationale Selbstverpflichtung am Herzen liegt, zivile, digitale Infrastrukturen weder als Ziel noch als Instrument von Cyberangriffen zu nutzen.
Für die Experten ist dieses Thema eines, an dem sich die digitale Zukunft Deutschlands und der Welt entscheiden wird. Martin Schallbruch:
"Wir erleben ja international eine Fülle von Cyberangriffen und wir haben in den allermeisten Fällen die begründete Vermutung, dass irgendwelche staatlichen Stellen in irgendeiner Form beteiligt sind. Sei es, dass ihnen die Schwachstellen entkommen sind, wie der NSA, und von Dritten wird das ausgenutzt, sei es, dass sie Angriffswerkzeuge weiterverwenden, sei es, dass sie eigene Angriffe vorbereiten, dass sie üben, dass sie probieren – was auch immer. Also staatliche Akteure spielen eine ganz große Rolle."
Deshalb müsse sich Deutschland in internationalen Organisationen auf höchster Regierungsebene engagieren. Das sieht auch Annegret Bendiek von der Stiftung Wissenschaft und Politik so. Keinen Zweifel hat sie daran, dass Deutschland seine Cyber-Abwehr-Fähigkeiten ausbauen müsse – und das parlamentarisch kontrolliert.
"Letztendlich lassen sich Cyberangriffe nur regulieren oder verhindern, indem man international eine enge Sicherheits- und vertrauensbildende Politik betreibt."
Denn am Ende würde der digitale Frieden an den gleichen Mechanismen hängen wie die herkömmliche, analoge Welt.