Der Start war witzig, jedenfalls in der Werbung: Ein Mann saß im Wald in einem Klohäuschen. "Mach auf", sagte ein kleines Digitalradio. Plötzlich fielen Tür und Seitenwände um und vor dem verdutzten Mann standen die berühmtesten Radiomoderatoren Norwegens mit der schwedischen Schlagerikone Tommy Nilsson.
Sein Hit "Öffne Die Tür" sollte in diesem von öffentlichen und privaten Sendern gemeinsam produzierten Fernsehspot sprichwörtlich der "Türöffner" für das Digitalradio sein und die Menschen auf das Ende der UKW-Ära vorbereiten - seit 1995 geplant, schließlich vom Parlament beschlossen und im vergangenen Jahr am 11.1. um 11.11 Uhr im hohen Norden Norwegens gestartet.
Funklöcher, instabile Signale und alte Empfangsgeräte
Inzwischen gibt es knapp 30 Radioprogramme überall in Norwegen nur noch digital. Lediglich kleinere lokale Stationen dürfen bis 2022 auf UKW weitersenden. Thor Gjermund Eriksen ist Generaldirektor des öffentlichen Senders NRK. In einem Interview bei den "Radiodays Europe" ließ er damals dezent durchblicken, dass er nicht wirklich glücklich war mit der UKW-Abschaltung. Wie würden die Hörer reagieren? "Das wissen wir noch nicht. Es ist ja auch nicht unsere Entscheidung, sondern die der Regierung, und sie ist an Bedingungen geknüpft."
Eine der Bedingungen war stabiler DAB-Empfang in 99,95 Prozent aller norwegischen Haushalte. Diese Bedingung war angeblich erfüllt, aber von Anfang an gab es Beschwerden: Funklöcher, instabile Signale und auch der nötige Austausch von an die acht Millionen alten Empfängern. Die Folge: Es wird weniger Radio gehört.
Die Zahlen sind unterschiedlich deutbar
Jon Branaes ist NRKs Radiochef: "Die Ursache für den Hörerrückgang ist natürlich die Abschaltung des UKW-Signals. Die Leute haben schlichtweg nicht genügend geeignete Geräte zur Verfügung. Vor allem im Auto, auch wenn neue Modelle bereits DAB haben. Aber bei älteren Autos sind viele der Meinung, dass es zu teuer und zu umständlich ist, ein DAB-Radio oder einen Adapter einzubauen."
Mit den Zahlen, die dazu gehören, ist es wie immer: Man kann sie unterschiedlich deuten. So hatte das Programm P4 im zweiten Quartal 2017 noch mit UKW etwa 1.150.000 Hörer, nur mit DAB ein Jahr später entweder 150.000 Hörer weniger oder aber schon wieder eine Million! Und auch diese vermeintliche Schreckensmeldung vom Juli ist laut Branaes auf den zweiten Blick gar nicht so schlimm:
"Im Sommer haben wir eine psychologische Grenze unterschritten, als die Hörerzahlen während der Ferien auf unter 50 Prozent gesunken waren. Ein Rückgang im Sommer ist aber normal, das war gefühlt jedoch etwas Anderes diesmal. Jetzt, nach dem Ende der Urlaubszeit, sehen wir, dass der Abstand kleiner geworden ist, der Unterschied zu 2017 liegt nur noch bei sechs bis sieben Prozentpunkten, was die Hörerzahlen angeht."
"DAB ist ja fast schon wieder ein bisschen veraltet"
Der Radiomacher bleibt also zuversichtlich. DAB werde sich am Ende durchsetzen. Vielleicht nicht ganz so schnell, in den kommenden acht bis zehn Jahren werde Radio aber wohl im größten Teil Europas digitalisiert sein. Möglicherweise dann aber dauerhaft mit einer anderen, vielleicht sogar kleineren Hörerschaft, sagt Professorin Gunn Enli, Medienwissenschaftlerin an der Uni Oslo.
Man habe Leuten, die weiterhin Radio hören wollen, den Umstieg einfach nicht leicht genug gemacht und: "Wir haben vor allem die jungen Hörer verloren, denn DAB ist ja fast schon wieder ein bisschen veraltet. Zum Zeitpunkt der Umstellung hatten sich ja bereits viele Prozesse im Internet etabliert, wir hören zum Beispiel Podcasts oder so etwas und das Problem mit DAB ist nun einmal, dass es überhaupt nicht ans Netz gekoppelt ist."