Sandra Schulz: Schon lange diskutieren die Europäer ja darüber, was gegen die immer wieder beklagte Schieflage hilft oder helfen könnte, dass die digitalen Großkonzerne aus den USA, Google, Facebook, Amazon und Apple, in Europa Milliarden-Profite erwirtschaften, aber kaum oder wenig Steuern zahlen im Vergleich zu den Unternehmen hier.
Im Juli beschloss die französische Regierung einen Alleingang, eine Digitalsteuer, wie gerade noch mal gehört - sehr zum Ärger von US-Präsident Donald Trump. Und weil der digitale Wandel heute in Biarritz auf der Agenda steht, nehmen wir uns daran ein Beispiel und wollen das Thema hier an dieser Stelle vertiefen.
Am Telefon ist Thomas Gegenhuber, Betriebswirtschaftler und Juniorprofessor für digitale Transformation an der Leuphana-Universität Lüneburg. Schönen guten Morgen!
Thomas Gegenhuber: Schönen guten Morgen.
Schulz: Lassen Sie uns jetzt noch mal auf die Ausgangslage blicken. Frankreich hat diesen Alleingang hingelegt, Mitte Juli eine Digitalsteuer verkündet, angeleiert, nachdem auch die europäischen Gespräche dazu wieder mal gescheitert waren. Was hat diese Digitalsteuer denn bisher gebracht?
Gegenhuber: Ich glaube, das ist einfach die Herausforderung, die Macron hier angehen will. Es ist einfach die Frage, wie können wir mehr soziale Gerechtigkeit im Steuerwesen schaffen. Das Problem ist, dass unser Steuersystem, sei es national oder international, immer noch am industriellen Zeitalter orientiert ist.
Das heißt, die meisten Steuern werden im Grunde dort eingehoben, wo der Gewinn erwirtschaftet wird. Üblicherweise haben ja auch Firmen Zweigstellen in anderen Ländern und deswegen sind sie auch steuerlich erfasst. Das Problem ist aber, was hier versucht wird zu lösen, dass in der Plattform-Ökonomie das ganz anders gelagert ist.
Bei Plattformen wie Facebook oder Google findet ein großer Teil der produktiven Wertschöpfung, wie zum Beispiel wenn Sie Postings auf Facebook posten und Werbung konsumieren, im digitalen und nicht im physischen Raum statt. Durch diese Steuer erhofft man sich eben …
"Frankreichs Strategie ist sehr riskant"
Schulz: Herr Gegenhuber, wenn Sie mich da zwischenfragen lassen? Gerade weil wir über diese kaum fassbaren Plattformen sprechen, ergibt es da Sinn, wenn ein Land einen Alleingang hinlegt?
Gegenhuber: Ja, das gibt aus meiner Sicht sehr wohl Sinn, wenn man sich nämlich die Ausgangslage vorführt. In der Europäischen Union, wie Sie es vorhin angesprochen haben, ist diese Digitalsteuer gescheitert, weil Länder wie Irland, die Niedrigsteuer-Länder, aber auch Länder wie Schweden und letztendlich auch Deutschland gebremst haben.
Auf internationaler Ebene, auf Ebene der OECD verspricht man, bis 2020 hier eine Lösung zu finden, was sowohl die Steuern auf internationaler Ebene als auch die Digitalsteuer betrifft. Aber ich glaube, Frankreich ist zurecht skeptisch, dass dies auch wirklich passiert.
Was die Strategie Frankreichs aus meiner Sicht ist, ist eine riskante Strategie, aber ich glaube, eine sinnvolle Strategie. Wenn wir jetzt nicht Handlungen setzen, wenn wir jetzt nicht Tatsachen schaffen und Referenzpunkte schaffen für eine digitale Steuer, dann droht dieses Thema unterzugehen im politischen Diskurs, aber auch im medialen Diskurs.
"Trump möchte nicht, dass andere Leute mit seinem Spielzeug spielen"
Schulz: Aber wir haben in Frankreich jetzt Prognosen, Schätzungen, die im kommenden Jahr durch diese Digitalsteuer mit Einnahmen von rund 650 Millionen Euro rechnen. Ist das ein Betrag, der einen Schritt rechtfertigt, den ja nun ganz offenkundig US-Präsident Donald Trump als Kriegserklärung auffasst?
Gegenhuber: Ja, ich würde sagen, dieser Beitrag rechtfertigt das, und es sind ja auch andere Länder wie Großbritannien, Spanien, Italien, Österreich, die ähnliche Pläne gemacht haben. Es ist natürlich auch die EU-Kommission nicht glücklich darüber, weil sie Einzellösungen nicht wollen, weil das den gemeinsamen digitalen Markt natürlich fragmentiert. Das sind natürlich Kritikpunkte. Und dass Donald Trump nicht glücklich ist – ich meine, das ist eine zwiespältige Rolle.
Einerseits ist Donald Trump nicht ein Freund der Tech-Industrie. Gleichzeitig ist auch klar: Er möchte nicht, dass andere Leute mit seinem Spielzeug spielen. Ich glaube, der Schritt ist gerechtfertigt, weil wenn das nicht auf der politischen Agenda bleibt, dann wird in diesem Bereich nicht viel passieren. Aber - und das ist auch ein wichtiger Punkt - das löst natürlich nicht alle Probleme.
Schulz: Genau! Darauf wollte ich gerade zu sprechen kommen. Denn dieses Steuerthema, das zielt auf eine Schieflage ab, wenn wir über den digitalen Wandel, die digitale Wirtschaft sprechen. Eine ganz andere Schieflage ist es ja, dass diese großen US-Unternehmen auch eine ungeheure Marktmacht haben. Was haben die Europäer dem entgegenzusetzen?
Gegenhuber: Die EU-Kommission verfolgt im Vergleich zu den USA in den letzten zehn Jahren eine Strategie, die ich einsortieren würde als eine konservative Strategie, um zu schauen, dass Wettbewerbsregeln eingehalten werden. Hierzu kommen maßgebliche Strafen, die die Großkonzerne betreffen in den USA, aus dem europäischen Raum.
Ich denke an die 150 Millionen Euro, wenn auch wenig, die Facebook bezahlt hat nach dem Zusammenschluss mit WhatsApp, weil sie sich nicht an die Regelung gehalten hat, oder ich denke an die Milliarden-Strafen an Google. Die EU-Kommission vertritt hier eine progressive Politik. Was jedoch fehlt ist insgesamt eine Gesamtstrategie.
"Die Australier gehen hier einen Schritt weiter"
Schulz: Danach wollte ich gerade fragen. Sie sagen, Strategie. Würden Sie denn überhaupt so weit gehen, von einer Strategie zu sprechen?
Gegenhuber: Ich würde zumindest sagen, die Grundstrategie ist eine konservative und zurückhaltende Strategie, können wir die größten Probleme, die diese Konzerne auslösen, sofern es in unserer Macht ist, irgendwie lösen. Diese Strategie wird verfolgt.
Die Australier gehen hier einen Schritt weiter. Die stellen sich sowohl die Frage der Regulierung. Die australische Wettbewerbskommission hat gerade hier im Juli ein neues Papier veröffentlicht, wo die Strategie ist, nicht nur zu sagen, wie können wir regulieren und mehr Wettbewerb erzeugen, sondern wie können wir auch investieren, dass regionale Nachrichten eine bessere Chance haben. Hier wird schon umfassender gedacht.
Und für mich eine viel weitergehende digitale Strategie wäre zu denken, wie soll eigentlich in Europa eine digitale Ökonomie im 21. Jahrhundert aussehen, wie können wir es schaffen, dass Technologie so benutzt wird, dass es den Werten einer Europäischen Union entspricht. Da müssen wir hin.
Schulz: Jetzt haben wir nicht mehr viel Zeit, aber können Sie uns dazu einige Stichworte nennen, dass wir uns das vorstellen können.
Gegenhuber: Ein Beispiel ist das Thema Bildung, wie können wir im Bildungsbereich unsere Schülerinnen und Schüler so erziehen, dass sie sich selbständig mit Technologien auseinandersetzen und herumbasteln. Da gibt es Coding Communities, wo Leute selber programmieren.
Eine weitere Möglichkeit wäre, dass die Europäische Union Plattformgenossenschaften fördert, anstatt dass die Plattformen den USA gehören, dass diese Plattformen wie zum Beispiel eine Reinigungsplattform auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern selber gehört.
Das dritte Beispiel wäre mehr Dezentralisierung, mehr Datenhoheit, wie es zum Beispiel die Stadt Barcelona geschafft hat und jetzt versucht, eine Smart City zu bauen, wo die Bürgerinnen und Bürger selber entscheiden, was mit ihren Daten passiert. Das sind die Wege, die wir gehen müssen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.